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Überraschendes Phänomen bei der Kristallbildung entdeckt

Archivmeldung vom 11.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Bild: Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Winzig kleine, in Wasser verteilte Plastikkügelchen ordnen sich schneller in einer Kristallstruktur an, wenn sie von leicht unterschiedlicher Größe sind, als gleich große Kugeln. Dieses überraschende Phänomen haben Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) bei der Untersuchung von Kolloiden entdeckt.

Kolloide sind Teilchen von weniger als einem tausendstel Millimeter Größe, die als Schwebstoffe fein verteilt in einem Trägermedium schwimmen. Ein klassisches Beispiel ist die Milch mit ihren kleinen Fetttröpfchen, die im Wasser schweben. Physiker nutzen solche kolloidalen Suspensionen für Modellexperimente, unter anderem zur Überprüfung von Computersimulationen.

Die Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Thomas Palberg am Institut für Physik beobachtet die Kristallbildung von solchen in Wasser schwebenden Plastikkügelchen mit Videomikroskopie oder anderen optischen Methoden. Ein besonders beliebtes Modellsystem sind elektrostatisch negativ geladene Kugeln in salzarmem oder destilliertem Wasser. Bereits mit bloßem Auge lässt sich erkennen, wie die Probe bei zunehmender Konzentration der Kügelchen zunächst stark milchig wird und schließlich kleine Kristalle bildet, die in allen Regenbogenfarben schillern. Unter dem Mikroskop ist zu sehen, dass sich die Schwebeteilchen zu einer regelmäßigen Gitterstruktur angeordnet haben wie bei einem Schmuckopal.

Bei dem jetzigen Versuch haben die Physiker Suspensionen mit Kügelchen verschiedener Größe und Größenverteilung untersucht. Erstaunlicherweise konnten sie feststellen, dass die Kristallbildung durch leichte Größenunterschiede der Kugeln kontinuierlich beschleunigt wurde – und zwar bis zu einem Größenunterschied von acht Prozent. Größere Abweichungen werden nicht toleriert, stattdessen geht die Geschwindigkeit der Kristallisation dann drastisch zurück, weil mehr Zeit für die Sortierung der Kugeln in Kristalle aus vorwiegend großen oder vorwiegend kleinen Kugeln nötig wird. „Wir waren über diesen Effekt sehr überrascht, weil wir intuitiv erwartet hätten, dass gleich große Kugeln schneller kristallisieren“, sagt Thomas Palberg zu dem Ergebnis. „Aber offenbar lassen sich ungleich große Kugeln schneller in ein Gitter packen, auch wenn es am Ende vielleicht nicht so schön aussieht.“

Oberflächenspannung zwischen Kristall und Schmelze entscheidend

Der physikalische Grund für die unerwartet schnelle Kristallisation ist eine geringere Oberflächenspannung zwischen dem Kristall und seiner umgebenden Schmelze. „Wir können zeigen, dass die Oberflächenspannung eng gekoppelt ist an die Differenz zwischen dem Ausmaß der Unordnung in der Schmelze und dem Ausmaß der Unordnung im festen Zustand“, ergänzt der Physiker. „Natürlich ist eine Schmelze viel ungeordneter als ein Kristall. Aber gerade deswegen ist die perfekte Ordnung des Kristalls leicht durch ein paar Kügelchen abweichender Größe zu stören, während man in der Schmelze die Zunahme der Unordnung kaum bemerken würde. Der Unterschied der Unordnung und damit die Oberflächenspannung nehmen also ab, wenn leicht unterschiedliche Kugeln verwendet werden. In der Folge wird dann die Kristallbildung wesentlich einfacher und schneller.“ Dies könnte auch erklären, weshalb im Computer simulierte, gleichmäßig große Kugeln viel zu langsam kristallisieren.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (idw)

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