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SQUIDs statt Schaufeln: Archäologen greifen zu Quantenelektronik aus dem IPHT

Archivmeldung vom 27.09.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Dr. Thomas Schüler schiebt das Messsystem über eine Geoglyphe in Peru. Foto: IPHT
Dr. Thomas Schüler schiebt das Messsystem über eine Geoglyphe in Peru. Foto: IPHT

Versunkene Zeugnisse unserer Vorfahren aufzuspüren ohne eine Schaufel in die Hand zu nehmen - das leistet eine neue, international einmalige Methode der Abteilung "Quantenelektronik" des Institutes für Physikalische Hochtechnologie (IPHT).

Das Messsystem an einem "Pick-up" angehängt bei Messungen in Peru. Foto: IPHT
Das Messsystem an einem "Pick-up" angehängt bei Messungen in Peru. Foto: IPHT

Die Supraleitenden Quanten-Interferenz-Detektoren (SQUIDs) ermöglichen Magnetfeldkartierungen von bisher nicht gekannter Genauigkeit in deutlich kürzerer Zeit als herkömmliche Systeme und sind gleichzeitig robust genug, um im Freiland zur Beurteilung von Ausgrabungsflächen eingesetzt werden zu können.

Diese Forschungsleistung ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit des IPHT mit dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) und stellt die erfolgreiche Anwendung eines hochmodernen quantenelektronischen Verfahrens in der Archäologie dar.

Archäologen schöpfen ihr Wissen aus Ausgrabungsfunden wie Keramiken, gebrannten Ziegeln oder auch Holzteilen, die im Boden verrotten. Darüber hinaus können sie Siedlungsgruben, Gräber oder Pfostenstandspuren anhand von Farbveränderungen des Bodens ausfindig machen. Die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren verursachen aber auch Veränderungen der magnetischen Eigenschaften des Bodens. Sie beruhen auf den hohen Temperaturen im Boden oder der Aktivität magnetotaktischer Bakterien bei Verrottungsprozessen. Diese magnetischen Spuren vergangener Kulturen sind jedoch sehr gering im Vergleich zu denen geologischer Strukturen oder den kurzzeitigen Schwankungen des Erdmagnetfeldes.

Die magnetische Kartierung einer Fläche bietet viele Vorteile, weil sie ohne zeit- und kostenintensive Grabungen auskommt und zerstörungsfrei ist. Gleichzeit stellt sie aber eine sehr große Herausforderung für die Messtechnik dar. Die IPHT-Wissenschaftler um Dr. Volkmar Schultze und Dr. Ronny Stolz haben diese Herausforderung nun gemeistert: Ihre SQUIDs sind so empfindlich, dass sie auch kleinste Signale detektieren können. "Diese große Empfindlichkeit nutzte man bisher, um die biomagnetischen Felder des menschlichen Gehirns zu untersuchen", erläutert Volkmar Schultze. Allerdings müssen dafür große, mehrere Millionen Euro teure Abschirmkabinen um die SQUIDs errichtet werden. Am IPHT konnten nun SQUIDs der höchsten Sensitivität so ausgelegt werden, dass sie ohne eine derartige aufwendige und teure Schirmung arbeiten und sogar frei im Erdfeld bewegt werden können. Der besondere Trick dabei ist: Das Messsystem ist so konstruiert, dass homogene Magnetfelder, wie zum Beispiel das Erdmagnetfeld, keine Signale liefern, sondern nur solche Felder, die auf kleiner Fläche graduelle Unterschiede aufweisen. Dies erreicht der spezielle SQUID von Ronny Stolz durch einen hochsymmetrischen und abgeglichenen Aufbau. "Dieser hohe Abgleich und die gleichzeitig extreme Magnetfeldempfindlichkeit unseres SQUID-Systems sind weltweit bisher unerreicht", betont der Physiker.

Damit kann das am IPHT auf die SQUIDs zugeschnittene Messsystem Magnetfeldkartierungen um Größenordnungen besser aufgelöst vornehmen als herkömmliche Systeme. Außerdem erfolgt die archäologische Prospektion mit viel größerer Geschwindigkeit, so dass die Untersuchung großer Flächen erst ökonomisch vertretbar wird. "Damit ergeben sich völlig neue Möglichkeiten für die archäologische Forschung", freut sich der Ur- und Frühgeschichtler Dr. Tim Schüler vom TLDA. So könne man mit der SQUID-Technologie in Zukunft nicht nur große zusammenhängende Areale effektiver kartieren, sondern auch im Vorfeld großer Baumaßnahmen archäologische Untersuchungen durchführen, ohne durch Grabungen wertvolle Zeit zu verlieren.

In Zusammenarbeit dem TLDA wurde das SQUID-Messystem an die Anforderungen in der Archäologie optimal angepasst. Den vorläufigen Höhepunkt dieser gemeinsamen Arbeiten stellt die Untersuchung des aus der Jungsteinzeit stammenden Kreisgrabensystems in Niederzimmern bei Weimar dar. "Die hochaufgelöste Kartierung dieses insgesamt 27 Hektar umfassenden Objektes wäre mit konventionellen Methoden kaum möglich gewesen", so Archäologe Schüler.

Darüber hinaus wurde die IPHT-Innovation weltweit an verschiedenen archäologisch interessanten Stellen (neben Deutschland u.a. in Österreich, England, Peru) eingesetzt und fand dabei höchste Anerkennung. So hielt Schultzes Kollege Sven Linzen Ende August auf der Applied Superconductivity Conference in Seattle einen eingeladenen Vortrag, Schultze selbst wird Mitte Dezember in London einen Vortrag auf einem internationalen Treffen von Geophysikern halten. Außerdem wurden die Jenaer Wissenschaftler gebeten, ihr Messsystem in archäologischen Fachpublikationen vorzustellen. Über die Untersuchung archäologisch interessanter Stätten in England berichteten unter anderem die BBC und die Zeitschrift "New Scientist".

Der Einsatz der neuartigen IPHT-Technologie ist nicht auf die Suche nach Spuren vergangener Kulturen beschränkt: "SQUIDs", so ist Volkmar Schultze überzeugt, "können auch bei der Minensuche oder im Bergbau wertvolle Dienste leisten."

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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