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Hunderte ehemaliger Kurkinder in der Bundesrepublik misshandelt und gequält

Archivmeldung vom 10.09.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.09.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: Thorben Wengert  / pixelio.de
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de

Kinder, die in den 60er bis 80er Jahren in der Bundesrepublik in sogenannte Kinderkurheime zur Erholung verschickt wurden, sollen teilweise gequält und misshandelt worden sein. Das zeigen Recherchen von "Report Mainz".

Der Redaktion liegen ca. 250 Erlebnisberichte ehemaliger Kurkinder vor. Darin berichten diese von Drohungen und Schlägen, Erniedrigungen und Quälereien wie beispielsweise den Zwang, das eigene Erbrochene immer wieder essen zu müssen.

Solche Misshandlungen soll es bundesweit in den Kindererholungsheimen von der Nordsee bis nach Bayern und Baden-Württemberg gegeben haben. Gesammelt hat diese Berichte Anja Röhl, die eine Initiative ehemaliger "Verschickungskinder" gegründet hat.

Erstmals reden nun gegenüber "Report Mainz" sechs Frauen über ihre damaligen Erlebnisse: "Das war ein ganz schlimmer Albtraum für mich", sagt die heute in Berlin lebende Karin Kanitz. Leonie Seliger, heute wohnhaft in Canterbury, erinnert sich: "Richtiger Sadismus ist da abgelaufen." Als Trauma bezeichnet Katharina Petersen-Häusler ihren Aufenthalt in einem Kinderkurheim auf Sylt, der inzwischen mehr als 50 Jahre zurück liegt, noch heute.

Als besonders traumatisch beschreiben viele die Situation im Speisesaal: Das Essen in den Einrichtungen wird übereinstimmend als eklig beschrieben: "Es wurde erbrochen in den Teller rein, und die Kinder mussten das Erbrochene mit dem restlichen Essen noch mal essen. Haben wieder erbrochen, mussten es wieder essen, bis zum Ende. Das eigene Erbrochene. Das ist wirklich eines der schlimmsten Geschehnisse. Und das beschreiben fast alle", sagt Anja Röhl. Noch heute leiden die Frauen zum Teil massiv unter den inzwischen 50 Jahre zurück liegenden Geschehnissen, dies wird in allen Interviews deutlich: "Wir kamen anders zurück, als wir hingegangen sind. Wir kamen verletzt und verwundet zurück, in unseren Seelen und auch körperlich", fasst Anja Röhl die Erfahrungen der Kinder von damals zusammen. "Das ging über zehn, zwanzig bis dreißig Jahre. Das betrifft Millionen Kinder und dieses muss aufgearbeitet werden", sagt Anja Röhl gegenüber "Report Mainz" und fordert "staatliche Hilfen". Diese sollten ähnlich organisiert sein wie der Fonds der ehemaligen Heimkinder.

Aus Regierungsunterlagen geht hervor, dass bedürftige Kinder durch die Kuren gestärkt werden sollten. Dabei sollte das Personal "ihnen Lebensmut geben" und mit "einer besonderen Liebe" begegnen. 1963 gab es 839 solcher Kinderkurheime mit Platz für bis zu 350.000 Kinder pro Jahr. Im gleichen Jahr sind allein aus NRW über 200.000 kurbedürftige Kinder verschickt worden.

Beteiligt an diesen Kinderverschickungen waren damals u. a. Jugendämter, Kommunen, Krankenkassen, DRK, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie und Caritas. Auf Anfrage von "Report Mainz" erklären sie übereinstimmend, dass sie von solchen Misshandlungen, von absoluten Einzelfällen abgesehen, keinerlei Kenntnis hätten. Das Bundesgesundheitsministerium und die Diakonie ließen die Fragen von "Report Mainz" unbeantwortet. Die Caritas versichert, sich intensiv an Aufklärung und Aufarbeitung beteiligen zu wollen, sofern ihre Einrichtungen davon betroffen seien. In welchem Ausmaß es in den vielen Kinderkurheimen zu diesen beschriebenen Misshandlungen in der Vergangenheit gekommen ist, ist bis heute unbekannt.

"Report Mainz" am Dienstag, 10. September 2019, 21:45 Uhr im Ersten Moderation: Fritz Frey

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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