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Rassismus in der DDR weiter verbreitet als bisher angenommen - Tod zweier Kubaner jetzt erstmals ein Fall für die Justiz

Archivmeldung vom 17.08.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.08.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Flagge der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
Flagge der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Gemeinsame Recherchen des Historikers Harry Waibel mit MDR-exakt belegen, dass Rassismus und fremdenfeindliche Gewalt in der DDR stärker verbreitet waren als bisher bekannt. "Wir können bisher 700 Vorfälle nachweisen und belegen, bei denen es mindestens 12 Tote gegeben hat", erklärte der Historiker Harry Waibel im MDR-Format "Exakt - Die Story".

Der Historiker hat für seine Recherchen umfängliche Bestände der Stasi-, Polizei- und Gerichtsakten ausgewertet und stieß dabei auf Vorkommnisse im gesamten Gebiet der DDR. Demnach gab es über mehrere Jahre ausländerfeindliche Parolen, Beleidigungen, Hetze, gewalttätige Übergriffe und Körperverletzungen, Ausschreitungen und sogar Tote. Laut Waibel sei die homogene Gesellschaft der DDR weitgehend nicht in der Lage gewesen, mit Fremden umzugehen.

So wurde am 19.September 1987 in Staßfurt ein Lehrling aus Mosambik von mehreren Männern mit fremdenfeindlichen Motiven bewusstlos getreten und in den Fluss Bode geworfen. Einen Tag später wurde die Leiche gefunden. Sechs Staßfurter sollen laut Stasi-Akten für seinen Tod verantwortlich sein. Doch nur ein Täter, ein bereits Vorbestrafter, wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Erfurt wurde am 10. August 1975 zum Schauplatz eines bis dahin nie dagewesenen Gewaltexzesses. Fünf Tage lang jagten Gruppen von bis zu 300 Deutschen algerische Vertragsarbeiter durch die Innenstadt und verprügelten sie mit Latten und Stangen.

Ein besonders schwerer Fall ereignete sich in Merseburg am 12. August 1979. Dabei wurden zwei kubanische Vertragsarbeiter von mehreren Merseburgern in den Fluss Saale gejagt und wurden durch Flaschen- und Steinwürfe offensichtlich so schwer verletzt, dass sie anschließend ertranken. Die anfänglichen Ermittlungen der Polizei wurden durch die Staats- und Regierungsführung unter Kenntnisname von Erich Honecker eingestellt.

Mehr als 37 Jahre nach den Ereignissen hat die Familie eines getöteten Kubaners durch die Recherchen von MDR-Exakt erstmals von den tatsächlichen Todesumständen erfahren. Mittlerweile hat die Familie den Münchner Anwalt Yavuz Narin mandatiert. Dieser sieht die zuständige Staatsanwaltschaft Halle nun in der Pflicht zu handeln.

Yavuz Narin: "Wir gehen davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Halle von sich aus tätig werden dürfte, da es sich bei Mord um ein Offizialdelikt handelt. Falls die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus tätig werden sollte, werden wir uns mit einem entsprechenden Antrag möglicherweise mit einem Klageerzwingungsverfahren noch Mal an die Staatsanwaltschaft wenden."

MDR-Exakt hat alle jetzt bekannten rassistischen Vorfälle in der DDR erstmals in einer interaktiven Karte, mit Tatorten und konkreten Vorkommnissen zusammengestellt.

Mehr dazu in "Exakt - Die Story" am 17.08.2016 ab 20.45 Uhr im MDR Fernsehen und unter http://mdr.de/exakt.

Quelle: MDR Mitteldeutscher Rundfunk (ots)

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