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Hochsprung-Legende Ulrike Nasse-Meyfarth: "Ich musste die Weltspitze wieder einholen"

Archivmeldung vom 06.08.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Ulrike Nasse-Meyfarth (2012)
Ulrike Nasse-Meyfarth (2012)

Foto: Mbx
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Vor 30 Jahren, am 10. August 1984, feierte die Hochspringerin Ulrike Meyfarth in Los Angeles ihren zweiten Olympiasieg - zwölf Jahre nach dem Gold von München 1972. Das ist bis heute einmalig. Und am 12. August beginnt die Leichtathletik-EM in Zürich. Das Mitglied der "Hall of Fame des deutschen Sports" blickt im Interview mit der Deutschen Sporthilfe zurück und schaut voraus.

Was ist Ihnen vom Tag ihres zweiten Olympiasiegs in Los Angeles noch prägend in Erinnerung?

Der Wettkampf lief wie am Schnürchen. Ich nahm alle Höhen im ersten Versuch, direkt vor mir war die Italienerin Simeoni dran, die Silber holte. Das Publikum war nicht so mitreißend wie in München, aber ein deutsches Eckchen ging voll mit. Ich habe nur den Fehler gemacht, nach dem Sieg mit 2,02 Metern noch über 2,07 springen zu wollen, Weltrekord. Da war ich ein bisschen übermütig. Gefreut habe ich mich, dass mir Berthold Beitz als IOC-Vize die Goldmedaille umhängte. Erst kürzlich erfuhr ich in seinen Memoiren, dass ihn in diesem Moment ein israelischer Sportjournalist wiedererkannte und später aufsuchte. Beitz hatte ihn im Krieg vor dem KZ bewahrt.

Ihr Weg von München 1972 nach Los Angeles 1984 war nicht immer einfach. Es gab Niederlagen und Kritik. Nun waren Sie zwölf Jahre älter und sprangen zehn Zentimeter höher, gab es weitere Unterschiede?

Diese zehn Zentimeter musste ich mir schwer erarbeiten. Ich war als Athletin gereift und hatte viel an Kraft und Schnelligkeit zugelegt, das konnte man an Anlauf und Absprung sehen. Ich musste ja die Weltspitze wieder einholen. München 1972, da war ich 16, da war das eine überraschende Leistung und ein überraschender Sieg. Es ist viel schwieriger, eine Leistung wie in Los Angeles über Jahre hinweg aufzubauen.

Werden sie häufig auf ihre Olympiasiege angesprochen?

Ja, das kommt immer noch vor. Vor allem auf den Sieg in München. Leute erzählen mir, wo sie das miterlebt haben, dass sie etwa gerade im Taxi saßen und Radio hörten. Natürlich ist der Sieg im eigenen Land vielen Menschen präsenter als der bei der Nachtschicht in den USA.

Das könnte man als Plädoyer für Olympische Spiele in Deutschland sehen.

Ja klar. Aus Athletensicht kann es nichts Größeres geben als Olympia im eigenen Land.

Was erwarten Sie von den deutschen Leichtathleten nach dem Sieg bei der Team-EM im Juni in Braunschweig für die Europameisterschaften in Zürich?

Die Team-EM kam gut rüber in den Medien und war aus deutscher Sicht eine prima Teamleistung. Der Robert Harting ist zu jedem hin, hat angefeuert und gratuliert, so etwas kennt man ja gar nicht. Früher war das schwieriger mit dem Teamgeist. Warum soll da nicht der eine oder die andere über sich hinauswachsen? Zumal in einigen Disziplinen eine Medaille bei einer EM viel greifbarer liegt als auf Weltebene. Für Zürich sehe ich vor allem im Wurf, in den Staffeln und im Weitsprung Chancen.

Und im Hochsprung? Ariane Friedrich ist schwanger, Marie-Laurence Jungfleisch sprang bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm 1,90 Meter, Martin Günther 2,25 Meter, Raúl Spank wurde Vierter. Können die Deutschen in Zürich ein Wörtchen mitreden?

Im Hochsprung ist es derzeit schwierig. Es gibt solche Phasen. Jungfleisch ist noch jung, muss Erfahrung sammeln. Günther hat einiges drauf, kann das aber nicht immer abrufen. Es wird nicht einfach für sie werden.

Der Russe Iwan Uchow und der Ukrainer Bohdan Bondarenko kratzen am Männer-Weltrekord des Kubaners Sotomayor aus dem Jahr 1993 (2,45 Meter). Bei den Frauen hält die Bulgarin Kostadinowa den Weltrekord (2,09 Meter) schon seit 1987. Wann fällt eine Bestmarke?

Ein Sprung über 2,40 Meter bedeutet noch nicht, dass man bald 2,45 Meter springen wird. Mit zunehmender Höhe werden die Schritte kleiner. Die Frauen beißen sich schon seit Jahren am Weltrekord die Zähne aus. Ich dachte, die Kroatin Blanka Vlasic könnte es schaffen, dann verletzte sie sich. Zurzeit sehe ich keine Weltrekordspringerin, eher passiert etwas bei den Männern. Rekorde fallen aber häufiger bei kleineren Veranstaltungen. Internationale Meisterschaften sind keine Rekord-, sondern Gewinnspringen.

Sie sind dreimal Weltrekord gesprungen, zuletzt 2,03 Meter. War Ihnen das wichtig?

Mir war wichtig, zum richtigen Zeitpunkt fit zu sein. Die Weltrekorde waren nette Dreingaben. Die 2,03 Meter 1983 in London waren übrigens nicht geplant und nicht erwartet. Die Russin Tamara Bykowa und ich haben uns hochgepuscht. Ich kam im ersten Versuch drüber, sie im zweiten oder dritten. Allerdings hielt der Rekord nur wenige Tage, bis Bykowa einen Zentimeter draufpackte.

Kann die deutsche Leichtathletik 2016 in Rio ein gutes Bild abgeben?

Ich denke, wir werden uns gut präsentieren. Doch vor allem hoffe ich, dass allein die Olympischen Spiele gut über die Bühne gehen werden. Die soziale Ungerechtigkeit in Brasilien dürfte wie bei der Fußball-WM Anlass für Proteste geben, berechtigterweise. Es muss nachhaltig etwas für die Menschen dort getan werden. Vor Peking 2008 wurde für Tibet demonstriert, das geriet aber schnell wieder in Vergessenheit.

Was haben Sie aus Ihrer Sportkarriere für das Leben mitgenommen?

Es war eine schöne Zeit, die einem keiner mehr nehmen kann. Geprägt hat mich, Training und gleichzeitiges Studium einteilen zu müssen. Studierende Sportler sind anders, sie erwerben gewisse Fähigkeiten, die Normalstudierende nicht lernen. Damit können sie einen späteren Berufseinstieg ausgleichen. Das wird von Unternehmen mehr und mehr erkannt. In einer olympischen Sportart ist es lebenswichtig, zweigleisig zu fahren und eine Ausbildung abzuschließen. Ich sah mich nie als Profi. Hört man auf, liegt nicht viel Geld auf der hohen Kante, selbst wenn das einige glauben. Heute müssen viele Sportler immer noch für Ausrüstung oder Trainingslager eigenes Geld in die Hand nehmen. Trainer denken oft nur an Medaillen. Doch die wenigen Talente, die wir haben, die müssen wir pflegen. Leistungssport muss sich in jeder Hinsicht lohnen.

Zur Person:

Ulrike Nasse-Meyfarth (* 4. Mai 1956 in Frankfurt am Main) Keiner anderen Leichtathletin ist das Kunststück gelungen, zwölf Jahre nach dem ersten Sieg ein zweites Mal Olympia-Gold zu holen. Als 16-Jährige gewann Ulrike Nasse-Meyfarth 1972 in München völlig überraschend mit Weltrekord (1,92 Meter). Am 10. August 1984 überquerte sie in Los Angeles bei 2,02 Meter die Latte. Bei den Europameisterschaften 1982 in Athen sprang sie mit Weltrekord (2,02 Meter) zum Titel. Ein Jahr später steigerte sie die Rekordmarke auf 2,03 Meter. Weitere Erfolge waren Titel bei Hallen-Europameisterschaften 1982 und 1984 sowie WM-Silber 1983. Zwischen 1981 und 1984 war Ulrike Nasse-Meyfarth viermal in Folge deutsche "Sportlerin des Jahres". Heute arbeitet die 58-Jährige unter anderem als Trainerin für ihren Verein TSV Bayer 04 Leverkusen. Seit 2011 ist sie Mitglied in der "Hall of Fame des deutschen Sports".

Die Fragen stellte Oliver Kauer-Berk.

Quelle: Stiftung Deutsche Sporthilfe (ots)

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