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Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier-Neureuther: "Wenn Werte im Sport nichts mehr zählen, ist das der Tod für Olympische Spiele"

Archivmeldung vom 03.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Rosi Mittermaier
Rosi Mittermaier

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Vor 40 Jahren, am 8. Februar 1976, gewinnt Rosi Mittermaier bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck Gold im Abfahrtslauf. Drei Tage später, am 11. Februar, folgt Gold im Slalom, und am 13. Februar Silber im Riesenslalom - "Gold-Rosi" war geboren. Im Sporthilfe-Interview äußert sich die Doppel-Olympiasiegerin und Mitglied der "Hall of Fame des deutschen Sports" über die anstehenden Olympischen Jugend-Winterspiele, das Risiko auf der Streif-Abfahrt und erklärt, warum es für sie bei Olympia nicht in erster Linie um Medaillen geht.

Deutsche Sporthilfe: In Lillehammer starten am 12. Februar die zweiten Olympischen Jugend-Winterspiele. Was sind Ihre Gedanken zu diesem Wettbewerb?

Rosi Mittermaier-Neureuther: Der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge kam früher mehrmals auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich diese Idee befürworten würde. Ich habe ihm immer gesagt, dass ich das ganz toll finde und er hat es dann letztendlich ins Leben gerufen. Es ist eine internationale Zusammenkunft, die nicht so sehr auf sportliche Erfolge, sondern eher auf die Gemeinsamkeit und den Spaß am Sport abzielt, worum es ja bei Olympischen Spielen gehen sollte. Diese Idealvorstellung ist dort heute leider nicht durchzusetzen, deswegen finde ich eine solche Veranstaltung im Jugendbereich sehr wichtig.

Deutsche Sporthilfe: Wie haben sich das Leben der Athleten und der Leistungssport an sich im Vergleich zu Ihrer aktiven Zeit verändert?

Rosi Mittermaier-Neureuther: Die Leidenschaft und die Begeisterung der jungen Sportler sind nach wie vor da. Natürlich läuft heute alles professioneller ab, aber prinzipiell hat sich da nicht viel gewandelt. Was sich für die Sportler zum Positiven verändert hat, sind die einzigartigen Möglichkeiten, sich untereinander zu vernetzen. Sie können eigene Projekte starten, Toleranz fördern, Erfahrungen in anderen Bereichen sammeln. Das ist doch das Tolle: Sport kann für viele Dinge ein Ventil sein. Viele Leute erkennen das heute aber nicht mehr, weil nur noch auf die Finanzen und Top-Platzierungen geachtet wird. Da muss ich auch das IOC anprangern. Die Vergabe der Winterspiele an Orte wie Sotschi, Pyongchang oder Peking zum Beispiel, das ist schrecklich. Bei den Olympischen Spielen sollten Werte, Nachhaltigkeit und Fairplay im Mittelpunkt stehen und nicht das Geld und die Medaillen. Ob da einer im Slalom eine Tausendstelsekunde schneller fährt als der andere, das ist doch am Ende egal. Wenn ich mit jemandem über die Olympischen Spiele rede und derjenige fragt mich als Erstes: "Was glaubst du, wie viele Medaillen wir holen?", dann denke ich mir: "Wo ist der Sport hingekommen?" Ich glaube, das war zu meiner Zeit noch nicht so krass. Wenn das in der Art weitergeht, wenn Werte im Sport nichts mehr zählen, ist das der Tod für die Olympischen Spiele.

Deutsche Sporthilfe: Ihr legendärer Doppel-Olympiasieg von Innsbruck liegt jetzt fast genau 40 Jahre zurück. Welche Erinnerung haben Sie an diese Tage?

Ich kann natürlich immer noch genau sagen, wo die Tore beim Rennen standen. Das waren einfach Wettkämpfe, die einem ganz besonders im Gedächtnis bleiben. Aber die schönsten Erinnerungen habe ich noch an die Eröffnungs- und Abschlussfeier der Spiele. Die konnte ich einfach mehr genießen als die Siegerehrung nach dem Wettkampf. Das war immer eine ganz spezielle, tiefgehende Atmosphäre. Nicht nur in Innsbruck, sondern bei allen Spielen, an denen ich teilnehmen durfte. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir, als ich bei der Schlussfeier in Innsbruck die deutsche Flagge trug und neben Ulrich Wehling, dem Fahnenträger der DDR, lief. Ich wollte mich eigentlich bei ihm einhaken, um ein Zeichen zu setzen. Leider hatte ich am Ende doch nicht den Mut dazu. Ich bin aber heilfroh, dass ich bei diesen Ereignissen dabei sein durfte. Heute können viele Sportler bei den Eröffnungs- und Abschlussfeiern wegen dem straffen Programm nicht dabei sein. Unser Sohn Felix hat zum Beispiel die Eröffnungsfeier in Sotschi verpasst, weil es vor Ort keine geeigneten Trainingsmöglichkeiten gab und er noch nicht angereist war, weil die Trainingssteuerung den Fokus nur auf die optimale Leistung legt. So etwas finde ich sehr schade.

Deutsche Sporthilfe: 2016 jährt sich nicht nur der doppelte Olympiasieg und Ihr Weltcupgesamtsieg zum 40. Mal, sondern auch der - für viele überraschende - Rücktritt vom aktiven Sport. Muss man wirklich aufhören, wenn es am schönsten ist?

Rosi Mittermaier-Neureuther: Nein, muss man nicht. Ich war aber schon 25, das war für eine Skifahrerin damals einfach alt. Ich habe mit 16 angefangen, im Weltcup zu fahren und war fast zehn Jahre aktiv. Wir haben ja als Amateursportler nichts verdient, deswegen musste ich in diesem Ski-Alter einfach schauen, dass ich die Türen zur Gründung einer Existenz öffne und habe deshalb mit dem Leistungssport aufgehört. Für mich ist dieser Aspekt übrigens auch der wichtigste Arbeitsbereich der Deutschen Sporthilfe, nämlich gerade den jungen Athleten neben dem Sport Berufsmöglichkeiten für die Zukunft aufzuzeigen und zu vermitteln.

Deutsche Sporthilfe: In letzter Zeit wird viel über die Verletzungsgefahr im alpinen Skisport diskutiert, insbesondere über die legendäre Streif-Abfahrt in Kitzbühel. Haben Sie selbst Bedenken, wenn Ihr Sohn Felix an den Start geht?

Rosi Mittermaier-Neureuther: Das Risiko im alpinen Skisport ist zurzeit am absoluten Limit angelangt oder schon darüber. Das gilt für fast alle Disziplinen, besonders in der Abfahrt. Ich glaube, wenn die weltbesten Skifahrer teilweise keine Chance mehr haben, ohne gravierende Probleme runterzukommen, weil die Sicht so schlecht oder die Kompression zu stark ist, wie auf der Streif, dann schießt man übers Ziel hinaus. Für Skirennfahrer ist es leider schon fast alltäglich, sich zu verletzen. Das darf einfach nicht sein.

Deutsche Sporthilfe: Für Ihr gesellschaftliches Engagement haben Sie 2001 die Goldene Sportpyramide verliehen bekommen. 2006 wurden Sie außerdem in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen und sind dort bislang neben Willy Bogner die einzige Ski alpin-Sportlerin. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

Rosi Mittermaier-Neureuther: Das sind für mich sehr hohe Auszeichnungen. Gerade, dass ich die Goldene Sportpyramide als zweite überhaupt entgegen nehmen durfte, war eine große Ehre. Mir geht es bei diesen Veranstaltungen aber weniger um die Preisträger, sondern darum, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Es sind viele da, die die Deutsche Sporthilfe und damit die Athleten selbst unterstützen. Mit solchen Veranstaltungen und Preisverleihungen kann man ganz wunderbar das rüberbringen, worum es im Sport geht. Es ist ja auch schön zu sehen, wenn jemand gewürdigt wird, der für Fairness und Toleranz steht. Die Medien veröffentlichen ja sonst viel Negatives, deswegen ist es umso schöner, wenn man auf diese Weise positive Schlagzeilen schreiben kann. Die junge Generation kann das jetzt auch über Netzwerke wie Facebook teilen und so noch mehr darauf aufmerksam machen. Das ist eine wirklich gute Sache.

Zur Person:

Rosi Mittermaier-Neureuther (* 5. August 1950 in Reit im Winkl)

Die "Gold-Rosi" von Innsbruck 1976: In allen drei alpinen Skiwettbewerben einer Winter-Olympiade eine Medaille, darunter zwei goldene in Abfahrt und Slalom - keine andere alpine Skiläuferin hatte dies vor 1976 erreicht. Im gleichen Jahr wurde Rosi Mittermaier-Neureuther Weltmeisterin in der Kombination und Gesamtweltcupsiegerin. Die Fachjournalisten wählten sie zur "Sportlerin des Jahres". Seither ist sie als "Gold-Rosi" bekannt. Doch nicht allein der sportliche Erfolg stempelt Rosi Mittermaier-Neureuther, zum Idol. Vielmehr zeichnen dafür auch das Charisma ihrer Gesamtpersönlichkeit und das von gesellschaftlichem Engagement gekennzeichnete Leben nach der Karriere verantwortlich. Mittermaier-Neureuther widmet sich intensiv dem Charity-Gedanken. Sie ist Schirmherrin der Kinder-Rheuma-Stiftung, Botschafterin des Europäischen Parlaments für Sport, Toleranz und Fairplay und engagiert sich für organtransplantierte Kinder beim Verein Kinderhilfe Organtransplantation. Aufgrund ihrer Verdienste im sportlichen wie im sozialen Bereich wurde Rosi Mittermaier-Neureuther 2001 von der Deutschen Sporthilfe mit der "Goldenen Sportpyramide" ausgezeichnet und 2006 in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen.

Quelle: Stiftung Deutsche Sporthilfe (ots)

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