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Der Ein-Euro-Skandal

Archivmeldung vom 24.03.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.03.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

Wie Fronarbeit legalisiert wird und Zwangsarbeit reguläre Arbeitsplätze verdrängt

Von Manuela Fresnick

Eine der wenigen vielgepriesenen Wunderwaffen der Hartz IV-Sozialpolitik ist der „Ein-Euro-Job“. Dieser muß „zusätzlich, gemeinnützig und berufsqualifizierend“ sein. Das war als Leckerli gedacht für zögerliche Betriebs- und Personalräte. Doch nach dem Spiel ist vor dem Spiel, weiß der Fachmann. Die Jobs, die heute vermittelt werden, sind selten „zusätzlich“, oft nicht sehr „gemeinnützig“ und fast nie „berufsqualifizierend“. Wer hätte das gedacht?

Selbst Bundesminister Clement hat mittlerweile zugeben müssen, daß „diese Wirkung“ wohl teilweise bestehe. Er kann es jetzt auch gut einräumen, denn einmal eingeführt, werden diese Jobs ein langes Leben entwickeln. Erstens, weil zumindest vordergründig ein Wegfall dieser Jobs die Arbeitslosenstatistik weiter in die Höhe treiben würde, zweitens weil sich die Träger dieser Arbeitsstellen sehr schnell an diese Möglichkeit an billige Arbeitskräfte zu kommen gewöhnen werden und drittens aber auch, weil angesichts der niedrigen Sätze des ALG II auch viele Betroffene froh sind, wenigstens etwas hinzuverdienen zu können.

Besonders pervers an dieser Sache ist, daß zu den Trägern häufig solche Institutionen zählen, die von der Aufgabenstellung her eigentlich für Sozialpolitik zuständig sind. Allerdings sind das auch Institutionen, die Kosten verursachen, aber nur in Ausnahmefällen profitabel sind. Sie stehen daher unter enormem Druck und die Versuchung, diesen Druck dadurch etwas abzubauen, daß man – trotz gelegentlichem Pro-Forma-Protest – sich in sein Schicksal fügt und sich „gestaltend“ an der Umsetzung beteiligt, ist selbstredend riesengroß. So sind die klassischen Sozialverbände, aber auch öffentliche Einrichtungen in diesem Bereich federführend, was schon zu Protesten privater Firmen geführt hat, die sich benachteiligt sehen und nun nicht etwa für die Streichung eintreten, sondern selbst davon profitieren wollen.

In Berlin gibt es z. Zt. 7 400 „Ein-Euro-Jobs“ (in der Regel zu 1,50 Euro als „Mehraufwandsentschädigung“ vergütet). Diese Jobs dürfen maximal 9 Monate ausgeübt werden und nicht mehr als 30 Wochenstunden betragen. Insbesondere in Schulen und Kitas werden viele solcher Kräfte untergebracht, was dazu führt, daß bereits massiv reguläre Stellen abgebaut werden. Oft kurz bevor die Hilfskräfte zur Verfügung stehen, so daß die Einstellung mit der Begründung erfolgen kann, die Arbeit sei ja „zusätzlich“. So wurden 40 Schulbibliotheksstellen mit dieser Begründung durch Ein-Euro Leute besetzt, diese seien regulär nicht zu besetzen, weil „keine Stellen vorhanden seien“. Doch waren diese Stellen erst kurz zuvor im Zuge der Sparmaßnahmen des Berliner Senats gestrichen worden. So treffen sich die Interessen der Clementschen Arbeitsmarktpolitik vortrefflich mit Sarrazins Haushaltssanierung – allerdings auf dem Rücken sowohl der betroffenen Jobber als auch der „eingesparten“ Fachkräfte.

Dabei muß oft nicht einmal eine Einbuße an Qualität hingenommen werden, da unter den Arbeitslosen durchaus auch Menschen mit den entsprechenden Qualifikationen vorhanden sind. Allenfalls die Arbeitsmotivation leidet da und dort, doch wird dieser Aspekt durch die disziplinierende Wirkung ausgeglichen, die an den Sanktionsmöglichkeiten der Hartz IV – Gesetze beziehungsweise der Existenzangst der (potentiell) Betroffenen hängen. Wird – wie angedacht – demnächst auch die Zuverdienstmöglichkeit bei ALG II – Beziehern heraufgesetzt, besteht kein Grund mehr, diese Niedriglohnjobs nicht auch auf den privaten Bereich auszuweiten. Läge diese Zuverdienstmöglichkeit bei 400 Euro Einkommen etwa bei 50 Prozent, so wäre damit de facto der Ein-Euro-Job-Bereich auf den regulären Arbeitsmarkt ausgedehnt und die Hartz IV _Reform würde als das sichtbar, was sie von Anfang sein sollte: Ein gigantisches Programm zur Absenkung des Lebensstandards der Bevölkerung.

Der Gesellschaft – so wie sie verfaßt ist – müßte das nicht schaden. Hier herrscht sowieso zuviel „Anspruchsdenken“. Und die FDP-Führung (aber nicht nur die) vertritt eh die Auffassung: „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Egal welche und zu welchem Lohn. Wundert sich da etwa jemand?

Quelle: http://www.rbi-aktuell.de/

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