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Wale weiterhin weltweit bedroht - Walfang und Umweltprobleme ohne Ende?

Archivmeldung vom 29.05.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.05.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das Drama für die Wale spitzt sich weiter zu. Die 59. Jahrestagung der Internationalen Walfang Kommission (IWC) in Alaska Ende Mai macht deutlich, dass Wale immer größeren anthropogenen Problemen ausgesetzt sind. Zum leidigen Thema Walfang kommen längst andere menschgemachte Eingriffe hinzu, die den Meeressäugetieren das Überleben immer schwerer machen.

So wurden im vor dem Plenum tagenden Wissenschaftsausschuss für die Saison 2006/2007 offiziell 258 durch Schiffsunfälle und Beifänge getötete Wale angegeben. Nach vorsichtigen Schätzungen dürften allein dem immer schnelleren und dichteren Schiffsverkehr tatsächlich ein paar Tausend Wale jährlich zum Opfer fallen. Mit solchen, nicht durch Harpunen verursachte Todesraten befasst sich der Wissenschaftsausschuss erst seit einigen Jahren.

Ein 2004 im Hamburger Hafen mit aufgeschlitztem Bauch aufgefundener Finnwal fand außer in den Medien noch keine große Beachtung. Er kann nur ein Opfer einer Kollision mit einem Schiff gewesen sein. Das Schiff muss den Kadaver quer auf dem Bulb die etwa 100 km von der Nordseeküste bis in den Hamburger Hafen mitgeschleppt haben, ohne, dass jemand den Ballast bemerkt hat. Im Beifang, so eine Hochrechnung des IWC-Wissenschaftsausschusses bereits von 2002, kommen über 300 000 Wale, Delfine und Tümmler um, in nicht für sie ausgebrachten Fischernetzen.

Weil Übungen der Militärs mit Sonaren in den vergangenen Jahren besonders bei den Kanarischen Inseln viele tote Wale zur Folge hatten, wird derartige oft tödliche akustische Umweltverschmutzung, die die Meeressäuger mit Traumata oder geplatzten Organen stranden lässt, jetzt wohl in Richtung Kap Verden Inseln verlagert. Da merkt das wohl kaum einer!

1847 Wale ist die bekannt gegebene Fangquote. 1847 wurden in der Saison 2006/07 offiziell von Walfängern erlegt. Insgesamt erreicht der Walfang damit die zweithöchste Quote seit Inkrafttreten des Moratorium von 1986. Hätte norwegischen Walfänger nicht das schlechte Wetter und japanischen nicht ein Schiffsbrand in der Antarktis einen Strich durch die Rechnung gemacht, hätten sie der Fangquote 2006/07 zu einem neuen Fangrekord von über 2100 Finn-, Brydes-, Pott-, Grönland-, Sei- Grau-, Buckel und Zwergwalen gebracht. In der kommenden Saison sollen es auf alle Fälle mehr werden. Japan hat künftig auch Buckelwale im Visier, von denen 2006 nur ein Tier vor der Karibikinsel St. Vincent abgeschossen wurde.

Allein Japan hat in den vergangenen 18 Jahren 6 000 antarktische Zwergwale über die Klingen der Flensmesser springen lassen - angeblich im Namen der Wissenschaft - und im Schutzgebiet Antarktis. An Ergebnissen hapert es aber nach 18 Jahren nach wie vor. Die Bestandszahl von hochgerechneten 760 000 Zwergwalen ist zu hoch gegriffen. Darüber ist sich die Mehrzahl der IWC-Wissenschaftler einig. Vielleicht um ein Drittel, das weiß man nicht genau. Die Zählfahrten gestalten sich schwierig, weil Daten aus dem dunklen Winter fehlen, und sich die Minkies gerne tief im Packeis aufhalten, wo man sie auch nicht leicht ausmachen kann. Weder das Einsetzen ihrer Geschlechtsreife, noch ihre Fortpflanzungrate kennt man genau. Und die natürliche Sterblichkeitsrate der Tiere lässt sich nun mal mit der Harpune nicht wirklich ergründen... Das sind aber alles Faktoren, die die Wissenschaft benötigt, um über Hochrechnungen den Bestand zu ermitteln. Und es sind Faktoren, die Japan in seinen Forschungsprogrammen unter die Lupe nehmen wollte.

Bei all dem Wirrwarr - und Politgerangel - stellt sich allerdings und immer mehr die Frage, ob die Walfangindustrie überhaupt an konkreten Zahlen und fundiertem Wissen interessiert ist. Und es stellt sich weiterhin die Frage, ob für sie ein Ende des Moratoriums, überhaupt von Vorteil ist. Für die Walfänger Japans, Norwegens und Islands, sowie Grönlands, Alaskas, Russlands und St. Vincents (Karibik) kann das Ende des Walfangs zu kommerziellen Zwecken gar nicht dringlich sein. Die einen behelfen sich mit sogenanntem Eingeborenenfang, die anderen mit Fängen für die Wissenschaft und die norwegische Methode läuft unter „Vorbehalt“.

Das alles ist legal, und es gibt im Prinzip kein Limit, obwohl die IWC vor 60 Jahren gegründet wurde, um nachhaltige Fangquoten auszurechnen - und festzulegen. Ein Status quo hätte auch den Vorteil, dass die jetzt über 70 Mitgliedsländer nicht weiter-hin auf beiden Seiten neue Mitglieder entweder auf der diplomatischen Schiene oder über die Entwicklungshilfe - anwerben müssten.

Und doch kann es in Anchorage bei der 59. Jahrestagung durchaus spannend werden. Man muss damit rechnen, dass Japan eine Art Kuhhandel mit Walen plant und die USA zu erpressen versucht. Ein Grund: Für die zu den USA gehörenden indigenen Völker Alaskas steht die Verabschiedung einer neuen Fünf-Jahresquote von etwa 40 Grönlandwalen pro Jahr bevor. Und das macht die grundsätzlich am Walschutz interessierten USA verletzlich. Vor fünf Jahren hatte es zunächst trotz nächtlicher Dauersitzungen keine Einigung gegeben.

Zwar hat Japans Vize-Delegationsleiter Joji Morishita während des Wissenschaftsausschusses derartige Vermutungen in der Alaska Daily News für dieses Jahr in einem smarten Interview widerlegt. „Das war jedoch gestern, und der dann zuständige Delegationsleiter Japans kann während des Plenums durchaus eine neue Strategie präsentieren“ vermutet die „Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere“ (GSM) ... „Wie schon 2002 muss man befürchten, dass Japan versuchen wird, eine bislang immer wieder abgelehnte Fangquote für Zwergwale im nördlichen Pazifik unter der Rubrik „small scale coastal whaling“ zu erzwingen.

Zwar hinkt der Vergleich mit Alaska, weil der Walfang Alaskas in der Tat nur wenige kommerzielle Aspekte hat, Japan sein Fleisch jedoch in luxuriösen Gourmettempeln gegen harten Yen an den Mann bringt. So müssen die USA vielleicht bald damit leben, dass die Eingeborenen von Alaska auf ihre Quote Bowheads, wie die klobigen Bartenwale mit dem gebogenen Kiefer englisch heißen, verzichten müssen.

Obwohl das Land des Lächelns schon lange an gefälligen Namen für seinen Walfang herumfeilt, bleibt das Abschlachten von um die 1000 Wale jährlich ein kommerzielles Geschäft in einem hochindustrialisierten Land. Japans Walfang ist und bleibt ein Verstoß gegen das weltweite „Moratorium“ von 1986, das noch immer in Kraft ist. Dieses Fangverbot zu kommerziellen Zwecken kann allenfalls durch eine Abstimmung mit Dreiviertelmehrheit aufgehoben werden.

Mit anthropogenen Einflüssen befasst sich auch das im Vorfeld zur Jahrestagung zusammenkommende Conservation Committee, das 2003 in Berlin gegründet wurde. Bereits seit 2002 versucht der Wissenschaftsausschuss das Problem Beifang zu analysieren, und seit mehr als fünfzehn Jahren weist er darauf hin, dass die Beifangquoten an Walen und Delfinen keineswegs „nachhaltig“ sein können. Mehr als eine halbe Million Meeressäugetiere, etwa zur Hälfte Wale und Delfine, sowie Robben, werden Jahr für Jahr in nicht für sie ausgebrachten Fischfanggeschirren, im Beifang, umgebracht. Solche fischereilichen Todesraten können etliche gefährdete Bestände, wie Schweinswale in der Ostsee, Zwergwale im Japanischen Meer und der westpazifische Grauwal auf keinen Fall verkraften. Der Baiji oder Chinesische Flußdelfin, musste in diesem Jahr nach wochenlanger Suche in seinem Heimatgewässer, dem Yangtse, als „ausgestorben“ klassifiziert werden.

Seit dem vergangenen Jahr haben sich die etwa 200 Wissenschaftler aus aller Welt auch mit den sich häufenden Strandungen bei Walen befasst. Neben seismischen Untersuchungen der Ölindustrie und militärischen Aktivitäten mit Sonaren, stehen auch die Anreicherung von Schadstoffen mehr als im Verdacht, tödliche Folgen zu haben. Die Anreicherung von Umweltgiften, wie Quecksilber, Blei, Cadmium, DDT und PCB, beeinträchtigt das Immunsystem der Tiere. Sie erkranken zunehmend an (Morbilli-) Virus-Infektionen, die offensichtlich zu Entzündungen im Innenohr und Beeinträchtigung der Orientierung führen. Andere Wale müssen sterben, weil sich Fanggeschirre in ihrem Maul verfangen haben, oder weil versehentlich verschluckter Plastikmüll ihren Verdauungsapparat verstopft.

Ein weiteres Problem stellen immer mehr und immer schnellere Schiffe dar. Italienische Wissenschaftler haben Kollisionen von Schiffen mit Walen zwischen 2002 und 2005 vor Italiens Küste untersucht. Sie haben festgestellt, dass besonders viele Finnwale betroffen sind. Von 10 toten, gestrandeten Tieren zeigten vier die Spuren von Schiffskollisionen mit großen Wunden und Verletzungen von Schiffspropellern. „Deshalb fordern die DUH und die GSM eine Geschwindigkeitsbegrenzung von Schiffen, u. a. für Schnellfähren auf den Weltmeeren“, erklärt Jörg Dürr-Pucher, DUH. Einen ersten Schritt haben Spanien und Marokko getan, wo der Schifffahrt in der Straße von Gibraltar eine Geschwindigkeitsbegrenzung auferlegt wurde. Der Neubau eines großen Hafens mit fatalen Folgen für Wale hat diese Forderung notwendig ge-macht.

Vergleichbare Daten lieferten spanische Wissenschaftler aus der Strasse von Gibraltar, durch die jährlich fast 100 000 Schiffe fahren und von den Kanarischen Inseln, wo seit 1995 Schnellfähren zwischen den Inseln operieren. Die häufigsten Opfer sind wiederum Finnwale aber auch Pottwale. Im Nordatlantik vor der Küste Amerikas sind die letzten 300 Nördlichen Glattwale oder Nordkaper sowohl wegen der Beifänge als auch Kollisionen mit Schiffen vom Aussterben bedroht.

Und kaum scheinen sich die Buckelwale vor Hawaii ein wenig zu erholen, nehmen dort die Unfälle mit Schiffen zu. Eine Schnellfährenroute durch ihr Nahrungsgebiet ist geplant. Insgesamt, so eine vorsichtige Schätzung, werden jedes Jahr einige Tausend kleine und große Wale durch die Schifffahrt umgebracht.

In anderen Regionen der Weltmeere, wie vor Südamerika oder Asien sieht es nicht besser aus. Es fehlt nicht an Opfern, so die Meinung, die untersucht werden könnten, es fehlt an Untersuchungen. Von dem toten Finnwal , der plötzlich im März 2004 im Hamburger Hafen entdeckt wurde, gibt es auch (noch) kein Untersuchungsergebnis. Er kann jedenfalls nicht allein mit aufgeschlitztem Bauch die ganze Elbe hinaufgeschwommen sein. Es ist zu vermuten, dass er von einem Schiff tödlich gerammt und auf dem Bulb nach Hamburg mitgeschleppt worden ist. Die IWC-Wissenschaftler waren sich einig, dass das häufig passiert und oftmals von der Crew nicht einmal bemerkt wird.

Man muss einmal mehr befürchten, dass Japan und seine Anhänger die 59. IWC-Jahrestagung dazu benutzen werden, wichtige Arbeitsgruppen des Wissenschaftsausschusses und das Conservation Committe abzuwählen. Darunter fallen Bereiche, die die Umwelt und anthropogene Einflüsse betreffen. Dazu gehören auch Untersuchungen an Kleinwalen, wie Delfinen und Tümmlern, oder dem boomenden, unblutigen Geschäft whale watching,

Noch hat die IWC den Ruf, „Die Konvention für Cetacea“, alle Waltiere, zu sein. Die einfache Mehrheit macht eine drastische Wende möglich. Die einfache Mehrheit reicht nicht aus, um das Moratorium abzuschaffen. Dafür ist eine Dreiviertelmehrheit nötig. Sie reichte auch nicht aus, um über ein RMS (Revidiertes Management Verfahren) zu entscheiden, nach dem Walfangquoten hätten vergeben werden können, wenn es welche geben sollte oder könnte. Doch das RMS wollte letztendlich niemand haben. Während die am Schutz der Wale interessierten Länder nicht in den Ruf geraten wollten, Walfang überhaupt zu unterstützen, wollten die Walfangländer sich weder in ihr Geschäft noch in ihre Politik rein reden lassen. Ohne RMS können sie fangen, so viele Wale sie wollen. Das beweisen sie der IWC Jahr für Jahr. An Demarchen, Kampagnen und Proteste haben sie sich längst gewöhnt.

Zusatz:

Südkoreanische Fischer machen nach Ansicht eines internationalen Forscherteams illegal Jagd auf Wale. Die Wissenschaftler stützen ihre Vorwürfe auf Gentests bei Walfleisch von südkoreanischen Märkten, wie das Magazin "New Scientist" berichtet.

In Südkorea darf Walfleisch legal verkauft werden, wenn die Tiere versehentlich als so genannter Beifang in die Netzen gegangen und ertrunken sind. Diese Beifänge müssen aber an die Regierung gemeldet werden.

Den Gentests zufolge wurden von südkoreanischen Fischern zwischen 1999 und 2003 fast doppelt so viele Zwergwale getötet wie an die Regierung gemeldet. Die Forscher um Scott Baker von der Oregon State University in Newport (USA) kommen auf 827 Tiere, gemeldet worden seien aber nur 458.

"Wir nehmen an, dass es sich tatsächlich um eine Form von unreguliertem kommerziellen Walfang handelt", sagte Baker dem britischen "New Scientist".

Kommerzielle Waljagd verboten
Da ein einzelner Zwergwal (Balaenoptera acurostrata) bis zu 75 000 Euro (123 670 Franken) einbringen könne, sei die Versuchung für Fischer gross, die Meeressäuger absichtlich in die Netze zu locken, meinen die Forscher. Das könne die Zwergwalpopulation im japanischen Meer bedrohen.

Das Moratorium der Internationalen Walfangkommission IWC verbietet seit 1986 jede kommerzielle Jagd auf Wale. Island und Norwegen fühlen sich allerdings wegen eines formellen Einspruchs nicht an das Moratorium gebunden. Japan jagt zudem Wale zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken. Die Walfangkommission tagt Ende Mai im US-amerikanischen Anchorage.

Passend zur IWC hat der australische Musiker Kevin Johnson ein Lied für die Wale veröffentlicht, das er auf Anregung der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) geschrieben hat. „The whales are singing to me“ handelt von der Klage eines alten Walfängers, der zu spät merkt, wie viel Schreckliches er den Walen angetan hat. Der Song ist der Appell des Künstlers, die überlebenden Wale in Frieden zu lassen. Und er ist Teil einer neuen Kevin Johnson-CD „Songs from a troubled World“.
Johnson ist seit mehr als 30 Jahren im internationalen Musikgeschäft, weltweit bekannt wurde er mit „Rock & Roll I gave you the best years of my life“.

Quelle: Pressemitteilung Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e.V. (GSM) (Text: Petra Deimer)

 
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