"Kühlende" Wälder können auch heizen
Archivmeldung vom 26.01.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie einfache Formel, die wir in den letzten Jahren gelernt haben, dass Wälder das Treibhausgas CO-2 aus der Atmosphäre binden und daher die globale Erwärmung verhindern, stellt sich als doch gar nicht einfach heraus, wie zuerst angenommen. Wälder können Hitze direkt absorbieren und speichern und zumindest in einer Art Wald können diese Wirkungen sogar so stark sein, dass sie die Vorteile von vermindertem CO-2 fast wieder aufheben. Dies ist die Schlussfolgerung einer Forschungsarbeit, die gestern von Wissenschaftlern aus dem Fachbereich für Chemie am Weizmann Instituts in Science veröffentlicht wird.
Seit 10 Jahren hat das Weizmann Institut eine Forschungsstation in dem 
semiariden Yatir-Wald, einem Kiefernwald am Rande der Negevwüste. Diese 
Station ist Teil eines weltweiten Projekts, dass aus über 400 Stationen,
 die sich FLUXNET nennen, besteht und die Verbindung zwischen den 
Wäldern, der Atmosphäre und dem Klima rund um die Erdkugel untersucht. 
Der Beitrag der Yatir-Station, sagt Prof. Dan Yakir aus dem Fachbereich 
Umweltwissenschaften und Energieforschung, ist einzigartig, weil sie 
"eine der wenigen Stationen in der semiariden Klimazone ist, die ja 
immerhin mehr als 17% der Erdoberfläche ausmacht, und außerdem verfügt 
sie über die längste Datenaufzeichnung von Prozessen, die sich in 
semiariden Wäldern ereignen".
	Wälder wirken dem "Treibhauseffekt" entgegen, in dem sie das 
hitzespeichernde CO-2 aus der Atmosphäre entfernen und in lebenden 
Bäumen speichern. Nach jahrelangen Messungen hat die 
Yakir-Forschungsgruppe herausgefunden, dass der semiaride Wald, obwohl 
er nicht so üppig wie Wälder in gemäßigteren Klimazonen weiter im Norden
 ist, überraschenderweise sehr gut als Kohlenstoffbecken dient - weitaus
 besser als die meisten europäischen Kiefernwälder und etwa gleichwertig
 mit dem globalen Durchschnitt. Das waren unerwartete Neuigkeiten für 
einen Wald am Rande einer Wüste, welche zeigten, dass es wahrhaftig 
Hoffnung für Wälder in gemäßigteren Klimazonen gibt, falls sich in 
zukünftigen Szenarien globaler Veränderungen alles aufheizen sollte.
	Aber Wälder tun mehr als nur CO-2 zu lagern, und Yakir beschloss, sich 
das "gesamte Energiebudget" eines semiariden Waldes gemeinsam mit Dr. 
Eyal Rotenberg einmal genauer zu untersuchen. Der erste Hinweis, dass 
möglicherweise andere Abläufe der kühlenden Wirkung der CO-2-Aufnahme 
entgegenarbeiten, kam, als sie das Albedo des Waldes (das 
Rückstrahlvermögen, d.h. wie viel Sonnenlicht von seiner Oberfläche 
zurück ins Weltall reflektiert wird) mit dem der naheliegenden kahlen, 
nur mit Sträuchern bewachsenen Landflächen verglichen. Sie fanden 
heraus, dass der dunkelfarbige Baldachin des Waldes ein niedrigeres 
Rückstrahlvermögen hat und weit mehr Sonnenenergie absorbiert als die 
blasse, reflektierende Oberfläche der umliegenden kahlen Landflächen. In
 einem wolkenlosen Umfeld mit hochgradiger Solarstrahlung wird das 
Albedo zu einem wichtigen Faktor in der Oberflächenerhitzung.
	Danach untersuchten die Wissenschaftler die Kühlungsmechanismen im Wald
 selbst. Zur Abkühlung benutzen Bäume in feuchteren Gegenden der 
Erdkugel Wasserkühlungssysteme: Sie öffnen die Poren in ihren Blättern 
und lassen einfach etwas Wasser verdunsten, wodurch Hitze abgegeben 
wird. Aber ein semiarider Kiefernwald mit seinem spärlichen Wasservorrat
 eignet sich nicht für Wasserverdunstung. Die Wissenschaftler 
entdeckten, dass stattdessen ein alternatives, wirkungsvolles 
Luftkühlungssystem zum Einsatz kommt. Da semiaride Wälder nicht so dicht
 wie Wälder in gemäßigten Klimazonen sind, kommt die Luft in den 
Freiflächen zwischen den Bäumen mit großen Flächen in Kontakt und die 
Hitze kann so sehr leicht von den Blättern in die Luftzirkulation 
übertragen werden. Dieses semiaride Luftkühlungssystem ist für die 
Kühlung der Baumspitzen sehr wirkungsvoll und die Abkühlung wiederum 
führt zu einer Reduzierung der infraroten (thermalen) Strahlung ins All.
 In anderen Worten: Während sich die semiariden Wälder zu ihrem 
Überleben selbst gut genug abkühlen und Kohlenstoff aufnehmen können, 
absorbieren sie dabei - über die Albedo-Wirkung - mehr solare 
Strahlungsenergie und bewahren mehr von dieser Energie auf (indem die 
Abgabe infraroter Strahlung unterdrückt wird). Diese beiden Wirkungen 
sind letztlich stärker als die Wissenschaftler erwartet hatten. "Obwohl 
die Zahlen mit Ort und lokalen Bedingungen variieren," sagt Yakir, 
"wissen wir jetzt, dass es Jahrzehnte dauern wird bis ausreichende 
Wälder nachgewachsen sind, damit die "kühlende" Kohlenstoffbindung die 
entgegenwirkenden "wärmenden" Prozesse einholen kann."
	Yakir und Rosenberg stellten sich danach noch eine weitere Frage: Ob 
die Anpflanzung semiarider Wälder tatsächlich zu einer Erwärmung führt 
und was passiert, wenn der gegensätzliche Prozess, die Verwüstung, 
eintritt: Unter Anwendung ihrer neuen Erkenntnisse auf die existierenden
 Daten in Gegenden, die sich in Wüsten verwandelt haben, stellten sie 
fest, dass die Wüstenbildung die globale Erwärmung nicht - wie bisher 
allgemein angenommen - beschleunigt, sondern sie sogar vermindert, 
zumindest kurzfristig. Durch die Reflektierung von Sonnenlicht und die 
Abgabe infraroter Strahlung hat die Verwüstung semiariden Landes während
 der letzten 35 Jahre die globale Erwärmung um etwa 20% verlangsamt, 
verglichen mit der zu erwartenden Wirkung des CO-2-Anstiegs im gleichen 
Zeitraum. Und in einer Welt, in der die Verwüstung mit einer 
Geschwindigkeit von etwa 6 Millionen Hektar pro Jahr voranschreitet, 
könnte sich diese Neuigkeit auf bedeutende Weise auf unsere Einschätzung
 der Geschwindigkeit und des Ausmaßes des Klimawandels auswirken. Yakir:
 "Insgesamt betrachtet bleiben Wälder sehr wichtige Klimastabilisatoren 
(abgesehen von ihren anderen ökologischen Auswirkungen), aber es gibt 
durchaus Abstriche, wie etwa der Tausch zwischen Kohlenstoffbindungen 
und Oberflächenstrahlungsbudgets. Und dies werden wir bei etwaigen 
Zukunfts-Vorhersagen berücksichtigen müssen."
Prof. Dan Yakirs Forschungsarbeit wird finanziert von dem Avron-Wilstaetter Minerva-Center for Research in Photosynthesis, dem Sussman Family Center for the Study of Environmental Sciences, der Angel Faivovich Foundation for Ecological Research und dem Cathy Wills and Robert Lewis Program in Environmental Science.
Quelle: Weizmann Institut


        
        
      
      