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Wasserkraft umweltfreundlicher: Eine Hohlkugel als Pumpspeicher

Archivmeldung vom 21.02.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.02.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Betonkugel – ein ungewöhnlicher Pumpspeicher
Betonkugel – ein ungewöhnlicher Pumpspeicher

Bild: © Foto : Fraunhofer IEE

Pumpspeicher-Kraftwerke sind nicht gerade umweltfreundlich, daher nicht beliebt. Dabei bieten sie großes Potential, um überschüssige Energie zu speichern. Fraunhofer-Forscher haben das Prinzip vor einigen Jahren auf den Kopf gestellt und im Bodensee erprobt. Die kugelförmige Technologie könnte bald ihren ersten Einsatz im Meer erleben. Dies schreibt das russische online Magazin „SNA News“ .

Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes geschrieben: "Pumpspeicher-Kraftwerke können große Mengen von Energie speichern, indem sie Wasser auf ein höheres Niveau in einen Stausee anheben. Bei Bedarf fließt dieses wieder ab und treibt dabei Turbinen an. Auf diese Weise wird Strom genau dann generiert, wenn er benötigt wird. Das macht diese Kraftwerke zu einer interessanten Alternative zu Batteriespeichern oder Wasserstoff, die die Schwankungen einer zunehmend erneuerbaren Stromproduktion mildern sollen.

Solche Kraftwerke werden aber wegen der nötigen Eingriffe in Landschaften und negativer Auswirkungen auf die Tierwelt in Deutschland nicht mehr gebaut. Ein Weg an diesen Problemen vorbei ist die Umnutzung von ehemaligen Bergwerken aus dem Steinkohlebergbau, wie sie das Unternehmen „RAG“ aus dem Ruhrgebiet anpeilt.

Eine andere Möglichkeit stellt das Prinzip des Pumpspeicher-Kraftwerks komplett auf den Kopf. Sie nennt sich „Meerespumpspeicher“, wurde von zwei Physikern entwickelt, später am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) weiterentwickelt und als Prototyp am Grund des Bodensees getestet. SNA hat mit dem Leiter des Projekts Matthias Puchta gesprochen.

 Betonkugel – ein ungewöhnlicher Pumpspeicher© Foto : Fraunhofer IEE

Herr Puchta, bei Ihnen am Institut wurde der sogenannte „Meerespumpspeicher“ entwickelt, der eine ganz besondere Art des Speicherkraftwerks darstellt. Könnten Sie diesen und seine Funktionsweise beschreiben?

Der Meerespumpspeicher funktioniert vom Prinzip ähnlich wie ein konventionelles Pumpspeicher-Kraftwerk. Die Idee ist hier aber, dass der Wasserdruck in der Tiefe benutzt wird zur Energiespeicherung. Dafür wird am Meeresboden zunächst ein Hohlkörper befestigt, eine Betonkugel. In dieser Kugel ist eine Pumpturbine eingelassen mit einem Generator. Bei einer Wassertiefe von 700 Metern zum Beispiel herrscht ein enormer Druck von 70 bar. Öffne ich jetzt ein Ventil, dann drückt das Wasser automatisch in die Kugel herein, treibt eine Turbine an und einen Generator, mit dem ich Strom zum Beispiel ins Netz einspeisen kann. Irgendwann ist dann die Kugel mit Wasser komplett gefüllt und dann kann ich keine Energie mehr ins Netz einspeisen.

Und dann dreht man den Prozess um?

Genau, dann pumpe ich das Wasser wieder aus der Kugel heraus. Das kostet mich Energie. Diese Energie kann ich später bei Bedarf wieder durch Öffnung des Ventils freisetzen. Und dieses Hin und Her zwischen Wasseraufnahme und Wasserentfernung ist das Speicherprinzip. Man kann auch sagen, dass das Meer um die Kugel dem oberen Speicherbecken eines Pumpspeicher-Kraftwerks entspricht und die untere Kugel dem unteren Speicherbecken.

Wie viel Energie kann eine solche Kugel speichern? Oder um es greifbarer zu machen: Wie viele Haushalte könnte eine vollständig leergepumpte Kugel versorgen und wie lange?

Eine für später geplante 30-Meter-Kugel kann eine Energie von 20 Megawattstunden speichern oder 20.000 Kilowattstunden. Ausgehend von einem Jahresenergieverbrauch eines Haushalts zwischen drei und viertausend Kilowattstunden kann man sagen, dass mit einem einzigen Speicher-Zyklus ungefähr die Jahresenergie von fünf bis sechs Haushalten gespeichert werden kann. Ich kann aber den Speicher auch viele Male im Jahr und auch mehrmals am Tag betreiben. Theoretisch wären bis zu drei Zyklen am Tag möglich. Die werden aber sicherlich nicht immer ausgeschöpft. Realistisch ist hier typischerweise etwas zwischen einem und zwei Zyklen am Tag. Das Potenzial ist also sehr groß, selbst bei nur einer Kugel.

Nun wird hier elektrische Energie in mechanische Energie verwandelt und dann der Prozess wieder umgedreht. Wie effizient ist so eine Anlage?

Sie sprechen den Wirkungsgrad an, der ist essenziell wichtig. Wir gehen davon aus, dass man bei einer 30-Meter-Kugel und einer kommerziellen Skalierung einen Wirkungsgrad von knapp unter 80 Prozent erreichen kann, ganz ähnlich wie es heute auch ein konventionelles Pumpspeicher-Kraftwerke hat, vielleicht auch etwas darüber. Für eine kleinere Skalierung rechnen wir bei einer Zehn-Meter-Kugel mit 60 Prozent und bei einer Drei-Meter-Kugel mit etwas unter 40 Prozent. Das ist technisch aber einfach der Skalierung geschuldet.

Blick auf das Innenleben des Speichers© Foto : Fraunhofer IEE

Wie ist Test der Technologie im Bodensee im Jahr 2016 verlaufen? Was waren die Ergebnisse?

Wir haben im Bodensee zum ersten Mal diese Technologie im kleinen Maßstab erprobt. Wir haben eine Drei-Meter-Kugel mit einer kleineren Pumpturbine gebaut und sie in 100 Metern Wassertiefe im Bodensee installiert. Wir haben dann Messdaten über einen Zeitraum von ungefähr vier Wochen gesammelt und erprobt, ob und wie diese Technologie am besten funktioniert. Diese Ergebnisse wollen wir im nächsten Schritt verwenden, um eine Kugel tatsächlich im Meer umzusetzen. Dort ist das Wasser tiefer und kann die Technologie in größerem Maßstab umgesetzt werden.

Lassen sich die Ergebnisse auch auf Salzwasser übertragen? Wie sieht die Lebensdauer und die Wartung eines solchen Speichers aus?

Die Lebensdauer ist im Wesentlichen durch drei Aspekte bestimmt: Zunächst die Betonkugel selbst. Laut Studien wird das Beton im Meerwasser 50 Jahre halten. Das Zweite ist die Pumpturbinentechnik. Hier ist auch eine lange Lebensdauer zu erwarten. Die Technologie, um mit der Korrosion in Salzwasser umzugehen, ist bereits im Offshore-Bereich bei Öl und Gas erprobt. Bei den elektrotechnischen Komponenten wie Steuerung und Messtechnik kann natürlich ab und zu mal was kaputt gehen. Deswegen sieht das Wartungskonzept vor, dass man nicht die ganze Betonkugel heben muss, sondern nur die Pumpturbine mit der Elektrotechnik separat zum Beispiel mit einem Unterwasser-Roboter heben und dann wieder einsetzen kann.

Die Kugel besteht aus Beton. Da stellt sich auch die Frage nach ihrem CO2-Abdruck. Welche Auswirkungen hätte ein Park aus mehreren Kugeln am Meeresgrund auf das dortige Ökosystem oder die Tierwelt? Haben Sie das auch untersucht?

Für den Versuch im Bodensee mussten wir auch eine Genehmigung einholen. Der Bodensee ist Trinkwasser-Reservoir für eine große Region. Wir haben deshalb dort eine Pumpturbine eingesetzt, die auch für Trinkwasser geeignet ist. Weiterhin standen wir im engen Kontakt zu dem Institut für Seenforschung vor Ort, das uns einen bestimmten Zeitraum für das Projekt zugewiesen hat. Wir haben auch einige Vorkehrungen getroffen, damit keine Lebewesen eingesaugt werden. Dafür haben wir am Einlauf der Pumpturbine den Querschnitt ausgeweitet und damit die Strömungsgeschwindigkeit reduziert. So können die Spezies, auf die man das ausgelegt hat, noch wegschwimmen. Sollte wider Erwarten doch etwas in die Nähe kommen, ist noch ein Gitter davor gewesen.

Die Betonkugel wird versenkt© Foto : Fraunhofer IEE

Ist damit der Technologie der Weg ins Meer geebnet?

Im Meer ist es etwas komplexer und es wird sicher Fragen geben, die im möglichen Nachfolgeprojekt genauer untersucht werden müssen. Das muss immer auf den konkreten Standort abgestimmt werden, weil die Gegebenheiten im Meer ganz unterschiedlich sind. Es ist auch geplant, die Betonkugel möglichst ohne Bodenvorbereitung auf den Meeresboden abzusenken – dann ist die Kugel ein abgeschlossenes System. Sie hat zwar an dieser Stelle gewisse Auswirkungen auf den Meeresboden, aber der Baugrund oder der Boden wird vorher nicht intensiv vorbereitet. Natürlich gibt es gewisse Eingriffe in die Umwelt, aber die müssen dann in den konkreten Projekten begründet werden. Und wir versuchen das durch die Technologie so gering wie möglich zu halten.

Wann kommen die ersten solchen Speicher ins Meer und wo? Was für ein Potenzial würde man mit so einen Unterwasserpark abdecken können?

Wir sind aktuell in der Vorbereitung eines öffentlich geförderten Forschungsprojekts und planen als Nächstes, so eine Technologie in kleinerer Skalierung erstmalig auch im Meer zu erproben. Das ist aber davon abhängig, ob eine öffentliche Förderung möglich ist. Daran sollen auch Industriepartner beteiligt werden, weil die Größenordnung jetzt wesentlich größer ist – die Kugel ist zum Beispiel deutlich schwerer. Wenn man dann eine Zehn-Meter-Kugel umgesetzt hat, dann könnte in vier bis fünf Jahren auch eine größere Skalierung erfolgen als mit einer 30-Meter-Kugel. Und mit jedem nächsten Schritt – von der kleinen Skalierung zu größeren – kommen natürlich neue technische Herausforderungen, die beantwortet werden müssen. Dann ist es immer eine Risikoabwägung: Wie groß gehe ich mit der Kugel und welches Risiko ist technisch aktuell noch beherrschbar?"

Das Interview mit Matthias Puchta zum Nachhören:

SNA Radio · Wasserkraft auf den Kopf gestellt: Eine Hohlkugel als Pumpspeicher

Quelle: SNA News (Deutschland)

Betonkugel – ein ungewöhnlicher Pumpspeicher - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
Betonkugel – ein ungewöhnlicher Pumpspeicher - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
Blick auf das Innenleben des Speichers - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
Blick auf das Innenleben des Speichers - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
Die Betonkugel wird versenkt - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
Die Betonkugel wird versenkt - SNA, 1920, 17.02.2022 (Foto: © Foto : Fraunhofer IEE)
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