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Verwandtschaft geklärt: Schnecken und Muscheln sind Geschwister

Archivmeldung vom 08.09.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Der Wurmmollusk Wirenia argentea (Solenogastres) aus Norwegen, eine der Arten, für die nun erstmals umfassende molekulare Daten ermittelt wurden. Foto: Christiane Todt, Universität Bergen
Der Wurmmollusk Wirenia argentea (Solenogastres) aus Norwegen, eine der Arten, für die nun erstmals umfassende molekulare Daten ermittelt wurden. Foto: Christiane Todt, Universität Bergen

Schnecken, Muscheln und Tintenfische – so verschieden sie aussehen, haben sie doch etwas gemeinsam: Sie gehören zu den Weichtieren, auch Mollusken genannt. Ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Beteiligung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat jetzt in einer umfassenden molekularphylogenetischen Studie die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Weichtiere (Mollusca) erforscht. Zu dem Tierstamm gehören über 100.000 noch existierende Arten, die in acht Hauptgruppen gegliedert werden.

Bisher war umstritten, wie diese Gruppen miteinander verwandt sind und wie ihre Evolution verlaufen ist. In ihrer gemeinsamen Arbeit haben die Wissenschaftler aus den USA, Norwegen und Deutschland einen umfangreichen, bislang einmaligen Datensatz erzeugt, um die Stammesgeschichte der Weichtiere aufzudecken. In gewisser Weise unerwartet, fanden sie eine enge Verwandtschaft zwischen Schnecken und Muscheln.

Mollusken stehen im Tierreich hinsichtlich Arten- und Formenreichtum an zweiter Stelle hinter den Gliedertieren (Arthropoden). Als Nahrungsmittel und Lieferant von Perlen und Schalen sind vor allem Muscheln, Schnecken und Tintenfische von immenser wirtschaftlicher Bedeutung, andererseits können sie als Schädlinge sowohl ökologisch als auch ökonomisch beträchtlichen Schaden anrichten. Verschiedene Arten dienen in den Neurowissenschaften als Modell, um die Funktion von Nervenzellen und Gehirn zu untersuchen. Und trotzdem ist die Entwicklung der Mollusken rätselhaft und wird seit fast 200 Jahren kontrovers diskutiert.

Unter Leitung der Auburn University hat die internationale Gruppe von Wissenschaftlern der University of Bergen, der University of Florida und der JGU einen Datensatz zusammengetragen, der 84.000 Aminosäurepositionen auf 308 Genen von 49 Molluskenarten erfasst. „Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein so großer molekularer Datensatz erzeugt wurde, um die Stammesgeschichte der Weichtiere von Grund auf zu klären, nachdem schon so lange viele unterschiedliche Hypothesen über die Verwandtschaftsverhältnisse kursieren“, erläutert Prof. Dr. Bernhard Lieb vom Institut für Zoologie. Zusammen mit Dr. Achim Meier, zur Zeit der Studie Postdoc am Institut, und Dr. Christiane Todt aus Bergen hat er essentielle Daten zu den sogenannten Solenogastren und Caudofoveaten, also kleinen, ursprünglichen Wurmmollusken, den Scaphopoda oder Kahnfüßern sowie einigen Schneckenarten geliefert, zu denen bisher keine genetischen Analysen vorlagen.

Die Untersuchungen bestätigen eine alte Hypothese, wonach sich die Mollusken in zwei Unterstämme aufteilen: Schalenweichtiere (Conchifera) und Stachelweichtiere (Aculifera). Tintenfische gehören dabei ebenfalls zu den schalentragenden Conchifera – befinden sich also in einem Topf mit Muscheln und Schnecken. Bernhard Lieb merkt dazu an, dass der Nautilus (Perlboot) als ein 450 Millionen Jahre alter Vertreter der Tintenfische noch immer eine Schale trägt, während sie bei anderen Vertretern dieser Klasse heute entweder stark reduziert oder verinnerlicht ist. Als ein unerwartetes Ergebnis fanden die beteiligten Forscher, dass Schnecken am engsten mit den Muscheln verwandt sind, sozusagen Geschwister, entgegen der früheren Annahme, dass Schnecken und Tintenfische – die Gruppen mit dem am höchsten entwickelten Kopf und „Gehirn“ – einander nahe stehen. „Diese Gruppierung von Schnecken und Muscheln hat bisher wenig Beachtung gefunden, obwohl sie über 95 Prozent der Mollusken-Arten ausmacht. Wir schlagen deshalb hierfür den Namen PLEISTOMOLLUSCA vor“, schreiben die Wissenschaftler in einer Publikation der Zeitschrift Nature.

Die Ergebnisse sind vor allem deswegen interessant und von weiterem wissenschaftlichen Nutzen, weil bestimmte Tintenfische und die marine Schnecke Aplysia californica, auf Deutsch „Seehase“, als Labormodelle für die Erforschung von Lernen und Gedächtnis dienen.

Zudem tragen die Ergebnisse dazu bei, wichtige Fossilienfunde – Mollusken gehören zu den häufigsten und am besten erhaltenen Fossilien überhaupt – einzuordnen und eventuell neu zu bewerten und damit die frühe Entwicklung dieses Tierstammes zu verstehen.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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