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Verlustreich für Mensch und Fisch

Archivmeldung vom 13.09.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Granatbarsche zählen zu den bekanntesten Tiefseefischen. Die Bestände sind bereits überfischt, Australien und Neuseeland haben die Fischerei eingestellt. Foto: Claire Nouvian
Granatbarsche zählen zu den bekanntesten Tiefseefischen. Die Bestände sind bereits überfischt, Australien und Neuseeland haben die Fischerei eingestellt. Foto: Claire Nouvian

Die Polargebiete und die offenen Ozeane haben sie längst erobert, jetzt erschließen sich die großen Fischfangflotten ein neues Jagdrevier: Die Tiefsee. In der renommierten Fachzeitschrift „Marine Policy“ warnen Fischereibiologen aus sieben Ländern, darunter auch Dr. Rainer Froese vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), vor den möglichen Folgen. Denn die auf den ersten Blick ertragreichen Fischbestände in den Tiefen der Ozeane könnten noch viel schneller vernichtet sein als Bestände in küstennahen Gewässern.

Fischereibiologen warnen regelmäßig vor dem Zusammenbruch von Fischbeständen. Doch die Auslagen in Europas Fischgeschäften sind gut gefüllt. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich schnell auf, wenn man weiß, dass die großen Fischfangflotten immer neue Fischbestände in immer neuen Meeresgebieten ausbeuten. Längst fangen europäische Trawler in großem Maßstab vor afrikanischen und asiatischen Küsten, in der Arktis und Antarktis, und japanische Fangflotten durchziehen den gesamten Indischen und Pazifischen Ozean auf der Suche nach lohnenden Schwärmen. Weil die Erträge trotzdem zurückgehen, sind die Fischereiindustrien mittlerweile dabei, ein weiteres Feld abzuernten: Die Tiefsee. „Bevor dort unreparierbare Schäden entstehen, wollten wir untersuchen, ob Tiefseefischerei überhaupt nachhaltig betrieben werden kann“, erklärt Dr. Rainer Froese vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Zusammen mit Kollegen aus den USA, aus Kanada, Großbritannien, Portugal, der Schweiz und Neuseeland kommt er zu einem klaren Ergebnis: „Die Tiefseefischerei sollte mit ganz wenigen Ausnahmen eingestellt werden“, fasst er die gemeinsame Studie zusammen, die online in der renommierten Fachzeitschrift „Marine Policy“ erschienen ist und international bereits Aufmerksamkeit erregt hat. Ende der Woche wird sie Diskussionsgrundlage für einen Workshop der Vereinten Nationen in New York zum Thema „Nachhaltige Fischerei“ sein.

Die Studie legt dar, dass Tiefseefischerei gleich aus mehreren Gründen problematisch ist. Die tieferen Regionen der Ozeane sind zum größten Teil auch für marine Organismen lebensfeindlich. Das Leben konzentriert sich daher an bestimmten Orten, zu Beispiel an Unterwasserbergen, deren Gipfel relativ dicht unter der Wasseroberfläche liegen. An den Bergflanken steigen nährstoffreiche Strömungen auf, die zusammen mit dem Licht von oben eine ausreichende Lebensgrundlage für Korallen, Kleinstlebewesen und Fische bedeuten. So begrenzt diese Oasen des Lebens in der Tiefsee sind, so schnell sind sie auch zerstört. Tiefseetrawler arbeiten vielfach mit Grundschleppnetzen, die an einem neu erschlossenen Unterwasserberg zunächst die Bodenlebensgemeinschaften vernichten und erst anschließend die begehrten Fische fangen. „Zurück bleibt eine öde Landschaft“, sagt Froese. Zudem ist die Art der Fischerei extrem aufwendig. Da erst ein Bruchteil der Meeresboden exakt kartiert ist, sind die Trawler mit modernster Sonartechnologie ausgestattet. „Da wäre so manches Forschungsschiff neidisch“, sagt Froese.

Trotz der hohen Investitionen in Technik und die weiten Anfahrten schien sich die Tiefeseefischerei zunächst zu lohnen. Tiefseefische können sehr groß und schwer werden. Der Riesen-Antarktisdorsch zum Beispiel, der in bis zu 1600 Metern Wassertiefe vorkommt, bringt es auf bis zu 175 Zentimeter Länge und bis zu 80 Kilogramm Gewicht. Wegen der niedrigen Temperaturen und der wenigen verwertbaren Nährstoffe in der Tiefe wachsen diese Fische aber extrem langsam. „Weil neue Generationen nicht rechtzeitig nachwachsen können, ist ein Bestand von Tiefseefischen viel schneller überfischt, als ein küstennaher Bestand“, betont Froese. So gilt der häufig gehandelte Granatbarsch schon heute als extrem gefährdet. Neuseeland und Australien haben als Konsequenz den Fang dieser Art auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. „Insgesamt muss man sagen, dass diese extrem teure Fischerei in bisher wenig erforschten Regionen schwere Schäden an der globalen Artenvielfalt anrichtet, die eigentlich das Erbe der gesamten Menschheit ist“, sagt Froese. So können er und seine Kollegen nur sehr wenige Tiefseefischereien als ökologisch und ökonomisch sinnvoll einstufen. „Dabei handelt es sich um Fischereien, die mit wenig Technik und in begrenztem Rahmen ausgeführt werden“, sagt Froese. Er und seine Kollegen hoffen nun auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen, damit das Leben der Tiefsee nicht zerstört wird, bevor wir es richtig kennen gelernt haben.

Quelle: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel

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