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Schlechte Nachrichten aus Kanadas Wäldern: Die Holzindustrie praktiziert erneut massiven Kahlschlag

Archivmeldung vom 19.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Schwarzbärin mit Kind
Schwarzbärin mit Kind

Die Holzindustrie schlägt wieder bei den bis zu tausend Jahre alte Urwaldriesen an der Pazifikküste zu, trotz des von der Regierung von Britisch-Kolumbien und mehreren großen Naturschutzverbänden hochgelobten Geistes des „Jahrhundertvertrages“ mit der Forstwirtschaft vom Februar 2006, der einem Großteil des „Regenwaldes des Großen Bären“ mit seiner Vielfalt an bedrohten Tieren und Pflanzen ein dauerhaftes Überleben ermöglichen soll.

„Während die Absichten der Naturschutzverbände lobenswert waren, haben sie nichts zu tun mit einer wissenschaftlichen Betrachtung des Ziels, den Great Bear Rainforest mit seinem Regenwald der gemäßigten Breiten und die in ihm lebenden Tier- und Pflanzenarten zu retten. Die Trennung von Wissenschaft und Politik bei den geheimen Vertragsverhandlungen  reflektiert die Ignoranz und Hybris, die den ökologisch abträglichen Verhandlungen innewohnten. Viele der politischen Leitlinien erscheinen wenig mehr widerzuspiegeln als improvisierte Experimente auf der Basis von Vertrauen. Aus wissenschaftlicher Sicht mangelt es dem Abkommen gründlich an einer Naturschutz-Strategie... für dieses letzte große Regenwaldgebiet der Erde.“ (Dr. Paul C. Paquet, Unversität Calgary, in der Tageszeitung “The Ottawa Citizen” vom 8.12.06)

Oststeinbek, 15.12.06  An Kanadas Westküste erstreckt sich zwischen dem nördlichen Ende von Vancouver Island und der Grenze zu Alaska eine Wildnis von der Größe Belgiens - 400 Kilometer bewaldeter Festlandfjorde und Inseln. Es ist das weltweit größte und einzige noch teilweise intakte Regenwaldgebiet der gemäßigten Breiten, durchzogen von einer heute unbekannten Anzahl von noch ursprünglichen Flußtälern mit 1000 Jahre alten Koniferen, die über 100 Meter hoch stehen. Unter dem Dach der Urwaldriesen lebt eine Vielfalt vom Aussterben bedrohter Tierarten wie der Grizzlybär und der weiße Kermode-Bär („Spirit Bear“), der Wolf und der Puma, der Otter und der Vielfraß. Diese Artengemeinschaft ist abhängig vom Pazifischen Lachs, deren fünf hier lebende Arten durch Flüsse und Bäche hoch in die Berge wandern.

Wie Robert F. Kennedy jr. in seinem Vorwort zum immer noch brandaktuellen Alouette-Bild-Textband von Ian McAllister „Kanadas vergessene Küste - Im Regenwald des Großen Bären“ schreibt:

„...Diese Waldregion besitzt die seltenste aller Umweltqualitäten, nämlich entscheidende Biomasse. Der Great-Bear-Regenwald bietet der Menschheit die einmalige und die einzige Gelegenheit, einen wissenschaftlich ausreichend großen Teil davon unter Schutz zu stellen, um das Überleben seiner Bestandteile zu gewährleisten. Kanada hat es damit in der Hand, eine Naturattraktion erster Güte zu schaffen und zugleich ein großes Ökosystem zu bewahren, das als wirkungsvoller Biofilter gegen globale Klimaveränderungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist....“

Aus dem Essay von Don Butler in „The Ottawa Citizen“ vom 26.11.06

„Der Spirit Bear schlüpft aus dem Regenwald wie ein Gespenst. Der Kapitän unseres Segelbootes, Chris Tulloch, erspäht ihn als erster. ‚Der weiße Bär!’, zischt er, Worte, die bei uns einen Adrenalin-Stoß verursachen. Wir wissen, daß wir großes Glück haben. Die Lachssaison war in diesem Herbst nur sehr mäßig, und keiner weiß so richtig warum. Ohne die üblichen Schwärme von laichenden Lachsen sind die legendären weißen Bären um so schwerer auszumachen.

Unbeirrt von unserer Gegenwart schlendert der weiße Bär auf der Suche nach Lachsen gemächlich aber zielstrebig in unsere Richtung und dann im Abstand von wenigen Metern an uns vorbei durch den schnell fließenden Riordan-Bach. Er ist mit 200 kg Gewicht ein wahrer Kraftmeier. Sein milchfarbenes weiches Fell, zum Nacken hin die Farbe von hellem Bernstein annehmend, läßt ihn für uns aber keineswegs bedrohlich aussehen. Dies Exemplar ist ein ‚Teddy’ von Bär, ungefähr so erschreckend wie ‚Winnie the Pooh’.

‚Oh mein Gott, oh mein Gott...’, murmelt ein Teilnehmer unserer Reisegruppe. Diese Empfindung ist der Situation absolut angepaßt. Die Beobachtung dieses exquisiten Tieres mit seinem weißen Fell gegen den sonnendurchfluteten smaragdfarbenen Regenwald inspiriert geradezu eine Reverenz an das Spirituelle. Und genau dieses hat den Spirit Bear zu einem starken Symbol für die Umweltschützer in ihrem über ein Jahrzehnt währenden Kampf gemacht, diese bergige, oftmals nebelverhangene 400 Kilometer lange Pazifikküste unter Schutz zu stellen.

Der ‚Regenwald des Großen Bären’ beherbergt heute die meisten der weltweit auf etwa 400 geschätzten weißen Kermode-Bären, wie die Spirit Bears offiziell heißen. Benannt nach Francis Kermode, einem Zoologen, der diese Bärenart als erster erforscht hat, sind Kermode-Bären keine Albinos, sondern Schwarzbären deren beide Eltern ein Gen in sich tragen, welche das Fell weiß färbt. Die größten ‚Kolonien’ befinden sich auf nur vier Inseln der mittleren Pazifikküste: Princess Royal, Pooley, Roderick und Gribbell Island, auf denen etwa 30 Prozent der Bären ein weißes Fell tragen.

Heutzutage wollen scheinbar alle ein Stück des Spirit Bears haben: Im April 2006 hat die Provinz Britisch-Kolumbien diesen Bären als ‚Offizielles Säugetier’ adoptiert. Und der Premier der Provinz, Gordon Campbell, möchte ihn glattweg zum Maskottchen derWinter- olympiade 2010 in und um Vancouver machen.

Aber der Great Bear Rainforest besteht aus mehr als einem seltenen und entzückenden Spirit Bear. Seine 64.000 Quadratkilometer und die ihn umgebenden Gewässer beherbergen mehr als 250 bedrohte Arten von Landtieren, Pflanzen und Meereskreaturen. Kurzum, dieses große wunderbare Naturerbe ist eine Wildnis von unwiederbringlicher Vielfalt, ein Gebiet wie es heutzutage überall auf der Welt in rasendem Tempo vernichtet wird.

Die Naturschützer kamen endlich Mitte der neunziger Jahre auf den Plan, nachdem ihnen der „Krieg in den Wäldern“ mit einem schwer erkämpften Erfolg im Clayoquot Sound an der Westküste von Vancouver Island einen begrenzten Erfolg beschert hatte. Nun sollte auch das letzte große Wildnisgebiet Westkanadas gegen die weitgehende Abholzung, und damit die Ausrottung ganzer Spezies, geschützt werden. Es wurde jahrelang verhandelt, und im Februar 2006 kam man endlich zu einer Einigung zwischen Politik, der Forstwirtschaft, den einheimischen Indianerstämmen und drei großen Naturschutzverbänden, wobei die Wissenschaft zwar befragt wurde aber nicht am Verhandlungstisch Platz nehmen durfte.

Das Resultat wurde von den Verhandlungspartnern als Triumph gefeiert: Als Kompromiß soll etwa ein Drittel des Great Bear Rainforest für den Holzeinschlag ‚off limits’ sein. Für die restlichen zwei Drittel des Regenwaldes soll gelten, daß diese Flächen nur ökologisch nachhaltig abgeholzt werden dürfen, wobei die Umweltschützer überzeugt waren, daß damit auf diesen Flächen ökologische Schlüssel-gebiete unangetastet blieben. Eine nachhaltige Forstwirtschaft, und das ist einer der Haken an diesem Abkommen, braucht jedoch erst ab 2009 betrieben werden.

Das GBR-Abkommen vom Februar wurde als historischer Durchbruch für den Naturschutz gewürdigt. Aber ist es wirklich ein Durchbruch? Die Naturschutz-Organisationen sind heute tief zerstritten.

Bekleidet mit Gummistiefeln und einem 5-Tage-Bart, sitzt Ian McAllister mit einem Glas Bier an der Theke in der Fisherman’s Bar in Shearwater, fünf Minuten per Wassertaxi entfernt von der Ortschaft Bella Bella an der mittleren Pazifikküste, wo er lebt. Vor knapp einer Stunde ist er von einer dreiwöchigen Rundreise per Buschflugzeug durch alle Gebiete des Great Bear Rainforest zurückgekehrt, um die Aktivitäten der Holzkonzerne aus der Luft zu überprüfen. Er ist wütend und höchst alarmiert, denn was er auf seiner Reise entdeckte, hat ihm fast den Atem verschlagen. ‚Ich möchte zwar nicht wie ein Schwarzseher klingen, aber Schlimmeres habe ich in den letzten 16 Jahren nicht gesehen. Es werden Baumriesen in einem Tempo gefällt und per Helicopter an die Küste transportiert als gäbe es kein Morgen. Alles wofür wir gekämpft haben wird heute offensichtlich zunichte gemacht...’

McAllister, Naturschützer, Autor und Fotograf, hat einen absolut untadeligen Ruf und ist todernst zu nehmen. Nicht nur war er es, der diesem Regenwaldgebiet seinen Namen gegeben hat, sondern er ist auch der einzige, der die gesamte Küste seit Anfang der 1990er Jahre kontinuierlich bereist hat, seit 10 Jahren dort lebt und damit eine intime Kenntnis aller Aspekte besitzt. Zusammen mit seiner Frau Karen hat er das einzige in die Tiefe gehende Buch über den Regenwald des Großen Bären verfaßt und fotografiert (*), welches die internationalen Kampagnen zum Schutz dieser Großregion ins Leben gerufen hatte.

‚Sie können sich die jetzige Zerstörungswelle überhaupt nicht vorstellen, es übertrifft alles was ich mir in meinen schlimmsten Träumen ausgemalt habe. Es ist so schlimm, daß wir nicht mehr wissen, was wir dagegen unternehmen können....’

Quelle: Pressemitteilung Alouette Verlag


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