Nachhaltige Fischerei: Beschränkung der Fangmengen bringt hohe wirtschaftliche Erträge
Archivmeldung vom 12.09.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtMehr als zwei Drittel aller Fischbestände weltweit gelten als überfischt oder bis zur Tragfähigkeitsgrenze genutzt. Besonders betroffen sind die Bestände beliebter Speisefische in der Nord- und Ostsee wie Kabeljau, Seelachs, Seezunge oder Scholle. Sie erholen sich nur langsam – trotz verschiedener Ansätze für ein nachhaltiges Fischereimanagement. Wissenschaftler vom Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ haben ein Konzept entwickelt, mit dem sich der Grad der Überfischung von 13 kommerziell voll genutzten europäischen Fischarten sowohl volkswirtschaftlich als auch biologisch bewerten lässt. Die Berechnungen präsentierten die Kieler Forscher kürzlich im Fachmagazin Ecological Economics.
Bisher wurden für die Entwicklung von nachhaltigen Fischereimanagementkonzepten für einzelne Bestände entweder biologische Referenzwerte wie Bestandsdichte (BMSY) und Sterblichkeit (FMSY) oder ökonomische Bewertungen wie Fangmenge (MSY) und nachhaltiger Ertrag (MEY) herangezogen. Eine alternative und neue Methode ist die Berechnung von sogenannten Schattenzinssätzen (SIR, shadow interest rate). „Zum ersten Mal ist es uns gelungen, biologische und ökonomische Faktoren in einer Kennzahl zusammenzufassen“, sagt Professor Martin Quaas, Ressourcenökonom am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kiel und Erstautor der Studie. „Wir können mit der Berechnung des Schattenzinssatzes nicht nur den Grad der Überfischung bestimmen. Die einzelnen Bestände lassen sich nun auch vergleichen.“
Die Berechnung des Schattenzinssatzes erfordert ein kompliziertes mathematisches Modell. „Das ist vergleichbar mit dem Aufwand, den zukünftigen Ertrag eines Unternehmens zu bestimmen. Unsere Berechnungen beruhen dabei auf wissenschaftlich abgesicherten Modellen und statistischen Methoden“, so Martin Quaas. Einfach ist hingegen die Interpretation des Schattenzinssatzes: Dieser misst den zukünftigen wirtschaftlichen Ertrag, der bei einer geringfügigen Absenkung der aktuellen Fangquoten entstehen würde.
Noch immer gelten die Meeres-Fischbestände als eine Gemeinschaftsressource, wobei der gefangene Fisch dem Fischer, der Fisch im Meer aber der Allgemeinheit gehört. Der Fischer leiht sich die natürliche Ressource Fisch – ohne dass bisher dafür angemessene Zinssätze berechnet wurden. Geht man davon aus, dass der Ertrag steigt, wenn weniger Fische gefangen werden, bedeutet dies eine Investition des Fischers in einen wachsenden Fischbestand. Diesem Wachstum haben die Kieler Fischereibiologen und Ökonomen jetzt einen Wert zugesprochen, den sogenannten Schattenzins. Für 13 Arten konnten Schattenzinssätze zwischen 10 Prozent (Norwegischer Stintdorsch) und 90 Prozent (Nordseekabeljau) identifiziert werden (siehe Grafik). Je höher der Prozentsatz, desto überfischter ist der Bestand und desto mehr würde sich eine Investition gleichermaßen für die Fischer wie auch den Bestand lohnen.
Interessenvertreter aus der Politik oder Wirtschaft erhalten mit dem Schattenzinssatz eine neue Bewertungsbasis für die Entwicklung nachhaltiger Fischereimanagement-Konzepte. „Oftmals werden die volkswirtschaftlichen Kosten bei der Festlegung von Quoten unterschätzt“, sagt Fischereibiologe Dr. Rainer Froese vom GEOMAR I Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Co-Autor der Studie. „In Kiel forschen wir schon länger an integrierten Konzepten, die aus biologischer und wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind“, so Froese weiter. Ressourcenökonom Martin Quaas ergänzt: „Die neue Studie zeigt, dass eine bestandsschonendere Fischerei eine wirtschaftlich lohnenswerte Investition darstellt, da die Ertragsraten weit über dem marktüblichen Zins liegen.“
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (idw)