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Schieferöl-Revolution bleibt aus

Archivmeldung vom 27.02.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.02.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Flickr.com/wcn247/cc-by-nc - "Stimme Russlands"
Bild: Flickr.com/wcn247/cc-by-nc - "Stimme Russlands"

Obwohl die Beratungsgesellschaft PwC mit Blick auf zunehmende Schieferöl-Projekte eine neue Energie-Revolution prognostiziert hat, erwarten russische Experten keinen drastischen Wandel. Das berichtet Sergej Dus bei Radio "Stimme Russlands".

Weiter heißt es dort: "Als Präsident Wladimir Putin im Oktober 2012 forderte, Grundlagen der russischen Gasexport-Politik zu skizzieren, betonte Gazprom-Chef Alexej Miller, er halte die Schiefergas-Förderung in Russland für nicht aktuell und wolle sich auf Schieferöl konzentrieren.

Die als Ölschiefer bezeichneten Sedimentgesteine enthalten organisches Material, aus dem bei Aufheizung zum Teil flüssige Kohlenwasserstoffe gebildet werden. Von ihrer Zusammensetzung her ähneln sie Erdöl. Die förderbare Menge von Schieferöl wird auf bis zu 26 Billionen Tonnen weltweit geschätzt – 13-mal mehr als „konventionelles“ Erdöl. Das soll für 300 Jahre ausreichen. Theoretisch sind die Aussichten also ganz rosig.

Praktisch gibt es aber Probleme. Nur bei den reichsten Vorkommen (ab 90 Liter pro eine Tonne Ölschiefer) ist die Förderung wirtschaftlich rentabel. Solche Lagerstätte machen nur ein Drittel aller Vorräte aus. Außerdem soll die Schicht mindestens 30 Meter dick sein. Bei weitem nicht alle reichen Vorkommen entsprechen diese Bedingung.

Wenn Schieferöl im offenen Tagebau gefördert wird, ist ein Extraktionsverfahren nötig. Diese Methode wurde seit den 1940er Jahren in der Sowjetunion getestet und ist ziemlich aufwendig: Die Selbstkosten erreichen dabei knapp 100 US-Dollar pro Barrel Öl. Die zweite Methode besteht darin, Schieferöl in-situ aus dem Gestein zu lösen. Horizontale Bohrungen werden vorgenommen. Oft ist eine Aufheizung des Gesteins nötig. Diese Methode ist trotz der technischen Fortschritte auch teuer. Nach Einschätzung von Ölförderern ist sie nur rentabel, wenn Ölpreise nicht unter 50 US-Dollar pro Barrel fallen.

Ein anderes Problem besteht darin, dass die Fördermenge an einem Bohrloch nach ungefähr 400 Tagen drastisch zurückgeht (manchmal sogar um 80 Prozent). Die Amerikaner schrecken davor jedoch nicht zurück. Innerhalb des ersten Jahrzehnts des laufenden Jahrhunderts hat sich die Schieferöl-Produktion in den USA auf 553.000 Barrel täglich nahezu verfünffacht.

Das bekannteste Erfolgsbeispiel ist wohl das Vorkommen Bakken. Vor einigen Jahren wurden die dortigen Vorräte auf 150 Millionen Barrel geschätzt. Nach zusätzlichen Erkundungsarbeiten wurden sie aber auf elf Milliarden Barrel erhöht. Außerdem gelten die Vorkommen Eagle Ford (Texas), Three Forks (North Dakota) sowie Lagerstätten in New Mexico als sehr aussichtsreich.

Wenn die Schieferöl-Fördermenge weiter zunimmt, erwarten die PwC-Experten gegen 2035 einen Rückgang der Ölpreise auf 40 Prozent der Basis-Prognose (133 Dollar pro Barrel). Das soll die Weltwirtschaft positiv beeinflussen, denn man bekommt mehr Öl für weniger Geld. Wladimir Roschankowski, Chefanalyst des russischen Investment-Unternehmens Nord Capital, ist weniger optimistisch:

„Ich respektiere zwar das intellektuelle Potenzial der PwC-Experten, stimme ihren Prognosen jedoch nicht zu. Denn heute sind alle Schiefer-Projekte von ihren Selbstkosten her allzu teuer. Das dafür erforderliche Gerät wird nicht serienmäßig produziert. Es nimmt mindestens zwei oder drei Jahre in Anspruch, eine Serienproduktion mit Ersatzteilen in die Wege zu leiten (falls Serien-Aufträge eingehen). Die Geschichte des US-Unternehmens Marathon Oil, das mit seinen Schiefer-Projekten praktisch pleite gegangen ist, ist ein ziemlich krasses Beispiel. Außerdem zieht die Technologie viele ökologische Fragen nach sich.

Es gibt keine Garantie dafür, dass das im ausgebeuteten Bohrloch verbliebene Öl nicht in die Umwelt gerät. Fruchtbare Böden laufen das Risiko einer Verseuchung. Das ist im Hinblick auf die Aussichten der Schiefer-Projekte kritisch wichtig. Das Thema Schiefer ist dem Thema Ethanol ähnlich. Derzeit wollen die Amerikaner Ethanol-Kraftstoff trotz aller finanziellen Vorteile nicht nutzen, denn in diesem Fall verlieren sie die Auto-Garantie. Im Ergebnis sind diese Projekte trotz der riesigen Investitionen im Moment nicht gefragt. Ich will ja nicht behaupten, dass das auch mit allen Schiefer-Projekten passiert. Alle davon sind aber derzeit experimental.“

Trotzdem erhoffen sich die USA von Schieferöl einen wichtigen Beitrag zu ihrer Energie-Unabhängigkeit. Bei günstigen Verhältnissen ist es nicht auszuschließen, dass die Amerikaner ungefähr zum Jahr 2030 auf Öl-Importe aus der Golf-Region verzichten könnten. Die Befürworter von Schieferöl sichten eine globale Zäsur in der Energiewirtschaft, indem sie erneuerbaren Energien und Biokraftstoffen künftig Rentabilität absprechen.

Andere Experten erwarten binnen den nächsten Jahrzehnten jedoch keinen globalen Wandel am Öl- und Gasmarkt. Denis Borissow, Chefanalyst des Moskauer Öl- und Gaszentrums von Ernst&Young, sagte der Tageszeitung „Wedomosti“, die Schieferöl-Revolution werde mit der Schiefergas-Revolution kaum vergleichbar sein, wenn man ihren möglichen Einfluss auf Nachfrage und Angebot analysiere. Alexander Rasuwajew, der Alpari-Chefanalyst, kommentiert:

„Schiefer-Projekte sind nicht so eindeutig. In Amerika sind sie beliebt, es kommt aber auf ökologische Folgen an. Manche Experten sagen zwar, die Schiefer-Revolution werde einen Sturz der Öl- und folglich auch der Strompreise verursachen. Doch aus meiner Sicht ist das vorerst wenig wahrscheinlich. Ein indirekter Beleg für zweifelhafte Aussichten der Schiefer-Revolution ist das Interesse westlicher Konzerne am russischen Kontinental-Schelf. Man muss sich mit der Arktis und mit Ostsibirien beschäftigen. Dort kommt alles auf Investitionen und Steuervergünstigungen an. Der Markt orientiert sich immer an der Zukunft. Wir sichten keinen Öl-Preisverfall. Ich denke, die Risiken der Schiefer-Revolution für die Ölexporteure (darunter auch für Russland) sind stark übertrieben. Die herkömmliche Ölförderung bleibt für das nächste Jahrzehnt aktuell.“

Diejenigen Optimisten, die die Selbstkosten bei der Schieferöl-Förderung auf 15 US-Dollar beziffern, liegen falsch. Außerdem sind die Vorräte weltweit nicht gleichmäßig verteilt. Den Löwenanteil entfällt auf die USA, auch China und Brasilien verfügen über große Vorräte. Russland besitzt ungefähr sieben Prozent der erkundeten Vorräte (eines der größten Vorkommen heißt Baschenowskaja und liegt in Westsibirien).

In nächster Zeit ist also kein globaler Durchbruch am Ölmarkt zu erwarten. Einerseits gibt es keine technologischen Grundlagen, andererseits ist Schieferöl von seinen Selbstkosten her vorerst kaum billiger als Erdöl. Wjatscheslaw Bunkow, Chefanalyst des Investment-Unternehmens Aton, prognostiziert, die Schieferöl-Projekte seien nur rentabel, wenn der Ölpreis weltweit über 150-Dollar-Marke klettre. Doch wenn das Schieferöl-Angebot steigt, werden die Preise wiederum fallen.

Einige Änderungen am Energiemarkt sind trotzdem zu erwarten. Darauf sollte man sich gefasst machen, denn Schieferöl ist jedenfalls eine wichtige Reserve der Energiewirtschaft. Deshalb prüft Russland heute Schiefer-Projekte, obwohl sie im Moment kaum so aktuell sind."

Quelle: Text Sergej Dus - „Stimme Russlands"

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