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Neue Forschungsbohrung auf Nordsee-Halbinsel Eiderstedt

Archivmeldung vom 19.08.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.08.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Blick in ein Bohrloch, Fotoblitz wird vom Grundwasserspiegel reflektiert. Am Stahlseil hängt tief unten das Gerät zur Probennahme. Bild: F. Binot, LIAG
Blick in ein Bohrloch, Fotoblitz wird vom Grundwasserspiegel reflektiert. Am Stahlseil hängt tief unten das Gerät zur Probennahme. Bild: F. Binot, LIAG

Die Klimageschichte des Nordens wird in Garding ans Licht geholt. - Forschungsmittel für eine maximal 350 m tiefe Bohrung wurden einem Geowissenschaftler-Team aus den Universitäten Mainz und Lüneburg, der Abteilung Geologie im Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), Flintbek, sowie dem Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, zugesprochen. Nahe der Ortschaft Garding soll die Bohrung umfangreiches Probenmaterial gewinnen, aus dem die Klimageschichte bis 500.000 Jahre zurück abgelesen werden kann.

Nach der Bewilligung des Forschungsvorhabens in 2007 und umfangreichen Vorerkundungen hat das Projekt jetzt seine Bohrreife erreicht. Im August und September 2008 waren Seismikmessungen und eine Hubschrauberbefliegung mit einem elektromagnetischen Messgerät erfolgt. Eine 36 m tiefe Vorbohrung des LLUR schloss sich an. Die gut einjährige Auswertephase der Messungen hat jetzt exzellente Vorkenntnisse über den Untergrund erbracht, die für die genaue Bohrungsplanung unverzichtbar sind.

Die Wissenschaftler erhoffen sich von der Bohrung, die noch in diesem Jahr starten könnte, ein nahezu lückenloses Übereinander von Schichten vergangener Kalt- und Warmzeiten. Das kontinuierliche Absinken des Gebietes in der geologischen Vergangenheit hat dazu geführt, dass fast alle Schichten, die abgelagert wurden auch erhalten geblieben sind und durch die Bohrung zu Tage gefördert werden können. Die in den Schichten enthaltenen Strukturen und Fossilien werden von den Wissenschaftlern wie ein Geschichtsbuch gelesen, wobei jede Schicht quasi eine neue Seite aufschlägt. Insbesondere die Übergänge von Kaltzeiten in Warmzeiten und von Warmzeiten in Kaltzeiten sind von Interesse. Kommt eine Eiszeit schnell oder kündigt sie sich lange vorher an? Wie warm kann es wohl in der letzten Warmzeit gewesen sein? War es warm-feucht oder trocken-heiß? Dahinter steht natürlich die Frage, wie unser heutiges Klima in langfristigen Zusammenhängen einzuschätzen ist und wie sich zukünftige Klimaveränderungen auf die küstennahe Region auswirken werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Bohrarbeiten ist eine wissenschaftliche Auswertung und Interpretation mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft vorgesehen.

Seine Besonderheit verdankt der Bohrplatz Garding dem großen Salzstock Oldensworth in seiner Nachbarschaft. Er ist der Grund, warum der Raum Garding in den letzten Millionen Jahren kontinuierlich absinken musste und zum Sammelbecken für Sedimente der Warm- und Kaltzeiten wurde. Salzgestein, kilometertief unter Garding, hatte sich unter dem hohen Druck der darüber liegenden Gesteine langsam fließend in Richtung Oldensworth in Bewegung gesetzt und ist dort im Salzstock aufgestiegen. Es fehlte dann unter Garding. Dies führte zum kontinuierlichen Nachsacken der über dem Salz liegenden Schichten in Garding. Die so entstehende Vertiefung an der Erdoberfläche wurde zeitweise als See und dann mit See-Sedimenten, mal mit Nordseeschlick oder mit Gletscherablagerungen gefüllt. Alles blieb als Sediment erhalten. Diese Senkungsstruktur nennen die Geologen Salzstock-Randsenke. Der Salzstock Oldensworth ist einer der großen Salzstöcke in Deutschland. Seine Randsenke hält mit Abstand den Tiefenrekord, was seismische Messungen beweisen. Nirgendwo in Deutschland kann man ein vollständigeres Bohrprofil erhoffen, woraus sich die wissenschaftliche Einmaligkeit der Lokation definiert.

Die Bohrung ist im Zusammenhang mit einem Nord-Süd-Schnitt vom Mittelmeer bis zur Nordsee zu sehen, der im Rahmen eines Forschungsschwerpunkts „Terrestrische Sedimentsysteme“ des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik aus verschiedenen neuen Bohrungen zusammengestellt wird. Bohrungen im Mittelmeer, bei Heidelberg, bei Bonn und schließlich auch in Garding sind Bausteine dieses Schnittes. Immer stehen ein vertieftes Verständnis der Klimaentwicklung und die vorab unverzichtbare Altersdatierung der Schichten im Zentrum der Forschungsfragestellungen.

Die Bohrung soll Ende 2010 / Anfang 2011 begonnen werden, die Bohrarbeiten werden von einem fahrbaren Bohrgerät (LKW) aus durchgeführt und dauern ca. 4 bis 8 Wochen. Nachdem das Bohrkernmaterial geborgen ist, werden wenige Tage lang bohrlochgeophysikalische Messungen im Bohrloch gemacht, anschließend wird das Bohrloch dicht verfüllt. Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit dieser Forschungsbohrung erfolgen rücksichtsvoll und in frühzeitiger und enger Absprache mit Naturschutzbehörden und Interessenträgern. Die interessierte Öffentlichkeit wird kontinuierlich über Arbeitsfortschritte und Zwischenergebnisse unterrichtet.

Eine erste Informationsveranstaltung findet am Dienstag, den 31.8.2010 um 19 Uhr statt. Ort: Dreilandenhalle, Graureiherweg 11, 25836 Garding

Die Wissenschaftlergruppe hofft auf eine positive Resonanz und Unterstützung ihrer Forschungsarbeiten und dankt für die freundliche Offenheit und das Interesse, die ihnen bei den Vorerkundungsarbeiten entgegengebracht wurde.

Aufgrund der verständlichen und bekannten Sensibilität zum Thema CO2-Verpressung erläutert LIAG an dieser Stelle, dass die Bohrung ausschließlich der Erkundung der Sedimentations- und Klimageschichte sowie der Weiterentwicklung geophysikalischer Messverfahren dient. Das Thema CO2-Verpressung spielt keine Rolle – dafür wäre die geplante Bohrtiefe von 350 m auch viel zu gering, denn aus physikalischen Gründen erreicht CO2-Gas erst in ca. 800 m Tiefe eine Dichte, die ein Verpressen technisch praktikabel macht.

Quelle: Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover

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