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Giftige Tränen - Die Biophysik des Schlangenbisses

Archivmeldung vom 17.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Zahn einer giftigen Natternart (Bothryum lentiginosum) Bild: Bruce A. Young, University of Massachusetts
Zahn einer giftigen Natternart (Bothryum lentiginosum) Bild: Bruce A. Young, University of Massachusetts

Schlangen injizieren ihr Gift durch einen hohlen Giftzahn in ihr Opfer – glauben die meisten Menschen. Doch die meisten Schlangen und viele andere giftige Reptilien haben gar keinen hohlen Zahn. Physiker der Technischen Universität München (TUM) haben nun heraus gefunden, welche Tricks diese Tiere anwenden, um ihr Gift trotzdem erfolgreich unter die Haut ihrer Opfer zu bringen.

Seit Jahren erforschen Professor Leo van Hemmen, Biophysiker an der TU München, und Professor Bruce Young, Biologe an der University of Massachusetts Lowell, den Gehörsinn von Schlangen. Als Sie über die Giftigkeit ihrer Schlangen diskutierten stellten sie fest, dass nur wenige Schlangen ihr Gift mit Druck durch einen hohlen Giftzahn in den Körper des Opfers injizieren. Die weitaus meisten giftigen Reptilien haben keinen hohlen Zahn, trotzdem jagen sie erfolgreich. Doch wie stellen sie das an?

Nur etwa ein Siebtel aller Giftschlangen nutzen, wie die Klapperschlange, den Trick mit dem hohlen Giftzahn. Die überwiegende Mehrheit hat ein anderes System entwickelt. Ein typischer Vertreter dieser Arten ist die Mangroven-Natter, Boiga dendrophila. Mit ihren Doppelzähnen reißt sie ein Loch in die Haut ihres Opfers. Zwischen den Zähnen und dem Gewebe fließt das Gift in die Wunde. Doch es geht noch einfacher: Viele Giftzähne haben lediglich eine Furche, an der entlang das Gift in die Wunde gelangt.

Die Forscher fragten sich, warum diese einfache Methode evolutionsbiologisch so erfolgreich sein konnte, obwohl beispielsweise Vogelfedern das offen auf dem Zahn entlang fließende Gift abstreifen können müssten. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, untersuchten sie die Oberflächenspannung und die Viskosität verschiedener Schlangengifte. Ihre Messungen zeigen, dass Schlangengift erstaunlich zähflüssig ist.

Die Oberflächenspannung ist hoch, sie entspricht in etwas der von Wasser. Im Ergebnis ziehen die Oberflächenenergien einen Tropfen Schlangengift in die Rinne des Zahns, in der er sich dann ausbreitet. Durch eine optimale Geometrie der Zahnfurche und die Anpassung der Viskosität des Giftes haben sich die Schlangen im Laufe der Evolution auf ihre bevorzugten Opfer eingestellt. Vogelfressende Schlangen haben tiefere Furchen entwickelt, in denen das zähflüssige Gift von Vogelfedern nicht mehr abgestreift werden kann.

Gelöst wurde auch die Frage, wie die Schlange das Gift tief unter die Haut des Opfers bringt, denn erst dort kann es seine tödliche Wirkung entfalten. Auch hierfür haben Schlangen im Laufe der Evolution einen Trick entwickelt: Beißt die Schlange zu, bilden Zahnfurche und umliegendes Gewebe einen Kanal. Wie ein Löschblatt saugt das Gewebe das Gift durch diese Röhre. Und genau hierfür ist das Schlangengift in besonderer Weise zusammengesetzt: Wie Ketchup, der durch Schütteln deutlich flüssiger wird, lassen die durch den Sog auftretenden Scherkräfte das Schlangengift wesentlich dünnflüssiger werden, so das es dank der Oberflächenspannung schnell durch die Giftröhre einziehen kann.

Flüssigkeiten, die sich so verhalten, nennen die Wissenschaftler Nicht-Newtonsche Flüssigkeiten. Für die Schlange hat dies eine höchst praktische Konsequenz: So lange keine Beute in Sicht ist, liegt das Gift zähflüssig und klebrig in der Rinne. Beißt die Schlange zu, fließen – wie bei Wein entlang des Glases – die giftigen „Tränen“ entlang der Furche in die Wunde und entfalten dort ihre tödliche Wirkung.

Teile der Arbeiten wurden unterstützt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Bernstein Center for Computational Neuroscience Munich. Professor van Hemmen ist Mitglied des Exzellenzclusters Cognition for Technical Systems (CoTeSys).

Quelle: Technische Universität München

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