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Tierschutz kritisiert Entwurf zum Bundesjagdgesetz

Archivmeldung vom 08.09.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.09.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: "obs/Wildtierschutz Deutschland e.V."
Bild: "obs/Wildtierschutz Deutschland e.V."

In einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner kritisieren 16 Tier- und Naturschutzorganisationen den aus ihrer Sicht verfassungswidrigen Entwurf zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes. Die Tierschützer fordern das Bundesministerium auf, den Tierschutz bei den Überlegungen mit einzubeziehen und Alternativen zum erhöhten Abschuss von Rehen und anderen Wildtieren in Erwägung zu ziehen.

Ziel des Gesetzgebers ist es in diesem Fall, mittels einer noch intensiveren Jagd auf Rehe - es soll zwischen Waldbesitzern und Jägern jeweils ein Mindestabschuss vereinbart werden - eine Naturverjüngung des Walds ohne Schutzmaßnahmen zu erreichen.

Das Grundgesetz gebietet es, dass es zur Erreichung dieses Ziels nicht zu einer Verschlechterung des Staatsziels Tierschutz kommen darf. Vielmehr wäre es Aufgabe des von Klöckner geleiteten Bundesministeriums, zumindest nach Alternativen zu schauen und Abwägungen zu treffen zwischen dem theoretisch möglichen Totalabschuss von Rehen und Hirschen und milderen Maßnahmen. Das ist wohl nicht passiert. Ebenso hat man die Chance verpasst, bereits im Vorfeld der Novellierung Vertreter des Tierschutzes mit einzubinden.

Es gibt zahlreiche Ansätze für mildere, nicht letale Maßnahmen. Eine von Tier- und Naturschutzorganisationen vorgebrachte Option ist die radikale Kürzung der Jagdzeiten auf etwa drei Monate im Jahr. So spricht sich Lovis Kauertz von Wildtierschutz Deutschland dafür aus, die Jagdzeiten erheblich zu reduzieren: "Wenn es neun Monate im Jahr keinerlei Jagddruck gäbe, würden die Rehe ihre Scheu ablegen und verstärkt dorthin zurückkehren, wo ihr eigentlicher Lebensraum ist - in die Fluren, am liebsten auf die Wiesen. Wenn andererseits im Januar und Februar, selbst im März noch Drückjagden stattfinden und Jäger künftig auch mit Nachtzielgeräten den Tieren nachstellen, muss sich niemand wundern, wenn es zu verstärktem Verbiss in den Wäldern kommt."

Weitere Optionen sind Schutzmaßnahmen zum Beispiel bei kompletten Neuaufforstungen, die Förderung von wildtierfreundlichen Übergangszonen zwischen Flur und Wald, der komplette Verzicht auf die Jagd während der Nachtstunden, die Schaffung von jagdfreien Flächen, nicht zuletzt auch durch die Anerkennung von Gründen des Tier- und Naturschutzes bei der jagdlichen Befriedung von Grundstücken durch natürliche und (!) juristische Personen.

Eine weitere wichtige Forderung ist es, endlich auch klarstellend in das Bundesjagdgesetz aufzunehmen, dass die Tötung eines jeden Tieres eines vernünftigen Grundes bedarf, so wie es das Tierschutzgesetz verlangt und diese Gründe dort auch konkretisiert werden.

Offener Brief an Bundesministerin Klöckner zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

im Rahmen der laufenden Diskussion zur Novelle des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) möchten wir Sie noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass der vorgelegte Entwurf aus unserer Sicht verfassungswidrig ist!

Seit Monaten arbeiten die Jagdverbände gemeinsam mit der Forstwirtschaft an einem Kompromiss, der den vermeintlichen Konflikt zwischen Wald und Wild lösen soll. Eine Einbeziehung der Tierschutzverbände erfolgte in diesem Rahmen nicht, obwohl die wesentlichen geplanten Eingriffe höchste tierschutzrechtliche Relevanz haben.

Umweltschutz und Tierschutz sind als zwei gleichrangige Staatsziele in Artikel 20 a Grundgesetz festgeschrieben. Danach schützt der Staat "auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Zentrale Auswirkung eines Staatszieles auf die Gesetzgebung ist zunächst eine Berücksichtigungspflicht der geschützten Interessen bei geplanten neuen gesetzlichen Regelungen. Danach sind im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung die Auswirkungen der geplanten neuen Regelungen auf die geschützten Interessen zu prüfen. Sind negative Auswirkungen ernstlich zu befürchten, so muss nach schonenderen Alternativen gesucht werden. Schonendere Alternativen, mit denen das Ziel ebenfalls erreicht werden kann, sind dabei vorrangig anzuwenden. Dass entsprechende Abwägungen auch im Rahmen der nun geplanten Novelle des BJagdG seitens Ihres Ministeriums vorgenommen wurden, ist bisher nicht ersichtlich.

Die Lösung dieses Interessenkonfliktes soll aktuell durch Anpassungen im BJagdG stattfinden, so dass zusätzlich die Interessen der Jagdausübung ins Spiel kommen. Bei der Jagdausübung handelt es sich um eine Nutzungsform des Eigentums, die damit auch grundrechtlich geschützt ist. Zu beachten ist aber, dass gerade das Eigentumsrecht der Sozialpflichtigkeit unterliegt, denn wie Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz ausdrücklich feststellt, soll sein Gebrauch dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht gerade auch in Bezug auf die Jagd ausdrücklich klargestellt, die Jagd muss dem Gemeinwohl dienen.

Angesichts der immer größer werdenden Bedeutung eines gesunden Waldes mit gesunden Wildtierbeständen kommt der Jagd in diesem Zusammenhang auch eine "dienende Funktion" zu, denn sie soll den Erhalt eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sichern.

Vor dem Hintergrund von vermehrten Verbissschäden muss daher in jedem Fall zunächst erst einmal genau geprüft werden, was die tatsächlichen Ursachen solcher Schäden sind und welche alternativen, milderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, die den Ansprüchen des Tierschutzes nicht zuwiderlaufen. In diesem Zusammenhang sollte endlich auch klarstellend in das BJagdG aufgenommen werden, dass die Tötung eines jeden Tieres eines vernünftigen Grundes bedarf, so wie es das Tierschutzgesetz verlangt und diese Gründe auch konkretisiert werden.

Die Ursachen für erhöhte Verbissschäden im Wald sind sicherlich vielfältig und nicht leicht zu lösen. Die Novelle des BJagdG muss jedoch genutzt werden, die jagdbedingten Ursachen zu mindern. Denn eine gemäß BJagdG durchgeführte Bejagung macht das Wild nicht nur sehr scheu und damit für den Bürger nicht erlebbar, sondern sie verändert auch die tageszeitlichen Aktivitätsmuster der Wildtiere. Gleichzeitig hält sie damit bestimmte Tierarten wie Rehe auf einem hohen Bestandsniveau. In diesem Zusammenhang ist auch die Aufhebung des Verbots von Nachtzielgeräten abzulehnen, denn sie nimmt damit auch allen anderen Wildtieren, selbst solchen, die nicht bejagt werden dürfen, die Nacht als letzten Rückzugszeitraum und verschärft die o.g. Probleme.

Um diese Ursachen zu beseitigen, stellen eine harmonisierte und deutlich verkürzte Jagdzeit für alle Wildtiere sowie ein vollständiges Verbot der Nachtjagd deutlich mildere Mittel gegenüber einem einseitig angestrebten erhöhten Abschuss bestimmter Wildtierarten dar. Unabhängig davon sollten Maßnahmen zur wildtierfreundlichen Umgestaltung der Übergangszonen von der Flur zum Wald gefördert werden.

Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, die aktuell geplante Novelle des BJagdG konstruktiv zu nutzen, um die ökologisch überholten, traditionellen Strukturen des Jagdrechts an die im Grundgesetz verankerten Grundsätze des Umwelt- und insbesondere auch des Tierschutzes anzupassen, und damit sicherzustellen, dass die Jagdausübung in Deutschland künftig im Einklang mit diesen verbindlichen Staatszielen steht.

In Erwartung Ihrer Rückmeldung verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

gez. Birgit Braun, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V.

gez. Manuela Schleußner, Vorsitzende, Bürgerinitiative ProFuchs Ostfriesland e.V.

gez. Holger Sticht, Landesvorsitzender, BUND NRW e.V. - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.

gez. Karsten Plücker, Bundesvorsitzender, BMT - Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.

gez. Dr. Jörg Styrie, Geschäftsführer, BVT - Bundesverband Tierschutz e.V.

gez. Christina Patt, Mitglied des Vorstands, DJGT - Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V.

gez. Thomas Schröder, Präsident, DTSchB - Deutscher Tierschutzbund e.V.

gez. Eva Biré, Rechtsassessorin, EGS - Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz

gez. Dr. Melanie Seiler, Geschäftsführung, ETN - Europäischer Tier- und Naturschutz e. V.

gez. Eckhard Reis, Vorsitzender, ITV - Internationaler Tierschutzverein Grenzenlos e.V.

gez. Christina Ledermann, Vorsitzende, Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

gez. Stefan Haas, Vorstand, PIENSA! Stiftung für Naturschutz und Naturbildung

gez. Lars Gorschlüter, Vorsitzender, SAVE Wildlife Conservation Fund Stiftung

gez. Mike Ruckelshaus, Leiter Tierschutz- Inland, TASSO e.V.

gez. Dr. Christine Miller, 1. Vorsitzende, Wildes Bayern e.V.

gez. Lovis Kauertz, Vorsitzender, WTSD - Wildtierschutz Deutschland e.V.

Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)


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