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'Erstklassige' Schleichwerbung Presserat rügt Zeitung für Luxusflug-Reportage

Archivmeldung vom 03.12.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Deutscher Presserat
Deutscher Presserat

In ihren vierten Sitzungen in diesem Jahr haben die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats am 1. und 2. Dezember 2009 insgesamt sechs Rügen ausgesprochen.

Schwärmerische Texte und PR-Fotos Wegen Schleichwerbung gerügt wurde ein Artikel mit der Überschrift "Mein erster Flug in der First Class" in der WELT AM SONNTAG. Begeistert hatte der Autor in einer Erlebnisreportage einen Flug in der 1. Klasse mit Singapore Airlines geschildert und den Namen der Fluglinie nicht weniger als 14 Mal im Text genannt. Die aus seiner Sicht ausschließlich positiven Erfahrungen stellte er so schwärmerisch dar, dass die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Kodex deutlich überschritten wurde. Noch stärker wurde der Werbeeffekt durch detaillierte Angaben zu Buchungsmöglichkeiten und Preisen. Beigestellt waren zudem PR-Fotos der Fluggesellschaft. Richtlinie 7.2 fordert:

Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Eine weitere öffentliche Rüge wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot erhielt WELT-Online. In einem Beitrag hatte der Chef einer Münchener Bar mit eindeutig werbenden Formulierungen den angeblichen Siegeszug des "Sommer-'Must-have'-Getränks" Aperol-Sprizz geschildert. Illustriert war der Artikel mit einem großformatigen Werbefoto des Likör-Herstellers, auf dem der Schriftzug des Getränks plakativ hervorgehoben wurde.

Persönlichkeitsrechte in Familiendramen Der SARSTEDTER ANZEIGER (HILDESHEIMER ALLGEMEINE ZEITUNG) berichtet über die katastrophalen hygienischen Verhältnisse im Wohnhaus des ortsansässigen Kleinunternehmers. Dieser Zustand sei der Polizei im Rahmen von Ermittlungsarbeiten aufgefallen. Die 16-jährige Tochter der Familie sei daraufhin in die Obhut des Jugendamtes genommen worden. Die Zeitung bringt außerdem verschiedene Fotos, die das verwahrloste Wohnhaus von innen und außen zeigen. Der Ausschuss kritisiert, in der Artikelserie seien so viele Details benannt worden, dass die Familie für die breite Öffentlichkeit erkennbar wird. Er konnte kein öffentliches Interesse erkennen, das in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegen. Er spricht daher eine nicht-öffentliche Rüge wegen der Verletzung von Ziffer 8 aus. Diese lautet:

Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Der Ausschuss erteilt BILD-Online eine nicht-öffentliche Rüge für die Berichterstattung über ein Familiendrama. Eine Mutter hatte sich und ihre drei Kinder in einem Auto angezündet. Die Redaktion veröffentlichte Fotos der Verstorbenen und verletzte damit deren Persönlichkeitsreichte. Der Ausschuss sieht hier zudem das Gebot der zurückhaltenden Berichterstattung bei Suiziden verletzt (Richtlinie 8.5). Vor allem mit Rücksicht auf die Angehörigen hätte die identifizierende Darstellung unterbleiben müssen.

Richtlinie 8.5 - Selbsttötung Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.

Rüge vorhergesehen Wegen Diskriminierung einer Minderheit gerügt wurde außerdem die OFFENBACH-POST - Online. Sie hatte über eine Bande von mutmaßlichen Betrügern berichtet und ohne jeden weiteren Sachbezug indirekt mitgeteilt, dass sie zur Gruppe der Sinti und Roma gehört. Das schürt Vorurteile gegen diese ethnische Gruppe. Die Redaktion hatte schon im Artikel selbst gemutmaßt, dass sie sich dafür eine Rüge des Presserats einhandeln könnte. Sie wählte deshalb eine ironisch-herabsetzende Umschreibung - "Damen mit Vorliebe für bunte Kleider" -und betonte so umso mehr die angebliche Täterschaft der Minderheit. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Richtlinie 12.1 des Kodex.

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Fehlende Transparenz Der Beschwerdeausschuss rügte die THÜRINGER ALLGEMEINE für einen Beitrag, in dem die Zeitung die Amtsbilanz eines scheidenden Bundestagsabgeordneten und Bürgermeisters kritisch beleuchtet hatte. Der Autor des Beitrages war bis kurz vor Erscheinen des Artikels Pressesprecher dieses Politikers. Ziffer 6 des Pressekodex hätte erfordert, dass die Redaktion diesen Umstand transparent macht. Weil die Zeitung das unterließ, fehlte den Lesern eine wichtige Information zur Einordnung des Beitrages. Die Zeitung gefährdete so zudem  Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien (Ziffer 1 Pressekodex).

Statistik Insgesamt wurden in den zwei Beschwerdeausschüssen 102 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den Rügen 15 Missbilligungen und 29 Hinweise ausgesprochen. In 39 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In neun Fällen wurde die Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme jedoch verzichtet. In fünf Fällen hatten sich mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert, hier wird das Ergebnis nur einmal gezählt.

Quelle: Deutscher Presserat

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