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Der Sozialforscher Prof. DI Ernst Gehmacher ist im 95. Lebensjahr von uns gegangen

Archivmeldung vom 29.01.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.01.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Prof. Ernst Gemacher Bild: Bürgerinitiative Zivilcourage / Eigenes Werk
Prof. Ernst Gemacher Bild: Bürgerinitiative Zivilcourage / Eigenes Werk

Prof. DI. Ernst Gehmacher ist im 95. Lebensjahr von uns gegangen. Wir halten ihn in guter Erinnerung. Der Autor, Dr. Johann Hüthmair, hatte noch kurz vor seinem Tode mit ihm über die Corona-Auswirkungen telefoniert. Dies berichtet Dr. Johann Hütmair, Obmann der Bürgeriniative Zivilcourage, auf "Unser Mitteleuropa".

Weiter schreibt Dr. Hüthmair: "Ernst Gehmacher hatte 1965 das Markt- und Meinungsforschungsinstitut IFES gegründet. Er war einer der prägenden demokratischen Intellektuellen der Siebziger- und Achtzigerjahre. Obwohl er der linken parteipolitischen Szene zugerechet wurde, stand er weit über den Dingen von Parteipolitik und betrachtete sich selber als Bürger einer Gemeinschaft. Er war ein überzeugter Europäer und Demokrat, seine Denkensart war die der präventiven Konfliktregelung.

Der in Salzburg geborene Soziologe Ernst Gehmacher hatte über Jahre mit dem Obmann der „Bürgerinitiative Zivilcourage“ engen Kontakt. Wir haben uns meist im Café Raimund beim Volkstheater getroffen und über Gott und die Wellt geplaudert, erzählt Dr. Johann Hüthmair. Gehmachers feinfühlige Beobachtungsgabe für gesellschaftliche latente Konflikte und Strömungen machten unsere Gespräche sehr lebendig.

Anlässlich der Gründungsfeier der „Bürgerinitiative Zivilcourage“ (BiZ) hielt Professor Ernst Gehmacher den Eröffnungsvortrag über die historische Herleitung Europas. Gehmacher gilt als einer der Pioniere der Sozialforschung und als Begründer der Theorie des Sozialkapitals. Seine Erklärungen zur Geschichte der kulturellen Gemeinschaft Europas, betrachtet in langen Zyklen von jeweils ungefähr 300 Jahren, lassen die Ereignisse sehr verständlich werden; seine Thesen sind gut strukturiert und zum Nachempfinden aufbereitet. Man erkennt, wie die Imperien ihre Spuren als eine Art kultureller Fußabdruck quer durch die Geschichte Europa hinterließen. Die Epochenübergänge dauern Generationen: „Das Alte ist noch nicht weg, das Neue ist noch nicht da.“ Die offizielle Geschichte wird jeweils von den Siegermächten geschrieben, das ist seit tausenden Jahren so. Jedoch alle Weisen und Naturvölker wissen: Ohne historische Wahrheit keine Kraft! Professor Gehmachers auf hohem Abstraktionsniveau geführte Betrachtungen über die Ausprägungen der gesellschaftlichen Entwicklungsschübe in Europa sollen dazu anleiten, die Geschichtserzählungen auch aus anderen Perspektiven zu sehen.  Soziologen sehen den Konflikt als Impulsgeber für die Kooperation. Eine konstruktive Konfliktregelung muss in der Basis wurzeln, um im Großen wirken zu können, so wie gesellschaftliche Entwicklungen stets von unten nach oben wirken.

Zu Systemverhalten konnte Gehmacher treffende Erklärungen einbringen. „So geht es nicht weiter, die Ereignisse werfen die fragilen Globalvernetzungen aus der Bahn“, meinte er schon vor Jahren. Nun haben wir Covid, was seine Theorie bestätigt. „Bäume wachsen nicht in den Himmel“.

Gehmacher hatte Integrationskurse gehalten. Er ließ die Teilnehmer ihre Religion im Verhältnis zu den anderen Religionen auf der Skala von 1 bis 10 bewerten. Anfangs war die eigene Glaubensüberzeugung mit 9 oder 10 Punkten angegeben, die übrigen weit abgeschlagen. Nach einigen Seminarsitzungen im Diskurs über Religionsinhalte näherten sich die Einstufungen „meine Religion“ den übrigen weitgehend an, sobald säkulare Ethik als Maßstab debattiert wurde. Daher sind Unterwerfungsideologien nicht integrationsbereit, da Themen der „säkularen Ethik“ von der Hierarchie ausgeklammert werden. Von diesem Thema berichtet etwa seine Schrift „Ist man als Wissenschafter Buddhist?“ Das Gegenteil von Glaubensreligion ist nicht Wissenschaft, sondern Spiritualität, wie es auch Professor Thomas Metzinger als Methaphilosoph darlegt.

Prof. Gehmacher hat viel zum Thema zu Sozialkapital geforscht und Beiträge veröffentlicht. Ihm zufolge hatten die Urvölker in Amerika während der vergleichsweise kurzen Zeit ihrer „Maiskultur“ keinen so hohen Organisationsgrad erreicht, während die Einwanderer aus Europa (Getreidekultur) den einzelnen untereinander rivalisierenden Stämmen organisatorisch und technisch weit überlegen waren. Indien und China (Hongkong, Macao, Goa etc.) hingegen hatten aus der „Reiskultur“ eine hohe und lange Gesellschaftsentwicklung, daher verliefen die Kolonialisierungen der konkurrierenden Europäer in Asien anders als in Amerika oder Afrika.

In Gesprächen mit mir erklärte Professor Gehmacher mit heiterem Gemüt, man müsse Strukturen erkennen, diese beim Namen nennen und die Zeichen der Zeit beachten. Auch wenn er diesem Motto treu bliebe, hätte er nicht die Absicht so zu enden wie Sokrates, Jesus oder Giordano Bruno, aber mit neunzig Lebensjahren bestehe diese Gefahr für ihn ohnehin nicht mehr, fügte er lachend hinzu. Dies war jedoch in seinen jungen Jahren, 1944 als Kriegsdienstverweigerer, ganz anders. Damals war diese Gefahr groß und die Beherrschung der Angst wurde ein zentrales Thema für seine Entwicklung. Wir bedanken uns herzlich bei Professor Gehmacher für seine Beiträge zur Gesellschaftsentwicklung. Wir bleiben ihm im Geist verbunden."


Quelle: Unser Mitteleuropa

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