Früherer ZDF-Intendant Dieter Stolte beklagt Sittenverfall im Fernsehen
Archivmeldung vom 09.09.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer langjährige ZDF-Intendant Dieter Stolte beklagt den Verfall der Sitten im deutschen Fernsehen. "Nennen Sie mich einen humanistischen Spinner, wenn ich es Ekel erregend finde, dass Menschen dafür missbraucht werden, den Voyeurismus anderer zu bedienen", sagt er im Interview mit der Stuttgarter Zeitung.
Er bezieht sich dabei auf die Containersendungen,
Urwaldcamps und Talkshows am Nachmittag im Privatfernsehen, die zu
einer "gesellschaftlichen Verarmung" und "kalten Herzen" führten. Der
70-jährige Ex-Intendant und ehemalige Herausgeber der
Springer-Zeitungen "Welt" und "Berliner Morgenpost" nimmt aber auch
die öffentlich-rechtlichen Anstalten von seiner Kritik nicht aus.
Dort würden bald Controller, Marketing- und Verpackungskünstler das
Geschehen bestimmen. Auch bei ARD und ZDF sei die Diskussion um
Quoten und Marktanteile inzwischen "viel wichtiger" als die
inhaltliche Auseinandersetzung. Intendanten wie Fritz Pleitgen (WDR),
Jobst Plog (NDR) und Peter Voß (SWR) seien in Zukunft "nicht mehr
gefragt", betont Stolte.
Erstmals offenbarte Stolte, dass er das Angebot des
Springer-Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner, ein
Aufsichtsratsmandat bei ProSieben-Sat 1 zu übernehmen, abgelehnt hat.
Dies hätte er als "Stilbruch" empfunden, begründete er die Absage. Er
könne nicht 40 Jahre lang das öffentlich-rechtliche System
verteidigen, und dann "Urwald-Fernsehen gut finden". Dies habe er
sich und seinen ehemaligen Mitarbeitern nicht antun können, die an
ihn geglaubt und ihm vertraut hätten. Stolte erhält am Sonntag den
Hans-Bausch-Mediapreis, den der Südwestrundfunk (SWR) im Beisein von
Kardinal Karl Lehmann verleiht.
Quelle: Pressemitteilung Stuttgarter Zeitung