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Wenn seriöse Journalisten zu Stalkern werden

Archivmeldung vom 19.03.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

Gesetzentwurf inkriminiert die Medienbranche. Der Bundesrat hat heute einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der bedeutende Auswirkungen auf die Pressefreiheit haben könnte.

Die Gesetzesinitiative, die auf Bestrebungen des Bundeslandes Hessen zurückgeht, zielt darauf ab, Opfern so genannten "Stalkings" besseren Schutz zu gewähren. Künftig können Stalker, also Menschen, die andere permanent belästigen und bedrängen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bestraft werden. Im Gesetzentwurf, der im deutschen Strafgesetzbuch aufgehen soll, heißt es, daß diese Strafe erhält, wer einen anderen Menschen "unbefugt" "nachhaltig belästigt", so daß dieser "in seiner Lebensgestaltung erheblich" beeinträchtigt.

Diese Tatbestände könnten künftig auch von Journalisten erfüllt werden. Und zwar sowohl von seriös recherchierende Journalisten, wenn sie beispielsweise bei einer intensiven Recherche immer wieder versuchen, telefonischen Kontakt zu einem möglichen Informanten herzustellen. Besonders inkriminieren könnte das Gesetz Journalisten von Boulevardzeitungen.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Journalisten (DJV) hatten vor der Abstimmung im Bundesrat vor den unbeabsichtigten Nebenwirkungen gewarnt, die von diesem Gesetz ausgehen werden, wenn nicht für die Arbeit von Journalisten ein Ausnahmetatbestand aufgenommen werde. Als Reaktion auf die Warnungen des BDZV hatten sich die Initiatoren der Länderkammer zu Zugeständnissen durchgerungen. Daß mit Stalking nicht die Arbeit von Journalisten gemeint sei, findet sich nun in der Begründung zum Gesetz, nicht aber im Gesetz selbst. "Das genügt uns nicht", sagt Burkhard Schaffelt, Justiziar des BDZV. Nur eine ausdrückliche Ausnahme von Journalisten im Gesetzestext biete Mitarbeitern der Presse einen wirksamen Schutz vor Strafverfolgung.

Brisanz erhält der Entwurf vor allem im Zusammenspiel mit dem so genannten Caroline-Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vergangenes Jahr gefällt hatte. Er hatte dem Schutz von Persönlichkeitsrechten eine deutlich größere Bedeutung beigemessen, als die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das persönliche Recht auf Schutz der Privatsphäre hat dem Urteil aus Straßburg zufolge fast immer Vorrang vor dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, es sei denn, es handelt sich um Informationen von politischer oder zeitgeschichtlicher Relevanz. Im Zusammenhang mit dem nun auf den Weg gebrachten Anti-Stalking-Gesetz müssen nun vor allem Boulevard-Journalisten fürchten, sich als Stalker strafbar zu machen, wenn sie unaufgefordert Geschichten über Prominente recherchieren. Dabei könnte ihnen die relativ konkrete Beschreibung eines Stalkers als "unbefugt" Probleme bereiten.

Trotz aller Bedenken gibt sich Schaffelt vom BDZV jedoch gelassen. "Der Gesetzentwurf steht nach jetzt erst am Anfang seines parlamentarischen Weges." Er sei zuversichtlich, daß der Entwurf bei seinem Weg durch den Bundestag und die Ausschüsse noch die notwendige Präzisierung erfahre. "Wir stehen am Anfang unserer Lobbyarbeit." Das Gesetz gegen Stalking gilt als notwendig, weil vielen Opfern bisher vor Belästigungen kein ausreichender Schutz geboten werden konnte. Bereits bestehende Straftatbestände wie Nötigung, Beleidigung, Hausfriedensbruch oder Körperverletzung greifen nach Meinung der Befürworter zu spät. Der Polizei waren im Vorfeld einer solchen Straftat häufig die Hände gebunden; Opfern konnte nicht geholfen werden, solange nichts Schlimmeres passiert war. In Bremen war kürzlich eine Frau nach längerer Belästigung erstochen worden war. Dies ist kein Einzelfall. Einer Studie zufolge wurden in Deutschland zwölf Prozent der Bevölkerung schon einmal Opfer von Stalkern.

Kathrin Spoerr

Quelle: http://www.welt.de/data/2005/03/19/612915.html

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