Philosoph Omri Boehm kritisiert deutsche Erinnerungskultur
Archivmeldung vom 09.04.2025
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Freigeschaltet durch Sanjo Babić 
        
        Foto: Amrei-Marie
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er deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm übt scharfe Kritik an der deutschen Erinnerungskultur. "In Zeiten, die man - im Sinne Hannah Arendts - als 'finstere' bezeichnen muss, ist das Sprechen kaum noch möglich. Und über Erinnerung zu sprechen, noch weniger", sagte Boehm der Wochenzeitung "Die Zeit".
Boehm war ursprünglich als Redner zur Gedenkfeier anlässlich des 80. 
Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald eingeladen 
worden. Auf Drängen von Vertretern der israelischen Regierung wurde 
diese Einladung jedoch zurückgezogen. Israels Botschafter in 
Deutschland, Ron Prosor, warf Boehm vor, er relativiere "unter dem 
Deckmantel der Wissenschaft" die Schoah und instrumentalisiere die 
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Boehm, der an der New School 
for Social Research in New York lehrt, weist die Vorwürfe entschieden 
zurück. Jeder, der sich mit seiner Arbeit auseinandersetze, wisse: "Ich 
schreibe als Enkel von Holocaust-Überlebenden, um die Erinnerung zu 
verteidigen." Seine Teilnahme an der Gedenkfeier habe einem 
verantwortungsvollen Gegenentwurf gegolten - einem, "der aus der 
jüdischen Tradition kommt und aus dem Geist der Aufklärung". Er habe 
seinen zehnjährigen Sohn aus New York mitgebracht, "um ihm von der 
Vernichtung seiner Familie im Holocaust zu erzählen". Und seinen Vater 
aus Israel, der seine Großeltern in Theresienstadt und Auschwitz 
verloren habe - und mit einer Mutter aufwuchs, die 1939 in letzter 
Sekunde entkommen konnte.
Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen
 und die ambivalente Haltung Deutschlands übte Boehm deutliche Kritik an
 der Regierung von Benjamin Netanjahu. Die Zerstörung, die derzeit zu 
beobachten sei, lasse viele zweifeln, ob das Recht - als Ausdruck 
westlicher Erinnerungskultur - überhaupt noch als solches gelte oder 
längst zur Ideologie geworden sei. Die zentrale Aufgabe bestehe nun 
darin, so Boehm, zu zeigen, "dass dieses Recht trotz seiner historischen
 Zusammenhänge ernst genommen werden kann als Recht". Anderenfalls, 
warnt er, "werden wir auch der Erinnerung an die Schoah nicht gerecht."
Boehm
 setzt sich seit Jahren für eine binationale Einstaatenlösung zwischen 
Israelis und Palästinensern ein - eine Position, für die er 2024 mit dem
 Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde.
 Auf die Frage, ob Deutschland Netanjahu festnehmen müsse, sollte dieser
 - wie zuletzt von CDU-Chef Friedrich Merz angeregt - nach Deutschland 
reisen, antwortete Boehm: "Völkerrecht ist kein Vorschlag. Es ist 
Recht."
Quelle: dts Nachrichtenagentur

 
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
       
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