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Transparency-Deutschland-Chefin Edda Müller warnt vor "medialer Form von Lynchjustiz"

Archivmeldung vom 26.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de

Wie weit darf die mediale Zurschaustellung und öffentliche Kontrolle bei Amtsträgern gehen? "Notwendig sind verantwortungsbewusste Journalisten, der sich der humanitären Gefahren von Vorverurteilungen bewusst sind. Zu beobachten ist eine mediale Form von Lynchjustiz, die aus meiner Sicht höchst problematisch ist", so Edda Müller in den vorab präsentierten Thesenpapieren auf die Leitfragen, die dem Branchendienst Newsroom.de vorliegen.

Ich fand die Zurschaustellung von Christian Wulffs Privatleben wegen mutmaßlich wenigen hundert Euro Vorteilsnahme beispielsweise unangemessen, skandallüstern und übertrieben. Das Benennen von Staatssekretär a.D. (und seit 17.2.2014 Landwirtschaftsminister) Christian Schmidt in unserem Buch "Geheimer Krieg" als einer der Entscheider bei der verfassungswidrigen Stationierung des US-AFRICOM-Kommandos in Stuttgart (ohne die Einbeziehung des deutschen Parlaments) aber vollkommen angemessen - wohlgemerkt nur in seiner Rolle als Ministerialbeamter und in Form von Handlungen, die in seinem Büro passiert sind", betont dagegen der Journalist Christian Fuchs.

Müller und Fuchs nehmen heute Abend (26. März) am Demokratie-Forum Hambacher Schloss teil. "Mythos Transparenzgesellschaft: Trübt die Informationsflut den Durchblick?" lautet die Frage, die neben Edda Müller und Christian Fuchs (Co-Autor von "Geheimer Krieg"), der Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger, Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste, CDU, sowie Valentina Kerst, Leiterin des Landrates für digitale Entwicklung und Kultur, gemeinsam mit SWR-Chefreporter Thomas Leif diskutieren. Die Eröffnungsrede hält der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Edgar Wagner.

Laut Christian Fuchs haben Edward Snowden, William Binney (NSA), Chelsea Manning, Annie Machon (MI5) oder auch Anders Kaergaard (dänischer Militärgeheimdienst) "der Demokratie einen Riesendienst erbracht. Erst durch ihre Leaks wird es der Bevölkerung möglich, hinter den Vorhang von Halbwahrheiten und bewussten Täuschungen zu schauen und eigene Schlüsse über die Arbeit von Geheimdiensten, Politikern und Militärs zu ziehen. Erst dadurch, dass sie Dinge an die Oberfläche gebracht haben, ist es der Bevölkerung möglich, ein komplettes Bild zu machen, nachzudenken und sich eine eigene Meinung zu bilden - fern von Pressestellen-Prosa", so Christian Fuchs.

Transparenzberichte, Informationsrechte und Datenplattformen reichen laut den Diskussionsteilnehmern alleine nicht aus. "Nur weil es Transparenz gibt, bedeutet das aber noch lange nicht, dass daraus notwendigerweise auch eine Änderung für die Politik oder staatliches Handeln folgen muss. Die eigentliche Frage ist doch, ob durch mehr Transparenz Defizite oder Probleme sichtbar werden. Wo das der Fall ist, müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden und ich habe den Eindruck, dass das auch geschieht", betont Clemens Binninger, Vorsitzender des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages.

"Ohne die klassischen Medien mit ihrer Manpower von Investigativ-Ressorts, ihrer publizistischen Macht und den Fähigkeiten bei der Auswertung und Analyse von meist großen Datenmengen sind Dokumente auf Datenplattformen meist wertlos. Das hat das Beispiel WikiLeaks eindrücklich gezeigt. Die Transparenzplattform konnte erst dann politische Relevanz und Sprengkraft aufbauen, als sie Kooperationen mit Guardian, New York Times und Spiegel einging, die das zugespielte Material journalistisch auswerteten - sowie einfach und verständlich auch online darstellten", betont Christian Fuchs.

Gerade darin erkennt Valentina Kerst Potenziale für Medien: "Das Schlagwort hier: Datenjournalismus. In den letzten Jahren hat sich hier nur sehr wenig - oftmals nur in einzelnen Projekten - etwas bewegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit Datenjournalismus das Problem des "Information overload" - zumindest teilweise - gelöst werden kann. Damit einher geht auch die Forderung, dass "Open by default" Standard werden muss. Also Informationen öffentlich zu machen sollte der Grundsatz sein, Informationen zurückzuhalten nur die Ausnahme. Wenn diese einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden, wird sich auch ein neuer Politikstil entwickeln."

Das Informationsfreiheitsgesetz in Hamburg hat laut Clemens Binninger "Schwachstellen": "So müssen derzeit Gerichte klären, inwieweit die Informationspflicht den berechtigten Schutz der Interessen Dritter überwiegt, zum Beispiel bei Preisgabe von Betriebsgeheimnissen, wenn der Staat Verträge mit Unternehmen schließt. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ist in den letzten Jahren ausführlich evaluiert worden. Der umfangreiche Bericht des Instituts für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation hat dabei deutlich gemacht, dass sich das Informationsfreiheitsgesetz bewährt hat. Die Evaluation hat aber auch gezeigt, dass über Klarstellungen bei den Ausnahmetatbeständen zu sprechen ist. Größere Änderungen auf Bundesebene brauchen wir aber nicht."

"Zuerst sollte ein Informationsfreiheitsgesetz bundesweit flächendeckend - also auch in In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen - verabschiedet werden", so Christian Fuchs. Für den Journalisten klingt das Hamburger Transparenzgesetz "vorbildlich. Auch die ab Oktober 2014 geplante Veröffentlichung einer Vielzahl von Dokumenten in einem elektronischen Register wäre sicher eine Bereicherung der Transparenzkultur auch in anderen Bundesländern. Wünschenswert wäre, wenn - wie in den USA üblich - alle öffentlichen Aufträge und laufenden Verträge, die mit Steuergeld finanziert werden, in einer Datenbank einsehbar wären. Schließlich haben die Steuerzahler ein Recht darauf, zu kontrollieren, was mit dem eigenen Geld geschieht.

Auch für Valentina Kerst steht fest: "Generell verbessert werden muss, dass mit hohen Gebühren Bürger abgeschreckt werden, Anträge zu stellen. Laut Statistik des Bundesinnenministeriums fordern Ämter inzwischen bei einem Viertel der Anfragen Geld. Da ist Hamburg ein gutes Vorbild."

Quelle: Medienfachverlag Oberauer GmbH (ots)

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