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Hunger nach dem Selbst

Archivmeldung vom 13.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Die Hälfte aller Magersüchtigen, die in Kliniken stationär behandelt werden, wird rückfällig. Auf der Tagung «Leben hat Gewicht» wurde eine neue neue, ambulante Therapie vorgestellt, die den zumeist weiblichen Patienten wirkamer helfen soll.

Ein Apfel zum Mittagessen muss reichen. Katharina (15) ist nicht auf den Kopf gefallen - sie bringt sehr gute Noten aus der Schule nach Hause, verzeiht sich kaum eine Zwei in ihrem Lieblingsfach Biologie. Aber ein Blick in den Spiegel macht das schlanke Mädchen trotzdem kreuzunglücklich: Sie findet sich «eklig dick» - und greift statt zur Pasta immer öfter zu Knäckebrot, füllt den hungrigen Bauch mit Wasser. Literweise. Wenn die Waage ein Kilo weniger zeigt, fühlt sie Stolz. Katharina ist kein Einzelfall - sie ist sogar typisch für die wachsende Zahl junger Mädchen, die eine Essstörung entwickeln. Eine neue, ambulante Therapie soll magersüchtigen Mädchen nun wirksamer helfen.

«Nach einem stationären Klinikaufenthalt liegt die Rückfallquote normalerweise bei bis zu 50 Prozent. Das wollen wir verbessern», sagte Prof. Beate Herpertz-Dahlmann auf der vom Bundesgesundheitsministerium initiierten Tagung «Leben hat Gewicht» in Berlin. Nach einer Studie des Robert Koch-Instituts von 2007 zeigt jeder fünfte Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren Symptome einer Essstörung, aus der sich Magersucht entwickeln kann, von den Mädchen sogar fast jedes dritte.

«Die erkrankten Mädchen haben häufig eine ausgeprägte Sozialangst. Dann ist es nicht gut, wenn die Klinik zu einem ‹angenehmen Rückzugsort› wird, an dem sie sich nicht durchsetzen müssen und der nichts mit ihrem normalen Leben zu tun hat», sagte Herpertz-Dahlmann, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Aachen. Deshalb gehen die Erkrankten, die in sechs Kliniken bundesweit an der vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie teilnehmen, jeden Nachmittag und auch am Wochenende nach Hause.

«Dort müssen sie das Erlernte direkt in ihrem Lebensumfeld umsetzen», erläutert die Ärztin. Auch mit der Familie arbeiten die Fachleute eng zusammen. «Es gibt Familien-Gespräche und Familien- Essen in der Klinik.» Das Essen neu lernen - es gemeinsam zubereiten, irgendwann sogar genießen, das ist das Ziel.

Anders als früher sehen die Wissenschaftler nicht mehr nur im sozialen Umfeld, sondern auch in der Veranlagung einen Grund für die Entstehung von Magersucht. «Das haben Zwillingsstudien gezeigt», erläutert Herpertz-Dahlmann. Auch seien es recht häufig überbehütende, ängstliche Eltern, die Kinder mit Trennungsängsten - und damit möglicherweise höherem Erkrankungsrisiko - hätten. «Ein frühes Merkmal ist etwa, wenn Kinder erst sehr spät bei Freunden oder Verwandten übernachten.»

Bettina Kallenbach-Dermutz, Leiterin der Essstörungs-Ambulanz an der Berliner Charité, kann dies von ihren erwachsenen Patientinnen bestätigten. «Magersüchtige sind häufig sehr nette, anpassungsfähige und leistungsstarke Kinder gewesen. Viele haben ein hohes Gespür für die Erwartungen der Eltern, die sie unbedingt erfüllen wollen. Darüber kommt jedoch die Entwicklung der eigenen Ich-Stärke oft zu kurz», berichtet sie.

Die «Flucht» in eine Essstörung sei dann oft ein jahrelanger Rückzugsprozess: Was als Versuch der Abgrenzung und vermeintliche Selbstbestimmung beginnt, endet schlimmstenfalls in einer völlig verzerrten Selbstwahrnehmung - etwa, wenn man sich trotz schlackernder Hosen immer noch «fett» findet. Durch veränderten Stoffwechsel und Hormone gekoppelt mit - zunächst oft - positivem Echo auf die «Abnehm-Leistung» entstehe bei vielen Betroffenen für eine Weile ein Stimmungshoch, sagt Kallenbach-Dermutz. Dann trotzdem Motivation zum Kampf gegen die Krankheit zu wecken, sei sehr schwierig - «aber das A und O einer Therapie».

Deshalb nennt auch die Berliner Expertin es extrem wichtig, als Eltern frühzeitig aufzumerken. «Wer sich Sorgen macht, sollte sich unverbindlich beraten lassen und dann gegebenenfalls gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um die soziale Entwicklung des Kindes anzuregen.»

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