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Training beruhigt Zappelphilippe

Archivmeldung vom 05.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Sie sind hyperaktiv, lassen sich leicht ablenken und flippen einfach so aus: Immer mehr Kinder sind Zappelphilippe und werden - trotz aller Bedenken - medikamentös behandelt. Nun könnte ein Spezial-Training helfen.

Knapp fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland leben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mit der Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung - kurz ADHS oder Zappelphilipp-Syndrom genannt. Das heißt: Ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse sind betroffen. Am häufigsten sind die Beschwerden im Grundschulalter, jener Zeit, in der erstmals stärkere Leistungsanforderungen an Kinder gestellt werden. Auch Jugendliche leiden an ADHS, Jungen etwa viermal häufiger als Mädchen.

Die Eltern müssen nicht nur mit den Eigenarten ihrer Kinder zurechtkommen, sondern auch mit den Vorurteilen von Außenstehenden. Sätze wie «die brauchen mehr Bewegung» und «da fehlen klare Regeln und Grenzen in der Erziehung» sind an der Tagesordnung. Aus der Nähe betrachtet sieht die Sache nicht mehr so einfach aus. Oft stehen Eltern vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Sollen sie ihrem Kind Psychopharmaka geben oder nicht?

Künftig könnte es eine Alternative zur medikamentösen Therapie geben: Mit einem speziellen Training sollen krankhaft lebhafte Kinder künftig lernen, sich besser zu konzentrieren und stärker zu kontrollieren. Die Wirksamkeit dieses neuartigen Neurofeedback-Trainings sei jetzt in einer Studie nachgewiesen worden, teilt die Universitätsklinik Erlangen mit. Während der auf zwei Jahre angelegten Untersuchung hätten sich die Symptome des Zappelphilipp-Syndroms um 25 bis 30 Prozent verringert. Auch Eltern und Lehrer hätten die Wirksamkeit des speziellen Trainings gegen ADHS bestätigt.

Bei dem Neurofeedback-Training sitzen die jungen Patienten nach Angaben der Uniklinik vor einem Computerbildschirm. Ihre Gehirnströme werden über aufgeklebte Mess-Elektroden abgeleitet und steuern ein Computer-Programm. Je nach Konzentrationsgrad kann das Kind zum Beispiel mit seiner Gedankenkraft bei einem virtuellen Fußballspiel einen Elfmeter-Schuss halten oder bei einem Film das Bild klar und deutlich sehen.

«Mit diesem computergestützten Verfahren können Kinder mit ADHS selber Strategien erarbeiten, um sich besser zu konzentrieren und ihr Verhalten zu steuern», sagt der Leiter der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit am Uniklinikum Erlangen, Helmut Heinrich. Allerdings könne eine Neurofeedback-Therapie voraussichtlich nur in Einzelfällen die bisher bei ADHS übliche medikamentöse Behandlung ersetzen. Die StudieAn der Studie nahmen von 2005 bis 2007 insgesamt 102 Kinder mit ADHS im Alter von acht bis zwölf Jahren in Erlangen, Göttingen und München teil. Einige Kinder absolvierten ein Neurofeedback-Training, andere ein herkömmliches computergestütztes Aufmerksamkeitstraining. Die Trainingsprogramme umfassten 18 Doppelstunden. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. belege aber, dass Neurofeedback als weiterer Therapiebaustein zur ADHS-Behandlung betrachtet werden könne.

Es gibt kaum eine Erkrankung, die in und außerhalb der Fachwelt so umstritten ist wie ADHS. In jüngster Zeit hat ein Streit um Todesfälle durch das Medikament Strattera (Atomoxetin) das Leiden erneut in den Blickpunkt gerückt. Doch unabhängig davon, ob in Deutschland vier Kinder an den Folgen der Therapie mit Strattera gestorben sind, wie ein Fernsehsender vor ein paar Wochen behauptete, oder ein Kind, wie das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte belegte, ist kaum eine Krankheit so geeignet, Vorurteile und Weltbilder zu pflegen. Gesellschaftskritik, Medienschelte, Vorwürfe gegen die Pharmaindustrie und Unbehagen am Erziehungsstil mancher Eltern vermischen sich in der Bewertung des Leidens.

Experten bemängeln auch, dass viele Kinder behandelt werden, die nicht krank sind, sondern sich nur besonders verhalten. Aus diesem Grund ist die medikamentöse Therapie in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. 1990 wurden 300.000 Tagesdosen des ADHS-Mittels Ritalin deutschlandweit verschrieben. Das Medikament hat mit 90 Prozent den größten Anteil an der Arzneimittel-Therapie des Leidens. Im Jahr 2007 waren es 45 Millionen tägliche Dosierungen - eine 150-fache Steigerung. Von 500.000 ADHS-Diagnosen ist in Deutschland die Rede.

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