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Kurzschluss in den Nervenzellen

Archivmeldung vom 13.03.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Eine einzelne Immunzelle (rot) nimmt Kontakt auf mit einer Nervenzelle (grün) und löst dort einen "Kurzschluss" aus. Foto: Forschungsgruppe Multiple Sklerose und Neuroimmunologie
Eine einzelne Immunzelle (rot) nimmt Kontakt auf mit einer Nervenzelle (grün) und löst dort einen "Kurzschluss" aus. Foto: Forschungsgruppe Multiple Sklerose und Neuroimmunologie

Bei Krankheiten wie der Multiplen Sklerose greifen Zellen des Immunsystems Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark an. Wissenschaftlern der Universität Würzburg ist es jetzt gelungen, diesen Angriff detailliert zu beobachten und zu beschreiben.

Das Prinzip ist immer das gleiche: Zellen des Immunsystems, die eigentlich fremde Krankheitserreger bekämpfen sollten, wandern ins Gehirn und ins Rückenmark und greifen dort Nervenzellen an. Das bekannteste Beispiel für solch eine Autoimmunerkrankung ist wahrscheinlich die Multiple Sklerose. Die Immunzellen, so genannte T-Zellen, zerstören die Isolationsschicht der Nervenzellen und rufen über das gesamte Zentrale Nervensystem verstreut chronische Entzündungen hervor.

Wie die zerstörerische Arbeit dieser Zellen abläuft, konnten jetzt Professor Heinz Wiendl und Dr. Sven Meuth aus der Forschungsgruppe "Multiple Sklerose und Neuroimmunologie" der Universität Würzburg beobachten. "Es ist uns gelungen, die Interaktion zwischen einzelnen Immunzellen und isolierten Nervenzellen darzustellen und funktionell zu charakterisieren", sagt Heinz Wiendl. Dafür haben die Wissenschaftler eine spezielle Zeitraffer-Mikroskopietechnik mit zeitlich hochauflösenden elektrophysiologischen Techniken kombiniert.

Nach dem Kurzschluss kommt Erholung oder Tod

Von den Ergebnissen dieser Beobachtungen waren die Wissenschaftler selbst überrascht: "Unter den entsprechenden experimentellen Bedingungen suchen T-Zellen ihre Zielzelle und greifen sie an", erklärt Sven Meuth. Das Ergebnis: In der Nervenzelle kommt es zu einer Art elektrischem Kurzschluss; sie verliert ihre Funktion. Dann stehen zwei Möglichkeiten offen: Entweder die Zelle erholt sich von diesem Angriff und nimmt ihre Arbeit wieder regulär auf. Oder sie stirbt.

Verantwortlich dafür sind zwei Substanzen, die die T-Zellen bei ihrem Angriff freisetzen: Das Molekül Perforin, das einen Anstieg von Kalzium-Ionen in den Nervenzellen bewirkt und damit die elektrischen Eigenschaften der Zellen verändert. Und das Enzym Granzym B, das einen wesentlichen Beitrag zum Tod der Nervenzellen zu leisten scheint.

Reaktion schon nach wenigen Sekunden

"Mit dieser Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, wie T-Zellen Nervenzellen im Zentralen Nervensystem aufsuchen, erkennen und mit ihnen interagieren", sagt Heinz Wiendl. Neu und überraschend sei dabei die Erkenntnis gewesen, dass Nervenzellen schon sehr kurzfristig, also wenige Sekunden nach dem Kontakt mit den T-Zellen, elektrisch "stillgelegt" werden, was Konsequenzen sowohl für die einzelne Zelle als auch das gesamte Netzwerk mit sich bringt.

Kernbefunde der Arbeiten stammen von Alexander Herrmann und Ole Simon, die sich im Rahmen ihrer Promotionen in die neuen Techniken eingearbeitet haben. Zudem bestanden Kooperationen mit den Physiologischen Instituten der Universitäten Münster und Magdeburg sowie mit der Charité Berlin. Die Forschungsarbeiten wurden gefördert vom Würzburger Sonderforschungsbereich 581 sowie dem Interdisziplinären Zentrum für klinische Forschung (IZKF) des Universitätsklinikums.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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