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Achromatopsie: Die Welt ohne Farben sehen und erleben

Archivmeldung vom 04.02.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Wie Hochrechnungen zeigen, leben in Deutschland etwa 3.000 Menschen mit der sehr seltenen Krankheit Achromatopsie. Bei den an Farbenblindheit leidenden Personen helfen weder Brillen noch Kontaktlinsen, die Welt wieder bunt erscheinen zu lassen

Nils hat braune Haare, braune Augen, er trägt mittelblaue Jeans und ein hellblaues T-Shirt. Doch im Spiegel sieht der Fünfjährige sich nur in Grau. Seit seiner Geburt lebt der aufgeweckte und fröhliche Junge aus dem westfälischen Dorsten in einer Welt in Schwarz-Weiß. Farben kennt er nur vom Hörensagen. Denn Nils leidet unter der sehr seltenen Erbkrankheit Achromatopsie.

Laut Hochrechnungen leben etwa 3000 Menschen bundesweit mit dem Gendefekt. "Fälschlicherweise bezeichnen viele Menschen Sehstörungen wie die
Rot-Grün-Schwäche als Farbenblindheit“, sagt Nils’ Vater Olav Hagemann. "Das ist aber eigentlich falsch, da hier nur gewisse Farben nicht wahrgenommen werden.“ Für Achromaten ist dies jedoch Realität.

Sie sind gänzlich und im wahrsten Sinne des Wortes farbenblind: Die zur Wahrnehmung benötigten Sinneszellen auf der Netzhaut, die sogenannten Zapfen, funktionieren nicht. Lediglich die Sinneszellen für das Sehen im Dunkeln, die Stäbchen, stehen zur Verfügung. Daher sind Achromaten nicht nur farbenblind, sondern auch überempfindlich gegen Licht. Ihre Augen können sich nicht an helle Lichtverhältnisse anpassen und arbeiten immer im "Nachtmodus“.

Bei Dunkelheit werden nach dem Willen der Evolution nur Schemen wahrgenommen, um Gefahren schnell zu erkennen. Die Sehstärke ist bei diesem Gendefekt daher stark reduziert. "Sie entspricht nur rund zehn Prozent von der eines Normalsichtigen“, erläutert Hagemann. Er rief 2005 in Dorsten eine der ersten Achromatopsie-Selbsthilfegruppe ins Leben. 80 Mitglieder sind hier organisiert, davon 31 Betroffene.

"Als Nils knapp drei Monate alt war, sind wir erstmals auf seine Erkrankung aufmerksam geworden“, erinnert sich der Vater. Indiz war das auffällige Augenzittern, mit dem das Auge versuchte, die Sehschwäche auszugleichen.

Nach dem Verdacht einer Augenärztin brachte ein Gentest an der Uni-Klinik kurze Zeit später Gewissheit. Dass die Krankheit so früh entdeckt wurde, sieht der Vater als Glücksfall. "So konnten wir ihn auch mit Hilfe von Pädagogen für
Sehbehinderungen von frühester Kindheit an gezielt fördern.“

Buntstifte werden etwa mit Symbolen markiert. Dank solcher Hilfen kann Nils heute in vielen Situationen die Sehbehinderung mit seinen anderen Sinnen und seinem ausgezeichneten Gedächtnis ausgleichen. "Bisweilen vergisst man die Krankheit sogar“, schildert der Vater. "Nur bei Fragen, wie "Kann ich noch ein Stück rote Schokolade haben?“merken wir wieder, was er nicht sehen kann.“

Brillen oder Kontaktlinsen können die eingeschränkte Sehfähigkeit durch Achromatopsie um keinen Deut verbessern. Trotzdem sind die Betroffenen im Alltag auf Spezial-Brillen mit zumeist roten Gläsern angewiesen. Gewöhnliche Sonnenbrillen können die Blendung nicht abhalten. Auch Fernsehen, Kino und viele Computerspiele sind nichts für Achromaten, da sie die Augen mehr blenden als unterhalten. "Genaue Zahlen sucht man leider vergebens, da vielen Betroffenen gar nicht bewusst ist, dass sie unter Achromatopsie leiden“, sagt
Hagemann.

So ging es etwa Marlies Lankes aus Schermbeck in Nordrhein-Westfalen. Erst vor drei Jahren diagnostizierte eine Augenärztin bei der 61-Jährigen Achromatopsie. "Damals hatte ich einen Artikel über die Krankheit gelesen und mich in den Beschreibungen wiedererkannt“, erinnert sie sich heute. "Die Jahre davor waren wie ein Martyrium. Niemand wusste, was ich habe - weder niedergelassene Ärzte noch Mediziner von der Uni-Klinik.“

"Da die Krankheit nur extrem selten vorkommt, ist vielen Farbenblinden gar nicht bewusst, dass sie von dem Gendefekt betroffen sind“, sagte Barbara Schaperdoth-Gerlings, Oberärztin an der Essener Sehbehinderten Ambulanz.

Auch sei die Krankheit aufgrund ihrer Seltenheit für Ärzte nur sehr schwierig zu diagnostizieren.

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