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Mittelbayerische Zeitung: Auf der langen Bank

Archivmeldung vom 17.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Aus der Zeit, als in Regensburg der Immerwährende Reichstag abgehalten wurde, stammt eine bekannte Redewendung: Etwas auf die lange Bank schieben. Die Überlieferung sagt, dass Gesandte im Reichssaal während des Entscheidungsprozesses auf der "Langen Bank" warten mussten - auf Sitztruhen, in denen sie ihre Akten verstauen und schließlich auch vergessen konnten. Auf die lange Bank wird auch die Reform des Pflegesystems geschoben, das seit geraumer Zeit nicht mehr nur bröckelt, sondern aufgrund schwerwiegender Defizite inzwischen einer veritablen Generalsanierung bedarf.

Eine solche hatte sich die schwarz-gelbe Bundesregierung im "Jahr der Pflege 2011" vorgenommen. Und es scheint, als hätte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auch einige der Akten, die seit Jahren in den Sitztruhen der langen Bank verstaut sind, nun hervor geholt. Ob der Tragweite der Herausforderungen sei ihm verziehen, dass er die daraus geformten Eckpunkte nicht wie geplant bereits im Sommer präsentiert hat. Nicht aber, dass er dem Kabinett nun Vorschläge unterbreitet, die über Schönheitskorrekturen kaum hinausgehen. Zwar verspricht Bahr Verbesserungen für die 1,4 Millionen Demenzkranken, etwa durch alternative Wohnformen und Betreuungspauschalen, mehr Hilfe für pflegende Angehörige, mehr Flexibilität bei der Abrechnung von Pflegeleistungen und eine Abkehr vom Konzept der "Minutenpflege" - und das, bevor die Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung in Kraft tritt. Doch wie hat sich der Minister all das vorgestellt? Wie soll die Ausweitung der Leistungen vor der Beitragserhöhung finanziert werden, wenn heute schon ein Riesenloch in der Pflegekasse klafft? Wann will Bahr den Begriff von Pflegebedürftigkeit neu definieren und somit die Basis für die Leistungen für Demente legen? Wie lange sollen Pflegebedürftige, Angehörige, Träger von Pflegeheimen, ambulante Dienste und Beschäftigte der Branche denn noch darauf warten, dass die seit Jahren bekannten Probleme endlich gelöst werden? Eine Reform mit Konzept sieht anders aus. Natürlich kann der Bundesgesundheitsminister nichts an der demografischen Entwicklung ändern und an der Tatsache, dass es immer mehr Menschen gibt, die auf Leistungen aus der Pflegeversicherung angewiesen sind. Allerdings gäbe es eine Möglichkeit, die Beitragsbasis und somit die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu vermehren. Und das nicht, in dem man - wie von Bahr beabsichtigt - früher oder später die private Vorsorge für den Pflegefall zur Pflicht macht, sondern durch eine solidarische Bürgerversicherung, in die jeder einzahlt - egal, ob Beamter, Selbstständiger oder Besserverdienender. Dann würden diejenigen, die keine Alternative zum Pflegeheim haben, in Zukunft vielleicht nicht mehr vor einem Kostenberg stehen, den die Pflegekasse kaum abdecken kann. Zudem würde "das Konzept der Minutenpflege" verschwinden - das niemals erklärtes Konzept war, sondern aus dem Mangel an Geld, Zeit und Personal entstand. Sollte sich Bahr doch zu einer umfassenden Pflegereform durchringen, die auch den Fachkräftemangel und die nachhaltige sowie solidarische Sicherung der Finanzen beinhaltet, muss er nur einen genauen Blick auf die von Pflegegipfeln und vom Pflegebeirat der Vorgängerregierung erarbeiteten Unterlagen werfen, die seit Jahren in den Sitztruhen liegen und damit beginnen, sie umzusetzen. Eine weitere Vertagung des Problems und Symbolpolitik, die den Betroffenen Abhilfe vorgaukelt, ist der Größe der Herausforderung nicht angemessen.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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