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Forscher der Universität Zürich entdecken neue Hominidenart

Archivmeldung vom 09.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Schädelrekonstruktion (im Hintergrund) und Originalschädel von MH1.
Schädelrekonstruktion (im Hintergrund) und Originalschädel von MH1.

Ein internationales Team mit Forschern der Universität Zürich schreibt an der Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Die Forschenden haben in Südafrika eine neue Hominidenart entdeckt. Die rund 1,9 Millionen Jahre alten Fossilien zeigen Merkmale sowohl der Gattung Australopithecus als auch der Gattung Homo. Die neue Hominidenart Australopithecus sediba könnte deshalb auch eine Ahnenform des Homo sein. Die bisher unbekannte Übergangsform, die in der neuesten Ausgabe von "Science" vorgestellt wird, liefert neue Erkenntnisse für den Stammbaum des Menschen.

Am 15. August 2008 fand Matthew Berger, der kleine Sohn des Paläoanthropologen Lee Berger, in Südafrika das Fragment eines menschenartigen Schlüsselbeins. Als erstes Grabungsteam konnte die Swiss Fieldschool des Anthropologischen Instituts der Universität Zürich unter der Leitung von Peter Schmid die neue Fundstelle Malapa nördlich von Johannesburg bearbeiten. Das Zürcher Grabungsteam hat inzwischen mehr als 180 Elemente von mindestens vier Individuen eines bisher unbekannten, möglichen Vorfahren des Menschen gefunden.

Peter Schmid und seine Forscherkollegen der University of the Witwatersrand, der Texas A&M University, der Duke University und der James Cook University haben jetzt in der neuesten Ausgabe von "Science" zwei Typen beschrieben. Das jugendliche Individuum besteht aus einem Schädelfragment, einem Unterkieferfragment, sowie einem Teilskelett. Das erwachsene Individuum umfasst Einzelzähne, Unterkieferfragmente und ein Teilskelett. "Diese Skelette sind besser erhalten und vollständiger als diejenigen der bekannten Lucy" stellt Peter Schmid vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich fest.

Australopithecus sediba

"Die Fossilien sind zwischen 1,78 und 1,95 Millionen Jahre alt", so Peter Schmid weiter. Die Funde passen zu keiner bisher bekannten Hominidenart - sie bilden deshalb einen neuen Meilenstein in der Geschichte der Menschheit. Aufgrund des Alters und der Morphologie ordnen die Forscher die neue Hominidenart vorsichtigerweise der Gattung Australopithecus zu. Sie gaben ihr den Namen Australopithecus sediba, was in der seSotho-Sprache "Brunnen" oder "Quelle" bedeutet. Die Australopithecinen umfassen verschiedene Arten wie beispielsweise den Australopithecus africanus, den Australopithecus afarensis oder den Australopithecus garhi. Sie sind vor gut 4 Millionen Jahren aufgetaucht und vor circa 1,4 bis 1,5 Millionen Jahren ausgestorben. Sie kommen nur auf dem afrikanischen Kontinent vor und aus ihnen entwickelte sich die Gattung Homo und damit der Homo sapiens.

Kleiner Schädel mit Ähnlichkeiten zum Homo

Wie Peter Schmid und seine Kollegen in "Science" schreiben, besitzt die neue Hominidenart einen relativ kleinen Schädel - ein typisches Merkmal des Australopithecus. Die Schädelkapazität umfasst nur 420 Kubikzentimeter und ist deutlich kleiner als beim Australopithecus africanus mit durchschnittlich 480 Kubikzentimetern.

Der Gesichtsumriss unterscheidet sich hingegen vom Australopithecus africanus durch weniger ausgedehnte Jochbeine und eine schräg nach unten verlaufende Kontur des Oberkiefers. Der Unterkiefer lässt ein stark fliehendes Kinn vermissen und der Eckzahn ist eher schmal und klein. Der Schultergürtel entspricht wiederum dem typischen Australopithecus-Muster: Das Gelenk des Schulterblatts ist deutlich nach oben gerichtet und die Achselkante ist sehr kräftig. Die Gelenksenden des Oberarms sind massiv. Die Unterarmknochen sind affenähnlich lang. Die Fingerknochen sind robust, gebogen und besitzen starke Ansatzstellen für die Sehnen der Beugemuskeln, was auf kräftige Kletterhände deutet.

Zahlreiche Merkmale des Oberschenkels, des Kniegelenks und des Sprunggelenks lassen vermuten, dass Australopithecus sediba sich ähnlich bewegte wie die übrigen Australopithecinen. Das Sprunggelenk und das Fersenbein sind so geformt, dass der Fuss vermehrt nach innen gedreht werden konnte, was für das Klettern von Vorteil ist. Der Hominide konnte aber auch aufrecht am Boden auf zwei Beinen gehen. Die Beinknochen scheinen allerdings länger zu sein als bei den Australopithecinen.

Eine Übergangsform

"Der gesamte Körperbau entspricht demjenigen eines Menschenartigen der australopithecinen Anpassungsstufe", erklärt Peter Schmid. Er nimmt an, dass der Australopithecus sediba ein Nachfahre des Australopithecus africanus ist. Einige Eigenheiten des Bewegungsapparates lassen hingegen den Schluss zu, dass diese neue Art mehr spezielle Züge der früheren Vertreter der Gattung Homo aufweist als alle anderen Australopithecus-Arten. So entspricht das Becken viel eher demjenigen des Homo. Zudem zeigt der Malapa-Schädel einige Ähnlichkeiten mit dem Homo erectus.

Bis heute fehlt eine gesicherte Verbindung zwischen den Gattungen Australopithecus und Homo. "Unsere Hominidenart könnte eine Ahnenform der Gattung Homo sein", sagt Peter Schmid. Möglich ist ebenfalls, dass er ein enger Verwandter einer solchen Ahnenform ist, die noch einige Zeit neben den ersten Vertretern der Gattung Homo existierte. Die Skelette aus Malapa zeigen auf jeden Fall eine Übergangsform eines Hominiden, der klein gewachsen ist und mehr in den Bäumen lebt, zu einem möglicherweise am Boden lebenden Zweibeiner, wie zum Beispiel dem Homo erectus. "Die neue Hominidenform erfordert eine Neudefinition der Gattung Homo und die Lehrbücher müssen neu geschrieben werden", erklärt Peter Schmid.

Quelle: Universität Zürich

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