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Einzel-Zellen gesucht

Archivmeldung vom 27.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gefangene Hefezelle: Auf einem speziellen Mikrochip erzeugen vier Elektroden ein elektromagnetisches Feld, aus dem die Zelle nicht entweichen kann. Foto: Hendrik Kortmann/ISAS
Gefangene Hefezelle: Auf einem speziellen Mikrochip erzeugen vier Elektroden ein elektromagnetisches Feld, aus dem die Zelle nicht entweichen kann. Foto: Hendrik Kortmann/ISAS

Auch Zellen sind Individuen. Wahrscheinlich jedenfalls, denn eindeutig beweisen lässt sich das noch nicht, einzeln sind die kleinsten Lebensbausteine nämlich nur schwer zu erwischen.

Bisher waren Aussagen über die Funktionsweise von Zellen rein statistischer Natur, doch Wissenschaftler vom ISAS - Institute for Analytical Sciences und von der Universität Dortmund wollen das jetzt ändern: In einem gemeinsamen Projekt mit dem Namen ICA begeben sie sich auf die Suche nach der individuellen "Persönlichkeit" von Zellen.

Auf die Spur der spezifischen Zell-Eigenheiten sollen zwei sehr unterschiedliche Zellarten führen. Die erste ist ganz einfach zu beschaffen, es gibt sie kostengünstig in Form von ganz normaler Backhefe in jedem Supermarkt zu kaufen:

Hefezellen. Nachdem es einer Arbeitsgruppe vom ISAS bereits gelungen ist, einzelne von ihnen mit Hilfe eines Mikrochips einzufangen, will Andreas Schmid von der Uni Dortmund nun herausfinden, ob die Winzlinge auf gleiche Bedingungen unterschiedlich reagieren, etwa wenn ein Nährstoff zugeführt oder die Temperatur erhöht wird. "Wenn es einen Unterschied zwischen zwei Zellen der gleichen Art gibt, zeigt er sich im Stoffwechsel", erklärt der Professor für Biotechnik. "Die Hefezellen sind dabei für uns mustergültige Studienobjekte, denn durch ihre sehr simple Struktur lässt sich der Stoffwechsel verhältnismäßig leicht untersuchen."

Es ist jedoch nicht die reine wissenschaftliche Neugier, die die Forscher antreibt. Zellen sind Minifabriken, das heißt sie können ganz von selbst - ohne teure Apparaturen - Wert- oder Wirkstoffe erzeugen, Stichwort Weiße Biotechnologie. Im Fall der Hefezellen ist es Ethanol, und das ist nicht nur für die Wissenschaft interessant, sondern auch für die Lieferanten erneuerbarer Energien. Denn der durch natürliche Prozesse gewonnene Alkohol, auch Bioethanol genannt, gilt als Kraftstoff der Zukunft. Wenn die Wissenschaftler also feststellen, dass aufgrund genetischer Unterschiede Hefezelle A mehr oder schneller Ethanol produzieren kann, als Hefezelle B, dann könnten in Zukunft nur noch Zellen mit den "richtigen" Genen zur Rohstoffgewinnung eingesetzt werden. "Das ist unser eigentliches Ziel", unterstreicht Andreas Schmid, "wir wollen die Produktion von Wert- oder Wirkstoffen effizienter und kostengünstiger machen."

Zunächst jedoch müssen die an ICA beteiligten Ingenieure, Biologen, Chemiker und Physiker geeignete Geräte und Techniken zum behutsamen Einfangen und Analysieren der Zellen entwickeln. Denn die empfindlichen Winzlinge sollen gar nicht merken, dass sie unter Beobachtung stehen, das heißt, sie dürfen nicht ge- oder gar zerstört werden. Ist das gelungen, machen sich die Bioinformatiker von der Uni Dortmund ans Werk. Sie haben die schwierige Aufgabe, aus der Unmenge von gemessenen Einzeldaten die relevanten herauszufiltern und charakteristische Größen zu identifizieren, um damit schließlich die zugrunde liegenden Prozesse deutlich zu machen.

Nach erfolgreichem Hefezellen-Eignungstest sollen die neu entwickelten Verfahren bei komplexeren Zellarten wie pflanzlichen oder menschlichen Zellen zum Einsatz kommen. So auch bei der zweiten im Projekt verwendeten Zellart, den Darmkrebszellen. Das ISAS besitzt einen Stamm davon; der Aufbau der Zellen ist jedoch komplizierter, das Einfangen einzelner Zellen wird schwieriger sein. Und zuvor müssen die Wissenschaftler eine fast noch kniffligere Aufgabe lösen: Die Zellkulturen müssen synchronisiert werden, das heißt, alle zu untersuchenden Zellen sollen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im gleichen Stadium befinden. Denn nur so lässt sich herausfinden, ob die Krebszellen in ihren Stoffwechselvorgängen sogenannte Biomarker produzieren. Das sind bestimmte Substanzen, mit deren Hilfe sich der Krebs beim Menschen diagnostizieren lassen könnte. "Wenn wir wirklich eindeutige Biomarker finden, könnte in Zukunft ein wenig Blutserum aus der möglicherweise betroffenen Körperregion für eine zuverlässige Diagnose schon reichen", erläutert Projektkoordinator Roland Hergenröder vom ISAS.

Doch egal ob effizientere Herstellung von Wirkstoffen oder einfachere Krebsdiagnose per Biomarker, das alles ist noch absolute Zukunftsmusik. "Bis dahin wird es noch einige Jahre dauern, denn was wir jetzt machen, ist reine Grundlagenforschung", hebt Hergenröder hervor. Die Hefe- und Krebszellen werden dabei stellvertretend für andere Zellen verwendet. "Wir wollen an ihnen testen, ob es grundsätzlich möglich ist, einzelne Zellen zu fangen und zuverlässig zu untersuchen."

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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