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Quanten-Spinflüssigkeit simuliert - Neuer Ansatz für Supraleiter?

Archivmeldung vom 09.04.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.04.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Flach und wabenförmig muss die Gitterstruktur, an der die Simulation einer so genannten Spinflüssigkeit gelungen ist. Darin nehmen die Elektronen einen dynamischen Zustand ohne jegliche Ordnung ein. (Abbildung: Thomas Lang)
Flach und wabenförmig muss die Gitterstruktur, an der die Simulation einer so genannten Spinflüssigkeit gelungen ist. Darin nehmen die Elektronen einen dynamischen Zustand ohne jegliche Ordnung ein. (Abbildung: Thomas Lang)

Elektronen in einer wabenförmigen Kristallstruktur können einen exotischen Zustand der Materie annehmen, den Physiker als "Quanten-Spinflüssigkeit" bezeichnen. Deren Besonderheit besteht darin, dass ihre Elektronen bis zum absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius ungeordnet bleiben, weil die sonst übliche Tendenz zur Ordnung selbst bei diesen Minusgraden durch die Fluktuationen der Elektronen (Quantenfluktuationen) unterbunden wird.

Um das zu erreichen, müssen die Quantenfluktuationen stark genug sein, was in der Natur sehr selten und in Modellen typischerweise kaum realisierbar ist. Zi Yang Meng, Dr. Stefan Wessel und Prof. Alejandro Muramatsu vom Institut für Theoretische Physik III der Uni Stuttgart ist es nun zusammen mit Ihren Würzburger Kollegen Thomas Lang und Prof. Fakher Assaad gelungen, das Auftreten einer Quanten-Spinflüssigkeit in einem realitätsnahen Modell aufzuzeigen - mit einer aufwendigen Simulationsrechnung, die sowohl die gegenseitige Abstoßung der Elektronen als auch ihre Quantenfluktuationen effizient erfasst. Über die Arbeit berichtete die Zeitschrift "Nature" in ihrer Ausgabe vom 8. April.

Elektronen in einem Kristall treten in unterschiedlichen Zuständen auf. In vielen Fällen entscheidet die Kristallstruktur, ob das Material zum Beispiel ein Metall mit einer elektrischen Leitfähigkeit ist oder ein Isolator, der keinen elektrischen Strom trägt. Es gibt jedoch isolierende Materialien, in denen aufgrund der Kristallstruktur eigentlich metallisches Verhalten zu erwarten wäre. In solchen so genannten "Mott-Isolatoren" unterdrückt die gegenseitige Abstoßung der Elektronen das metallische Verhalten, und die Elektronen sitzen regelrecht an den Atomen fest. Diese lokalisierten Elektronen neigen dazu, bei sinkenden Temperaturen geordnete Zustände anzunehmen, wie etwa magnetisch geordnete Strukturen. Bei einer "Quanten-Spinflüssigkeit" hingegen handelt es sich um einen nicht-magnetischen Mott-Isolator, der durch Effekte der Quantenmechanik stabilisiert wird.

Die von den Wissenschaftlern gefundene Quanten-Spinflüssigkeit lässt sich in Materialen erzeugen, in denen die Atome in einer Ebene das Muster einer Honigwabe bilden. Genau diese Struktur zeigt zum Beispiel Graphen, ein zweidimensionales Material aus Kohlenstoffatomen, das erst seit wenigen Jahren hergestellt und seitdem intensiv erforscht wird. Gelänge es, in einer solchen Gitterstruktur die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen gezielt zu erhöhen, ließe sich der Zustand einer Quanten-Spinflüssigkeit schaffen. Dass dies in Graphen gelingen kann, erscheint jedoch fraglich. Daher schlagen die Stuttgarter und Würzburger Physiker einen anderen Weg vor, etwa Schichten aus Elementen der vierten Hauptgruppe mit einer höheren elektronischen Wechselwirkung. Als ersten Schritt in diese Richtung war es Chemikern gelungen, graphen-artige Strukturen aus Silizium-Atomen zu synthetisieren. Weiterhin sollte sich die Quanten-Spinflüssigkeit mit ultra-kalten Atomen realisieren lassen. Denn das von den Theoretikern untersuchte Modell beschreibt neben Elektronen im Festkörper auch das Verhalten von ultra-kalten Atomen in optischen Gittern. In diesem neuen Forschungsfeld wurden in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, die hoffen lassen, dass sich auch die Quanten-Spinflüssigkeit mit ultra-kalten Atomen realisieren lässt. Interessant ist diese auch deshalb, weil sie ein möglicher Ausgangspunkt für einen so genannten Supraleiter sein kann: Elektrischer Strom würde dann ganz ohne Widerstand und damit verlustfrei durch das Material fließen. Anwenden könnte man das zum Beispiel für superschnelle Computerchips oder verlustfreie Stromversorgungsnetze.

In Ihrer Grundlagenforschung untersuchen die Stuttgarter und Würzburger Theoretiker komplexe Zustände von Quanten-Vielteilchensystemen in Festkörpern. Die Quanten-Spinflüssigkeit fanden sie bei der Erforschung des Überganges zwischen den Zuständen "Metall" und "Mott-Isolator" in einem theoretischen Modell für Graphene. In der Nähe solcher Übergänge, so fanden die Forscher, sind die Quantenfluktuationen so stark, dass die magnetische Ordnung unterdrückt wird. Auch andere elektronische Ordnungen konnten die Physiker durch systematische Analysen ausschließen. Die dazu notwendigen Berechnungen erfordern den Einsatz moderner Supercomputer. Hier profitierten die Physiker von der Effizienz der Hochleistungsrechenzentren in Stuttgart, Jülich und München. Für die Zukunft erhoffen sich die Wissenschaftler von der Simulation, neue Materialen mit exotischen Zuständen wie die Quanten-Spinflüssigkeit auch gezielt designen zu können.

Die Untersuchungen fügen sich eng in das Forschungsumfeld beider Universitäten ein. So wird an der Uni Stuttgart innerhalb des Sonderforschungsbereichs SFB/TRR 21 "Controll of Quantum Correlations in Tailored Matter" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gezielt an der Realisierung maßgeschneiderter Quantenmaterie geforscht. Der Sprecher dieses SFBs ist Prof. Tilmann Pfau von der Uni Stuttgart. Komplexe elektronische Zustände stehen auch im Zentrum der neu gegründeten Würzburger DFG-Forschergruppe "Electron Correlation-Induced Phenomena in Surfaces and Interfaces with Tuneable Interactions", deren Sprecher der Würzburger Prof. Ralph Claessen ist.

Quelle: Universität Stuttgart

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