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Das AWD-Sparschwein vor Gericht

Archivmeldung vom 22.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Das AWD-Sparschwein war alles andere als sicher. Bild: VKI Wien
Das AWD-Sparschwein war alles andere als sicher. Bild: VKI Wien

Handelsgericht Wien. Saal 708. 12 Uhr. Prozeßauftakt gegen den angeschlagenen Allgemeinen Wirtschaftsdienst (AWD, 11.000 Berater) aus Hannover in Niedersachsen. 2.500 AWD-Kunden wollen 30 Millionen Euro wiederhaben, die sie in das angeblich sichere AWD-Sparschwein gesteckt hatten.

Es geht dabei um den Kauf von Aktien der größten österreichischen Immobiliengesellschaft Immofinanz. Der AWD pries die Aktien als "so sicher wie ein Sparbuch" an. Als die Aktien dramatisch fielen, wurde den AWD-Kunden geraten, diese weiter zu behalten. Mit Riesenverlusten. Der Vorwurf: eine klassische Fehlberatung. Der AWD wehrt sich gegen die Vorwürfe. Gesprächsnotizen würden belegen, dass die AWD-Berater ihre Kunden sehr wohl auf die Risiken bei einem Kauf von Immofinanz-Papieren hingewiesen hätten.

Der österreichischen Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums und mit Hilfe des Prozessfinanzierers FORIS zunächst für den heutigen Tag - sozusagen als Auftakt - eine 30.000 Euro teure Sammelklage für erst einmal 125 Geschädigten am heutige Tag (22. Oktober 2009) angestrengt. 125 Einzelklagen hätten bei einem Schaden von zwei Millionen Euro mindestens 150.000 Euro gekostet. Das Wiener Gericht muss zunächst klären, ob die Form der Sammelklage überhaupt zulässig ist. Der AWD hatte in der Vergangenheit stets darauf bestanden, alle Fälle einzeln zu klären und die Rechtmäßigkeit der Sammelklage infrage gestellt. Richter Oskar Straßegger beschloss nach zwei Stunden Verhandlungt, er werde darüber schriftlich befinden.


In der Klagebeantwortung habe der AWD "über weite Strecken nicht zu den einzelnen Fällen Stellung genommen, sondern die Sammelklage bekämpft", sagt VKI-Chefjurist Peter Kolba. "Wir wollen dem Gericht hier nicht vorgreifen und beabsichtigen auch nicht, dem Gericht über die Medien auszurichten, wie es diese Causa zu sehen hat", hieß es von Seiten des AWD.

Entscheidet Richter Straßegger im Sinne des VKI, wird er wahrscheinlich als zweiten Punkt das Prozessprogramm festlegen. Dieses bestimmt, wann die nächste Verhandlung stattfindet und welche Zeugen geladen werden. Wenn die Sammelklage nicht zugelassen werde, werde eine gerichtliche Klärung aller Fälle verunmöglicht, sagte Kolba nach der zweistündigen Verhandlung. Im Falle der Ablehnung der Sammelklage, drohte der VKI dem Gericht indirekt mit einer Amtshaftungsklage, falls die Entscheidung über die Zulässigkeit der Sammelklage unanfechtbar sein sollte.

Außerdem könne nur mit einer Sammelklage sichergestellt werden, dass die "Fülle" an Beweisen, die den Vorwurf der "systematischen Fehlberatung" stützen sollen, zentral von einem Richter aufgenommen, von einem Sachverständigen überprüft und in einem "konsistenten Urteil" bewertet werden. Die zehn ehemaligen AWD-Berater und ein Ex-Mitarbeiter, die der VKI als Zeugen vorbringen will, "wird man doch nicht im Ernst 2.500 mal aussagen lassen wollen", so der VKI. AWD dazu: Bei der Verhandlung werde der VKI "nicht darum herumkommen, die Vorwürfe jedes einzelnen Klägers wie von der österreichischen Zivilprozessordnung vorgesehen, einzeln zu argumentieren."

Zehn Ex-AWD-Mitarbeiter als Zeugen

Im Laufe des Prozesses wollen die Konsumentenschützer ihre Vorwürfe mit Zeugenaussagen von zehn ehemaligen AWD-Beratern untermauern, teilte der VKI dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net mit. Der VKI beschuldigt den AWD, Immofinanz-Papiere an Personen, die mit dem Thema Veranlagung wenig Erfahrung haben, als mündelsicher und "so sicher wie ein Sparbuch" verkauft zu haben.

Die Berater sollen ihren Kunden empfohlen haben, ihr für die Veranlagung verfügbares Geld zur Gänze oder in erheblichem Ausmaß in Immofinanz-Aktien zu investieren. Weiters hätten die AWD-Mitarbeiter argumentiert, es könne keine Vermögensverluste geben, da Immobilien nicht an Wert verlieren können, so der VKI. Nach dem Einbruch des Immofinanz-Kurses hätten die Berater ihren Kunden zum Halten der Aktien geraten, so ein weiterer Vorwurf. Die Verbraucherschützer sprechen von einer "systematischen Fehlberatung".

VKI: AWD wollte sich in Verjährung retten

Der VKI erklärt sich die Ablehnung der Sammelklage durch den AWD folgendermaßen: "Da Einzelklagen nicht finanzierbar sind, käme der AWD um eine gerichtliche Prüfung der Vorwürfe der systematischen Fehlberatung und um Schadenersatz in der Masse der Beschwerde herum." Der Finanzdienstleister habe sich in die Verjährung der Forderungen retten wollen, so der VKI.

Der AWD findet es wiederum "bedauerlich, dass der VKI eine rasche gemeinsame Lösung unter Prüfung jedes einzelnen Falles ablehnte".

Der VKI argumentiert, dass nur mit einer Sammelklage sichergestellt werden könne, dass die "Fülle" an Beweisen, die den Vorwurf der "systematischen Fehlberatung" stützen sollen, zentral von einem Richter aufgenommen, von einem Sachverständigen überprüft und in einem "konsistenten Urteil" bewertet werden. Die zehn ehemaligen AWD-Berater und ein Ex-Mitarbeiter, die der VKI als Zeugen vorbringen will, "wird man doch nicht im ernst 2.500 mal aussagen lassen wollen", so der VKI. AWD dazu: Bei der Verhandlung werde der VKI "nicht darum herumkommen, die Vorwürfe jedes einzelnen Klägers wie von der österreichischen Zivilprozessordnung vorgesehen, einzeln zu argumentieren."

Die Anklageschrift umfasst 34 Seiten

Auf 34 Seiten wird im Schriftsatz ausgeführt, warum. Wir lassen Sie mitlesen. VKI-Chefjurist Peter Kolba schreibt zur Begründung einer Sammelklage und zum Tatvorwurf der Falschberatung:

So viele Beschwerden wie noch nie

Argument Nummer eins ist schlicht die ­Anzahl der Konsumentenbeschwerden. Zum Vergleich: 2004 hatten sich – ebenfalls in einer AWD-Angelegenheit, die mittlerweile außergerichtlich beigelegt worden ist – 450 Konsumenten gemeldet, im Fall AMIS waren im Jahr 2006 etwa 200 Konsumentenbeschwerden zu verzeichnen, im Zusammenhang mit der Vermittlung von MEL-Zertifikaten waren es 280 Fälle. Die Ver­mittlung von Immofinanz- und Immoeast-Aktien durch den AWD führte hingegen zu über 7.000 Beschwerden beim VKI. Und ­eine Auswertung zeigte: Es ging nicht um einige wenige schwarze Schafe unter den Beratern, die Beschwerdefälle betreffen ­etwa 1.700(!) verschiedene AWD-Berater. Eine Analyse der Beschwerdefälle durch das SORA-Institut bestätigt im Übrigen das Vorliegen von „statistisch überzufällig häufigen“ Beratungsmängeln und dass den ­Anlegerinnen und Anlegern offensichtlich nicht bewusst war, welche Art von Anlagen ihnen verkauft worden waren.

Immobilienaktien als Schwerpunkt

AWD-Unterlagen führen zu der Annahme, dass der Verkauf von Immobilienaktien ganz gezielt (und ohne Berücksichtigung der Anlegerbedürfnisse) forciert wurde. Die damit getä­tigten Umsätze waren auch ein wichtiger Faktor für die AWD-Bilanzen. Interessant: Neben den Abschlussprovisionen für den Vertrieb (die zum größten Teil den AWD-Beratern und Beraterinnen zu kamen) erhielt der „unabhängige Finanzoptimierer“ AWD nicht unerhebliche Bestandsprovisionen. Gegenüber den Kunden wurde dieser Umstand nie offen gelegt. Daraus lässt sich schließen: Es war gemeinsames Ziel von Immofinanz, Immoeast, Constantia Privatbank (als ­Depotbank) und des AWD, dass möglichst viele Aktien verkauft und dann gehalten wurden. Es war also nicht Absicht des AWD, dass Kunden Gewinne realisieren, und schon gar nicht, dass Kunden Aktien bei sinkenden Kursen verkaufen."

In einem zweiten Prozess in Wien geht es um einen AWD-Berater, der Kundenunterschriften gefälscht haben soll

In einem anderen Fall muss sich heute ein einzelner AWD-Berater vor Gericht verantworten. Laut "News" brachte ein Kunde wegen Fehlberatung Klage ein und soll im Verfahren entdeckt haben, dass der Berater seine Unterschrift im Anlegerprofil gefälscht hat. Derselbe Berater habe dann 15.000 Euro geboten, um nicht aufzufliegen.

AWD zufolge handelt es sich bei dem Berater, dem heute der Prozess gemacht wird, um einen "Einzelfall". Der Mann habe das Gesprächsprotokoll im Nachhinein angefertigt und die Kunden-Unterschrift gefälscht. Inhaltlich hätten die Protokolle der "Wahrheit" entsprochen, hieß es bei AWD auf APA-Anfrage. Der Berater habe dann im heurigen Frühjahr bei der Staatsanwaltschaft in Salzburg Selbstanzeige erstattet. Etwa zur selben Zeit habe sich der Kunde auch über die Kursverluste beschwert. Die 15.000 Euro habe der Berater dem Kunden als "Kompensationszahlung" für die krisenbedingten Kursverluste angeboten. Der Angeklagte sei nach wie vor als AWD-Berater tätig, er habe sich "nie etwas zu Schulden kommen lassen". Von anderen Fällen der Unterschriftenfälschung ist dem AWD laut Eigenangaben nichts bekannt.

"News" berichtet allerdings, dass schon der nächste Prozess wegen Unterschriftenfälschung in Vorbereitung ist. Ein anderer AWD-Mitarbeiter habe die Unterschrift einer Oberösterreicherin nachgeahmt, auch deren Bekannte sei der Unterschriftenfälschung zum Opfer gefallen. Der AWD-Berater soll in 500 Fällen selbst Hand angelegt haben. 

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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