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Inkasso: Mahnschüsse ins Blaue

Archivmeldung vom 31.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: GoMoPa
Bild: GoMoPa

Der Inkassodienstleister mr. nexnet aus Berlin-Tegel verschickt dieser Tage Massen-Mahnbriefe ins Blaue. Telefonkunden sollen zwischen 1,19 und 2,49 Euro plus 4 Euro Mahngebühr innerhalb von vier Tagen überweisen, oder man bekäme einen teuren Inkassobrief.

Wofür das Geld eigentlich gezahlt werden soll, müssen die Briefeempfänger allerdings selbst herausfinden. Denn nexnet weiß es nicht. Wahllos zählt nexnet Telefonanbieter wie die Telekom oder Arcor auf. Irgendein Anbieter werde schon passen. Am Ende sei halt noch ein offener Posten übrig, den man nun dem Service-Nummern-Anbieter dtms aus Mainz schulde. Es könnte sich dabei um ein "Call-by-call-" oder ein "Mehrwertdienst-Gespräch" handeln, schlägt nexnet vor.

Der Finanznachrichtendienst GoMoPa.net wollte es genau wissen, was hinter den unkonkreten Mahnbriefen steckt und rief beim Auftraggeber von nexnet, der dtms (Deutsche Telefon- und Marketing Services GmbH) in Mainz, an. Ein dtms-Mitarbeiter erklärt die Sache gegenüber GoMoPa so: "Ja, die Firma Nexnet arbeitet für uns. Allerdings ist sie nicht unser Inkasso, denn wir haben ein eigenes Inkasso, nämlich unsere Schwester-Firma Netrada-Collection in Hamburg. Nexnet ist unser Clearinghouse und soll unsere Forderungen bei den Kunden klären. Legen die Kunden Widerspruch gegenüber nexnet ein, dann verfolgen wir die Forderung nicht selbst weiter, sondern verkaufen die Forderung an nexnet. Zahlen die Kunden nicht und legen keinen Widerspruch ein, schalten wir unser Inkasso Netrada ein.“

GoMoPa: Wenn Sie die Forderung erst mal klären wollen, heißt das doch, dass Sie selbst gar nicht wissen, wofür die 2,49 Euro überhaupt zu zahlen sind?

Der dtms-Mitarbeiter: "Viele Kunden haben bei ihren Anbietern beantragt, die Daten löschen zu lassen. Das ist auch geschehen. Nun haben die Telefonkunden aber kostenpflichtige Service-Hotlines von Drittanbietern benutzt. Für diese Drittanbieter stellen wir Hotlines zur Verfügung. Es gibt leider viele unbezahlte Hotline-Gespräche, die wir zuordnen müssen.

Viele Telefonkunden behaupten, sie hätten nie eine Sonderrufnummer gewählt. Auf Nachfragen, ob sie in der fraglichen Zeit umgezogen sind oder ein wichtiges Paket erwartet haben, stellt sich in 99 Prozent der Fälle heraus, dass die Kunden, doch die GEZ oder die Paketauskunft der Post angerufen haben. Das versuchen wir zu klären, bevor wir unser Inkassobüro beauftragen, ein teures Mahnverfahren einzuleiten. Die Kunden können auf der Internetseite von nexnet selbst prüfen, welche Daten über sie bei uns vorliegen. Sie brauchen dazu nur ihre Kundennummer eingeben, die ihnen nexnet mitgeteilt hat."

Starkstromelektriker Horst Schmitt (28) aus Pankow hat am 26. Oktober 2009 so ein Klärungsschreiben von nexnet bekommen. Allerdings war da von Klärung keine Rede. Das Schreiben war mit "Mahnung wegen Telefongebühren“ überschrieben. 6,49 Euro soll er auf das Commerzbankkonto der nexnet überweisen.

Schmitt zu GoMoPa: "Ich habe nie zuvor eine Rechnung erhalten. Ich bin weder bei der Telekom noch bei Arcor noch bei einer Firma, die nexnet auf ihrer Internetseite angibt. Ich bin auch nicht umgezogen und habe auch nicht nach einem Paket nachgefragt. Ich wähle keine Sonderrufnummern an.“

Und die Überprüfung der bei dtms gespeicherten Daten über die nexnet-Seite hält Schmitt für eine Falle.

Schmitt: "Mit der Eingabe der von nexnet erfundenen Kundennummer erkläre ich zugleich, Inhaber des Anschlusses zu sein, der unter der Buchungskontonummer bzw. der Kundennummer geführt wird. Damit würde ich also die Rechtmäßigkeit der Forderung zugeben.“

Die dtms-Mitarbeiterin versucht zu beruhigen: "Nein, es soll doch nur verhindert werden, dass ein Unbefugter die gespeicherten Daten aufruft. Wenn das nämlich einer täte, der gar nicht der Telefonanschlussinhaber ist, dann würde er sich strafbar machen.“

Schmitt: "Ich schreibe der nexnet, dass ich der Forderung widerspreche.“

Die dtms-Mitarbeiterin: "Dann überlassen wir die Forderung der nexnet. Sie wird dann wahrscheinlich die Forderung über ihre eigenen Inkassoanwälte Bussek & Mengede weiterverfolgen. Wir sind dann raus.“

Aber warum behält dtms die Kunden, die nicht widersprechen, selbst und gibt die Widerspenstigen an ein fremdes Inkasso ab?

GoMoPa fragte bei der dtms-hauseigenen Inkassofirma Netrada Collection in Hamburg nach. Eine Mitarbeitern teilte in barschem Ton mit: "Darüber geben wir keine Auskunft. Das ist eine Anweisung von der Geschäftsleitung.“

Für GoMoPa liegt die Antwort jedoch klar auf der Hand: Man will sich in Hamburg nicht die Hände schmutzig machen. Denn im Gegensatz zu nexnet gehört Netrada Collection zu den 540 renommierten deutschen Inkassounternehmen, die Mitglied im Bundesverband der Inkassounternehmen (BDIU) in Berlin sind.

Und dort herrscht ein strenges Regelement. Wer nicht spurt, fliegt raus und verliert wichtige Auftraggeber, wie die Bundesministerien für Verteidigung, Wirtschaft, Familie, Arbeit und Verkehrüber den Zoll, das Statistische Bundesamt, den Bertelsmann-CLUB, der Delta Lloyd Lebensversicherung, der 4Care AG (Europas größtem Versandhändler) bis zum Naturkosmetiker Yves Rocher.

Nexnet hat sich in der Vergangenheit eher einen Namen mit dem Einzug von Dialer-Rechnungen für die British Telecom Germany aus München gemacht, bis die Dialer-Geschäfte verboten wurden.

Für Inkassofirmen wie Nexnet, die außerhalb des BDIU stehen, gibt es seit letztem Jahr keine gesetzliche Überwachung und Kontrolle mehr.

BDIU-Präsident Wolfgang Spitz: „Das alte Rechtsberatungsgesetz wurde durch ein neues Rechtsdienstleistungsgesetz abgelöst. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Inkassodienstleisters abgeschafft. Auch Aufsichtsmaßnahmen sieht das neue Rechtsdienstleistungsgesetz nicht mehr unmittelbar vor. Dafür wurden die früher nach eigenem Ermessen abgeschlossenen Haftpflichtversicherungen auf nunmehr mindestens 250.000 Euro Deckungssummen angehoben, und die Inkassofirmen dürfen nun auch wie ein Rechtsanwalt gerichtliche Mahnverfahren einleiten.

Für Mitglieder des BDIU gelten die alten berufsrechtlichen Pflichten weiter und werden von uns überwacht. Schuldner schreiben uns ihre Sorgen (BDIU, Friedrichstraße 50-55, 10117 Berlin). In diesem Jahr haben wir schon 100 Fälle untersucht und vier Inkassounternehmen aus dem Verband ausgeschlossen."

Acoreus wird gerade vom BDIU überprüft.

Spitz weiter: "Im Augenblick überprüfen wir gerade unser Mitglied acoreus aus Neuss, dem wir als erstes deutsches Inkassounternehmen ein TÜV-Siegel überreicht hatten. GoMoPa hatte ja berichtet, dass insbesondere die Verbraucherzentrale Brandenburg Mahnbriefe von acoreus bemängelte, bei denen die Forderungen längst verjährt waren oder bei denen den geringen Forderungen unverhältnismäßig hohe Inkassogebühren gegenüber standen. Acoreus hat uns dazu eine Stellungnahme geschickt. Über den Inhalt darf ich vor Abschluss des Verfahrens noch nichts sagen. Wir treffen uns mit acoreus und der Verbraucherzentrale Brandenburgs nächste Woche zu einem Gespräch. Dann werden wir als BDIU eine Entscheidung treffen.“

Diesem Schicksal will die Netrada Collection aus dem Hause der dtms anscheinend aus dem Wege gehen. Doch wer sorgt bei den nun nicht mehr staatlich kontrollierten Inkassobetrieben wie nexnet für Redlichkeit in der Berufsausübung?

BDIU-Präsident Spitz: "Auch das derzeit geltende Gesetz enthält ein scharfes Schwert gegen unredliche Inkassotätigkeit: Insbesondere bei dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistung ist die Registrierung zu widerrufen (§ 14 Rechtsdienstleistungsgesetz).“

Den Widerruf der Registrierung (Berufsverbot) kann nur das zuständige Oberlandesgericht, in Berlin ist es das Kammergericht, vornehmen. Denn bei diesen Gerichten müssen sich alle Inkassofirmen registrieren. Die Gerichte sind frei wählbar. Es spielt also keine Rolle, wo die Firma ihren Sitz hat. Um herauszufinden, welches Gericht zuständig ist, muss man im Internet auf dem öffentlichen Justizportal nachschauen. » www.rechtsdienstleistungsregister.de

"Man gibt dort einfach nur den Namen des Inkassounternehmens in der Suchmaske ein und schon kommt die Antwort“, sagt eine Mitarbeiterin von der Abteilung für Angelegenheiten nach dem Rechtsdienstleistungsgestz am Kammergericht in Berlin-Schöneberg gegenüber GoMoPa. Die Mitarbeiterin weiter: "Nexnet ist bei uns registriert. Eine Registrierung nach dem neuen Gesetz haben wir bislang bei noch keinem Inkassounternehmen widerrufen müssen. Allerdings überprüfen wir das gerade bei einem Unternehmen. Das ist aber nicht nexnet."

Bei Nichteignung oder Unzuverlässigkeit verliert das Inkassounternehmen die Zulassung.

Die Kammergerichtsmitarbeiterin weiter: "Die Gründe für einen konkreten Widerruf ergeben sich aus dem Paragraphen 14 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, nämlich wenn begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die registrierte Person oder eine qualifizierte Person die erforderliche persönliche Eignung oder Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt und wenn begründete Tatsachen die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtsuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigen. Wir werden allerdings nicht von allein tätig, Betroffene müssen uns schon Mitteilung machen.“

Das Oberlandesgericht (Kammergericht) kümmert sich nicht um die Abwehr der Mahnbriefe. Das muss der Betroffene selbst in die Hand nehmen. Einen Musterbrief gegen die Mahnschreiben von nexnet und deren Inkasso-Anwälten finden Sie hier:

"Gegen die in Ihrem Schreiben vom ..........gestellte Forderung in Höhe von ......Euro lege ich hiermit Widerspruch ein. Sie berechnen eine Leistung, die ich zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen habe. Um die Rechtsform zu wahren, fordere ich Sie hiermit auf, mir den Nachweis der Leistung (Einzelverbindungsnachweis) sowie das kostenlose qualifizierte Prüfprotokoll der technischen Prüfung gemäß TKG § 45 i zu übermitteln. Ich weise explizit darauf hin, dass ich einen so genannten Prüfbericht mit vorgefertigten Textbausteinen nicht akzeptieren werde (Amtsgericht Papenburg Urteil vom 30.10.2008, Az. 4 C 247/08). Solange diese Nachweise nicht vorgelegt werden, kann die Forderung zurückgewiesen werden. Bis zum Eingang der Unterlagen mache ich gegenüber Ihrer o. a. Forderung von unserem Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) gebrauch."

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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