Welthandel: Wachstum bricht 2026 durch Handelskrieg deutlich ein
Bisher schlug sich der Welthandel trotz Handelskrieg besser als gedacht. Doch 2026 dürften die Folgen nun deutlicher spürbar werden. Das zeigen Analysen des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade im aktuellen "Economic Outlook".
Der weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen dürfte sich aufgrund der verzögerten Auswirkungen des Handelskriegs von +2 % im Jahr 2025 auf +0,6 % im Jahr 2026 verlangsamen - ein Rückgang um rund zwei Drittel. Erst 2027 zeigt sich dann wieder eine leichte Erholung mit einem Plus von voraussichtlich 1,8 %.
Auch die Weltwirtschaft fährt weiterhin mit angezogener Handbremse: Das globale Bruttoinlandsprodukt wächst 2025 um magere 2,7 % sowie 2026 um 2,5 % und damit weit unterdurchschnittlich. Gleichzeitig bleiben Stagflationsrisiken bei einer weiterhin hohen Inflation von 3,9 % (2025) beziehungsweise 3,6 % (2026) bestehen.
"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben": 2026 kommt die Zoll-Quittung
"Aufgeschoben ist leider nicht aufgehoben", sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "2025 war gekennzeichnet von vorgezogenen Lieferungen und US-Hamsterkäufen, von Verschiebungen der Handelsströme und signifikanten Investitionen in Künstliche Intelligenz. Das hat den Welthandel gestützt. 2026 dürfte aber die Quittung des Handelskriegs folgen und das Wachstum des Welthandels deutlich einbrechen."
Diese Entwicklung geht an den meisten Industrienationen nicht spurlos vorbei - sie stehen vor den niedrigsten Wachstumsraten seit 2008, auch die US-Wirtschaft selbst tritt auf der Stelle: Das BIP in den USA wird 2025 voraussichtlich um +1,8 % und 2026 um +1,6 % wachsen, was zu den niedrigsten Wachstumsraten seit Beginn des Jahrhunderts zählt und unter ihrem Potenzial liegt. Dabei zahlen US-Unternehmen nur bei rund einem Viertel der importierten Produkte die Zeche für die Zoll-Mehrkosten. Bei mehr als drei Viertel aller Produkte bleibt dies entweder an den US-Verbrauchern oder ausländischen Exporteuren hängen.
Puffer für US-Wirtschaft: KI-Investitionen, Zinssenkung, fiskalische Impulse
"Bisher haben sich politische Unsicherheiten und Zollerhöhungen nicht voll auf die US-Wirtschaft durchgeschlagen. Als Puffer wirkte der starke Anstieg bei den KI-bezogenen Investitionen wie Rechenzentren, aber auch Soft- und Hardware sowie der relativ robuste Konsum", sagt Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade. "2026 dürften sich Zölle sukzessive auf Verbraucherpreise auswirken und den Konsum belasten - abgefedert durch niedrigere Leitzinsen und weiteren fiskalischer Impulsen der US-Regierung, um die Wirtschaft anzukurbeln. Insgesamt erwarten wir einen Rückgang beim Wachstum, aber keinen drastischen Einbruch."
Auch die Eurozone kommt kaum von der Stelle mit einer weiteren Verlangsamung des Wachstums von 1,2 % im Jahr 2025 auf +0,9 % im kommenden Jahr. Deutschland steht vor dem dritten Jahr in Folge mit wirtschaftlicher Stagnation (+0,1 % BIP-Wachstum in 2025) und kommt auch in den kommenden Jahren voraussichtlich nur langsam in Fahrt. Die Allianz Trade Volkswirte rechnen 2026 mit einer moderaten Erholung von +1,0 % und weiteren +1,4 % im Jahr 2027.
Deutschland erholt sich langsam: Mut und Investitionen für Kehrtwende nötig
"Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell bleibt unter Druck und ist anfällig für globale Fragmentierung und zunehmenden internationalen Wettbewerb, insbesondere durch China", sagt Bogaerts. "Aber strukturelle Herausforderungen wie Demografie, Rentensystem, Bürokratie und Ineffizienzen auf dem Arbeitsmarkt bremsen das langfristige Wachstum bisher aus. Deshalb ist hierzulande Mut gefordert, vor allem bei den Investitionen und der grünen und digitalen Transformation."
Auch China gerät stärker unter Druck und das Wachstum dürfte voraussichtlich von +4,8 % im Jahr 2025 auf +4,2 % im Jahr 2026 zurückgehen. Rückenwind gibt es für die Länder in Mittel- und Osteuropa, Lateinamerika und Afrika, die ihre Wachstumsraten in diesem Zeitraum entweder beibehalten oder beschleunigen können.
Abwärtsrisiken lauern: Protektionismus, De-Dollarisierung, Staatsschulden und Geopolitik
Während der Welthandel 2026 den Tiefschlag durch die Zölle verdauen muss, lauern bereits weitere - nicht unwahrscheinliche - Abwärtsrisiken, allem voran eine weitere Zoll-Eskalation.
"Eine weitere Zoll-Spirale könnte den Welthandel schlimmstenfalls in eine Rezession stürzen", sagt Boata. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, ist mit 45 % relativ hoch."
Dazu müssten drei Szenarien eintreten: die Eskalation der Zölle durch Präsident Trump im Rahmen der Section 232-Maßnahmen, die Aufhebung der Produktausnahmen und das Ende des aktuellen "Zollfriedens" mit China. Dann drohen schwerwiegende negative Auswirkungen auf das globale Wachstum und einen starken Anstieg der Inflation in den USA. Außerhalb der USA würde die geringere Nachfrage aus den USA zu einem Überangebot und steigenden Lagerbeständen führen, insbesondere in Asien, was die globalen Preise massiv unter Druck setzen würde.
Weitere Abwärtsrisiken liegen in einem möglichen De-Dollarisierungsschock in der US-Geldpolitik (35 % Wahrscheinlichkeit), in einer Staatsschuldenkrise (20 % Wahrscheinlichkeit), die die die Fiskalpolitik in Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA einschränken könnte sowie einer weiteren Zunahme geopolitischer Spannungen - insbesondere bei einem Konflikt zwischen der NATO und Russland, einer Eskalation im Nahen Osten und ein offener Konflikt zwischen China und Taiwan.
Quelle: Allianz Trade (ots)