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Top-Ökonomen warnen vor Sarkozy-Plänen für Euro-Rettung

Archivmeldung vom 21.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de

Im Streit über die Euro-Schuldenkrise haben führende Ökonomen in Deutschland davor gewarnt, den Eurorettungsfonds EFSF, wie von Frankreich gefordert, über eine Notenbank-Finanzierung schlagkräftiger zu machen. Es dürfe "keinesfalls zu einer Banklizenz für den EFSF kommen, weil dies die Geldpolitik ins Spiel bringt", sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der Onlineausgabe des "Handelsblatts". "Deutschland ist gut beraten, die entsprechenden französischen Pläne zu verhindern. In der Eurozone läuft - so scheint es - der Countdown für die Krisenpolitik."

Auch der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, setzt darauf, dass sich die Bundesregierung "konsequent dagegen stemmt", dass dem EFSF eine Banklizenz erteilt werde, um sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) refinanzieren zu können. "Denn dann würde wohl bald die Notenpresse heiß laufen und der Euro wäre tatsächlich am Ende", sagte Carstensen.

Der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing hält die französischen Pläne sogar für einen glatten Rechtsbruch. "Der Vertrag über die Währungsunion verbietet eindeutig eine monetäre Finanzierung der öffentlichen Hand", schreibt Issing in einem Gastbeitrag für das "Handelsblatt". "Wer erwägt, dieses Verbot aufzuheben, öffnet den Staaten, der Politik den Zugang zur Notenpresse. Es genügt ein Blick in die Währungsgeschichte, um die unvermeidlichen Folgen zu ermessen." Issing lehnt es generell ab, die Schlagkraft des EFSF von jetzt 440 Milliarden Euro durch entsprechende Konstruktionen zu "hebeln". "So wenig wie die Alchemisten Gold aus weniger edlen Ingredienzen schaffen konnten, so wenig sind die bekannten Modelle geeignet, die Beschränkung gegebener Mittel ohne Kosten zu überwinden", schreibt der Ökonom. Durch das "Hebeln" würden sich die Haftung und damit das Risiko für die Mitgliedstaaten erhöhen. "Dies gilt insbesondere für Deutschland, das als größte Volkswirtschaft des Euro-Raums und des bislang besten Ratings ohnehin schon mit dem weitaus größten Betrag haftet."

Dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen des Streits mit dem französischen Präsidenten ihre Regierungserklärung am heutigen Freitag abgesagt hat und der EU-Sondergipfel am Sonntag nun doch nicht zu endgültigen Beschlüssen kommt, halten Carstensen und Hüther für ungünstig in einer Zeit großer Erwartungen und großer Unsicherheit. "Vermutlich war es unklug, diese Erklärung terminlich vor den Gipfel zu setzen", sagte Hüther. Andererseits gehe es um so zentrale Fragen, dass ein leichter Kompromiss nicht möglich sei. "Der Gipfel muss als Signal der Handlungsfähigkeit der Euro-Zone glaubwürdig sein, das erfordert einen Beschluss über die Hebelung der EFSF durch die Nutzung als Kreditversicherung", betonte der IW-Chef. "Damit würde den Märkten klar, dass die Eurozone selbst Spanien und Italien auffangen könnte, auch wenn dieser Fall extrem unwahrscheinlich ist." Die Lösung als Kreditversicherung sei "ordnungspolitisch sauber, sie bindet die privaten Gläubiger ein und erlaubt eine differenzierte Intervention je nach im Markt artikulierten Ausfallrisiko".

Ifo-Konjunkturchef Carstensen sieht die Streitigkeiten auch als Problem der der europäischen Koordination. "Die Interessen und Ansichten sind offenbar extrem heterogen", sagte er. "Die anhaltende Uneinigkeit bedeutet übrigens, dass die anvisierte "Wirtschaftsregierung" wohl in erster Linie heiße Luft produzieren wird." Vor diesem Hintergrund sei nicht mehr wirtschaftspolitische Koordination nötig, sondern vielmehr "klare Verhaltensregeln für die nationalen Regierungen, zum Beispiel in Form von Schuldenbremsen oder Insolvenzordnungen".

EU-Wirtschaftskommissar Rehn ermahnt große Euro-Staaten

EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn hat Deutschland und Frankreich ermahnt, ihre Meinungsverschiedenheiten über die Bewältigung der Euro-Schuldenkrise beizulegen. "Es ist sehr wichtig, dass Deutschland und Frankreich gut zusammenarbeiten und Fortschritte machen", sagte Rehn dem "Handelsblatt". Zugleich forderte er Italien auf, sein Spar- und Reformprogramm konsequent umzusetzen. Regierungschef Silvio Berlusconi müsse beim Euro-Gipfel am Sonntag "ein klares Bekenntnis zur Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen abgeben", sagte Rehn. Italien müsse einen "Zeitplan" liefern, wann "konkrete Entscheidungen" zum Reformprogramm getroffen werden. Nötig seien eine Öffnung der staatlich geschützen Berufe, eine Arbeitsmarkt- sowie eine Justizreform.

Im deutsch-französischen Streit um die Hebelung des Euro-Rettungsfonds schlug sich Rehn indirekt auf die Seite Deutschlands. Er ließ erkennen, dass er die von Frankreich geforderte Bank-Lizenz für den EFSF für problematisch hält. "Wir müssen aufpassen, was der EU-Vertrag erlaubt und was nicht. Eine direkte Verbindung zwischen der EZB-Refinanzierung und dem EFSF könnte schwierig werden", sagte Rehn.

Der Finne distanzierte sich zudem von der Idee, Schwellenländer wie China oder Russland zur Finanzierung des Euro-Rettungsschirms heranzuziehen. "Es gibt den Vorschlag, über den IWF die Überschüsse der aufstrebenden Länder für die EFSF-Finanzierung zu erschließen. Das hätte allerdings sehr weitreichende politische Konsequenzen. Letztlich würde es bedeuten, dass Chinesen, Brasilianer und Russen indirekt einen Platz am Tisch der Euro-Zone bekämen. Eine solche Entscheidung hätte eine nicht zu unterschätzende strategische Bedeutung", sagte Rehn.

EU-Kommissarin warnt vor Scheitern der Euro-Krisen-Bemühungen

Angesichts des deutsch-französischen Streits über den Ausbau des Euro-Rettungsschirm hat die EU-Kommission vor einem Scheitern der anstehenden Krisengipfel gewarnt. "Der große Wurf muss jetzt gelingen. Europa braucht Führungsstärke sowie entschlossenes Handeln, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen. Wir brauchen jetzt Einigkeit und ein umfassendes Konzept zur Stabilisierung Griechenlands sowie des Euro-Gebietes", sagte Viviane Reding, Vize-Präsidentin der EU-Exekutive der "Rheinischen Post". "Europa steht am Scheideweg. Wenn wir jetzt kein überzeugendes Lösungs-Konzept vorlegen, dann besteht die Gefahr, dass diese Staatschulden-Krise zu einer Gefahr für unsere Währung wird", sagte die Luxemburgerin. Sie forderte eine Entscheidung über die Ausweitung des Rettungsschirms EFSF, die Paris und Berlin verschieben wollen. "Der Rettungsschirm darf nicht zerredet, sondern muss gestärkt werden. Klein-Klein reicht dafür nicht. Er muss die nötige Feuerkraft bekommen, um eine Ausweitung der Schuldenkrise verhindern zu können."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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