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Klägervertreter nennt EuGH-Beschluss zu EZB-Anleihekäufen "Kampfansage" an das Bundesverfassungsgericht

Archivmeldung vom 11.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Hochhaustürme des EuGH auf dem Luxemburger Kirchberg-Plateau Bild: de.wikipedia.org
Hochhaustürme des EuGH auf dem Luxemburger Kirchberg-Plateau Bild: de.wikipedia.org

Nachdem der Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) für rechtens erklärt hat, sehen die Kläger einen Konflikt mit dem deutschen Bundesverfassungsgericht heraufziehen. "Natürlich ist das Ganze eine Kampfansage an das Bundesverfassungsgericht", sagte der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Degenhart gehört zu einer Gruppe von Klägern, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Staatsanleihekaufprogramm EZB geklagt hatte. Die Karlsruher Richter hatten gewichtige Gründe dafür gesehen, dass die Notenbank verbotene Staatsfinanzierung betreibt. Nachdem der EuGH nun seine gegenteilige Einschätzung abgegeben hat, liegt die letzte Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht.

Dazu sagte Degenhart: "Meines Erachtens muss das Gericht, um seine Stellung zu behaupten, dem EuGH kontra geben und auf seiner Einschätzung beharren." Das werde einen Konflikt zwischen den beiden Gerichten unausweichlich machen. "Doch wenn der Konflikt immer nur durch kompromisshaftes Bemühen um Harmonie überdeckt wird, wird er auf Dauer nicht gelöst."

Im Zuge des PSPP-Programms hat die EZB bereits mehr als zwei Billion Euro an Staatspapieren der Euroländer aufgekauft. Zur Begründung seiner Entscheidung verwies der EuGH darauf, dass kein Staat bevorzugt werde. Degenhart überzeugt das nicht: "Denn selbstverständlich profitieren vor allem die Staaten von dem Programm, die andernfalls nur erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten hätten."

Dr. Peter Gauweiler und sein Prozessvertreter, der Freiburger Staatsrechtler Professor Dr. Dietrich Murswiek erklären in ihrem Statement dazu::

Erwartungsgemäß hat der EuGH entschieden, dass alle Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht gegen die Rechtmäßigkeit des Staatsanleihenankaufprogramms geäußert hat, unbegründet seien. Jetzt zeigt sich: Wenn es darum geht, vom Bundesverfassungsgericht problematisierte Kompetenzanmaßungen von EU-Organen zu verteidigen, biegt der EuGH die von ihm selbst zuvor formulierten Kriterien so zurecht, dass sie aus seiner Sicht wieder passen.

Die Notenbanken des Eurosystems sind während der Durchführung des Ankaufprogramms zu den größten Gläubigern der Eurostaaten geworden. Indem die Käufe die Renditen der Anleihen drastisch gedrückt haben, ermöglichte die EZB es den Eurostaaten, sich auf Kosten der Sparer neu zu verschulden. Damit nimmt die EZB den Staaten jeden Anreiz zu einer soliden Haushaltspolitik. Das Ankaufprogramm ist daher mit dem Zweck des Verbots der monetären Staatsfinanzierung, keine Fehlanreize für eine Schuldenfinanzierung zu setzen, auch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr vereinbar. Noch in seinem Urteil zum OMT-Programm der EZB (Rechtssache Gauweiler) hatte der EuGH diesen Zweck betont. Jetzt hält er an diesem Zweck zwar pro forma fest, setzt sich aber darüber hinweg, indem er das Offensichtliche bestreitet: dass von dem Billionen-Ankaufprogramm ein Anreiz zu neuen Schulden ausgeht und jeder Anreiz zum Abbau der vorhandenen Schulden vernichtet wird.

Der EuGH geht mit keinem Wort auf die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts ein, dass die EZB keine demokratische Legitimation besitze und dass ihr Mandat daher eng ausgelegt werden müsse. Stattdessen versucht der EuGH, mit seiner Interpretation das Mandat der EZB weiter zu dehnen. Er räumt der EZB auch dort einen weiten Beurteilungsspielraum ein, wo es um die Konkretisierung ihrer eigenen Kompetenzen geht. Das ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.

Das Staatsanleihenankaufprogramm verstößt auch deshalb gegen das Grundgesetz, weil es zu einer Vergemeinschaftung der Haftung für Staatsanleihen führt, ohne dass der Bundestag dem zugestimmt hätte. Der EuGH hat die Frage des Bundesverfassungsgerichts, ob die Haftungsvergemeinschaftung mit dem EU-Recht vereinbar ist, nicht beantwortet, sondern sie auf Antrag Italiens für unzulässig erklärt, weil sie nur hypothetischen Charakter habe. Das Bundesverfassungsgericht wird jetzt ohne Vorgabe des Luxemburger Gerichts entscheiden müssen, ob die immensen Haushaltsrisiken, die das Anleihenankaufprogramm für den Bundeshaushalt mit sich bringt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Das vom EuGH gebilligte Handeln der EZB führt zu einer weiteren Umgestaltung der Währungsunion. Das Verbot der monetären Staatsfinanzierung war für Deutschland unter der Regierung Kohl unabdingbare Voraussetzung für den Beitritt zur Währungsunion. Dieses Verbot wird wirkungslos, wenn es – was der EuGH jetzt legitimiert – durch Staatsanleihenkäufe auf den Sekundärmärkten, die mit aus dem Nichts geschaffenem Notenbankgeld finanziert werden und die den Zins auf Null senken, umgangen werden kann.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots) / Büro Dr. Peter Gauweiler

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