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Hohe Suizidrate bei Tierärzten: „Wenn ein Tierarzt stirbt, ist die erste Frage "War es Selbstmord?“

Archivmeldung vom 19.10.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.10.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Hund (Symbolbild)
Hund (Symbolbild)

Bild: © CC0 / 12019 / Pixabay

Häufige Auseinandersetzung mit dem Tod, aggressive Tierbesitzer, kaum Privatleben und keine psychologische Unterstützung – das sind nur einige der Gründe, warum unter Tierärzten seelische Erkrankungen wie Depressionen häufig auftreten und allzu oft zum Selbstmord führen. Dies berichtet das russische online Magazin „SNA News“ .

Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes geschrieben: "Verletzten oder kranken Tieren helfen und deren Besitzer glücklich machen – so in etwa dürfte das gängige Bild vom Traumberuf Tierarzt sein. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Studien aus den USA und anderen Ländern haben es schon gezeigt, nun liegt erstmalig auch eine Studie aus Deutschland vor, die besagt: Die Wahrscheinlichkeit, seinem Leben durch Suizid ein vorzeitiges Ende zu bereiten, ist bei Tiermedizinern sechs bis sieben Mal so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Depressionen seien dreimal so stark verbreitet.

Das kann auch die Berliner Tierärztin Anke Meeuw bestätigen. Sie selbst leide an Depressionen und habe sich deswegen Hilfe geholt. Bereits das Studium der Tiermedizin sei wahnsinnig hart und schon da würden vermehrt Selbstmorde geschehen. „Auch in meinem Freundeskreis gibt es etliche, die ich einfach nicht mehr habe, weil sie Selbstmord begangen haben. Ja, ich kenne eigentlich keinen, der nicht in irgendeiner Form seelisch damit Probleme hat“, so Meeuw. Und wenn ein Tierarzt sterbe, sei die erste Frage: War es Selbstmord?

Der Tod, ein ständiger Begleiter

Als eine der größten seelischen Belastungen nennen die Studien die Auseinandersetzung mit dem Tod. Damit seien Tierärzte wesentlich häufiger konfrontiert als Humanmediziner, und anders als sie müssten sie ihn auch immer wieder selbst herbeiführen, wenn sie ein Tier einschläferten. Im Studium werden die angehenden Tierärzte im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der Humanmedizin aber nicht darauf vorbereitet. An ihre erste Euthanasie könne sie sich noch sehr gut erinnern, sagt Anke Meeuw. Es sei ein wahnsinniger Schritt, ein Tier vom Leben in den Tod zu befördern, weil er allem widerspreche, wofür man diesen Beruf erlernt habe. Dennoch sei das Einschläfern für sie nicht der Hauptgrund, weshalb sie manchmal an ihrem Beruf verzweifle. Sie nehme es eher als sehr friedvollen Moment wahr, der ein oft langes Leiden des Tieres und damit auch seines menschlichen Besitzers beende.

„Ich sage auch tatsächlich oft: Wir machen Sterbehilfe, wir sind keine Henker.“

Frustrierend sei für sie oft, was vorher passiere. So habe sie erst kürzlich die Anfrage erreicht: „Ich habe einen Hamster, dem Hamster geht es schlecht. Ich müsste den heute aber noch einschläfern, weil ich morgen in den Urlaub fahre.“ Sie habe diese Euthanasie abgelehnt. Den Hamster hätte sie zumindest untersuchen und, wenn möglich, behandeln wollen. Als Tierarzt dürfe man da durchaus nein sagen, denn am Ende trage man für diesen Tod die Verantwortung, so Meeuw. Es sei schon hart, wenn Besitzer ihre Tiere lieber einschläfern als behandeln lassen wollten, nur, weil diese alt oder krank seien.

Aus den sozialen Medien kennt Anke Meeuw auch die andere Seite, nämlich den Vorwurf, Tierärzte seien Henker. Statt Tiere einzuschläfern, solle man sie eines natürlichen Todes sterben lassen, ist häufig zu lesen. „Es gibt Momente, wo das möglich ist, und da versuche ich den Kunden und den Patienten auch zu begleiten. Man würde sagen, Palliativmedizin zu betreiben. Das Tier schmerzfrei zu halten, dass es ihm eben gut geht, dass es nicht leiden muss“, sagt die erfahrene Tierärztin. Meistens jedoch sei das Sterben eine Agonie, die mit großen Schmerzen verbunden sei und teils Wochen dauern könne. „Von daher unterstütze ich sowas kurzfristig, im Sinne von: Es darf nicht länger als ein, zwei Wochen gehen und es braucht Medikamente, es braucht Morphine. Alles, was dem Tier Leid erspart. Das ist ganz wichtig. Und das ist auch unser Verständnis des Berufes: das Ersparen von Leid. Der Tod ist nicht das größte Leid.“

Tierbesitzer erwarten Einsatzbereitschaft rund um die Uhr, Privatleben bleibt auf der Strecke

Die Tierbesitzer und deren Erwartungshaltung seien für sie die größte Belastung an ihrem Beruf, so Meeuw. Manche von ihnen seien offenbar der Ansicht, ein Tierarzt habe kein Anrecht auf Privatleben. So habe sie vor zwei Wochen einen Anruf von einer eigentlich sehr netten Tierbesitzerin, die sie schon lange kenne, bekommen. Sie müsse an diesem Abend dringend vorbeikommen und deren Hund einschläfern. Sie habe gesagt, das sei nicht möglich, denn sie habe Karten für Union Berlin.

„Ich habe dann nichts mehr von ihr gehört und bekam Ende dieser Woche einen Brief, dass ich moralisch doch sehr verroht sei. Dass es ja wohl das Letzte sei, zum Fußball zu gehen, wo ihr Hund leidet.“

Sie habe zuerst ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie in ihrer Freizeit ins Stadion gegangen sei und zusammen mit anderen Fußballfans gesungen und gefeiert habe. Und dann sei sie wütend geworden, so Meeuw. „Wir haben tatsächlich ein ganz privates Leben. Ich bin nicht 24 Stunden rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr Tierärztin. Ich bin eine Mutter, ich bin eine Freundin, ich bin eine Ehefrau, ich bin Fußballfan. Manchmal bin ich Kinobesucherin. Neben meinem Beruf habe ich auch noch ein ganz normales Leben mit all den Herausforderungen.“ Und schließlich erwarte auch niemand von einem Hausarzt, dass dieser zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Abruf sei.

„Ich weiß, dass das für den einzelnen Menschen und die einzelne Einschläferung oder den einzelnen Notfall natürlich wahnsinnig ist. Und dass man da irre wird vor Angst. Ich habe selber fünf Katzen und ich würde für jede von denen auch so leiden. Aber mir ist auch bewusst, dass das für die Tierklinik, den Tierarzt, den ich dann aussuche, nicht das einzige Tier an dem Tag oder in seinem Leben ist, sondern dass das sein Beruf ist. Und deswegen finde ich, dass wir ein Recht auf Privatleben haben. Und ich darf eigentlich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich ein Privatleben habe. Aber genau das wird suggeriert.“

Die Tierärztin räumt ein, dass es in Deutschland an Notdiensten und Kliniken mangelt, die die Behandlung außerhalb der regulären Sprechzeiten ermöglichen würden.

Schlechtes Gehalt und mangelnde Wertschätzung

Auch was das Gehalt und die gesellschaftliche Wertschätzung der Tiermediziner angeht, muss Anke Meeuw den Studien Recht geben: Beides fällt gemessen an der erbrachten Leistung viel zu gering aus. Dabei sei schon das Studium der Tiermedizin unglaublich anspruchsvoll und die Voraussetzungen hoch. „Ich habe immer gesagt: Wir sind die Friseure unter den Ärzten. Wir werden eigentlich nicht ernst genommen“, so Meeuw. Oft bekomme man zu hören, ob es denn für ein echtes Medizinstudium nicht gereicht habe. Die Geringschätzung zeige sich in der Pandemie auch an der Behandlung von RKI-Chef Lothar Wiehler, der ja Tierarzt sei. Dem „Pferdedoktor“ werde abgesprochen, etwas davon zu verstehen. Dabei seien Immunologie und Seuchenlehre gerade in der Tiermedizin ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung. „Ich frage manchmal ganz platt: Ach, ist es eure erste Pandemie? Na ja, meine nicht. Meine heißen normalerweise nur Maul- und Klauenseuche oder Afrikanische Schweinepest. Aber das System einer Pandemie, ob es in der Tierwelt stattfindet oder in der Menschenwelt, ist erst mal dasselbe. Und da sind wir sehr gut ausgebildet.“

Nicht wertschätzend sei es auch, wenn Tierärzte in der Pandemie weiterarbeiten müssten, aber bei der Impfung nicht priorisiert würden. Und das, obwohl Covid-19 auch bei Tieren vorkomme und anzeigepflichtig sei.

„Also da ist tatsächlich auch die Öffentlichkeit, da ist die Politik nicht wertschätzend, da sind die Halter nicht wertschätzend. Die Bezahlung ist nicht wertschätzend. Das ist manchmal extrem frustrierend.“

Psychologische Angebote schaffen

Wie verschiedene Studien zeigen, bedienen sich die Menschen in den besonders von Suizid betroffenen Berufsgruppen oft der Mittel, die ihnen von Berufs wegen zur Verfügung stehen. Sind es für Polizisten und Landwirte vornehmlich die Schusswaffen, greifen Ärzte, Tierärzte und Chemiker zu den verfügbaren Präparaten, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Die Abgabe und Aufbewahrung der Präparate zu beschränken oder strenger zu kontrollieren, hält Anke Meeuw jedoch nicht für die Lösung. Die Präparate gehörten zu dem Handwerkszeug eines Tierarztes, man benötige dafür eine Betäubungsmittel-Zulassung und müsse über deren Abgabe penibel Buch führen. Und wer Suizid begehen wolle, könne das auch ohne diese Präparate. „Von den Menschen, von denen ich das weiß, hat sich niemand selbst eingeschläfert, wenn man das so sagen will. Das war zwar teilweise auch mit Präparaten, aber das Präparat, was wir einsetzen, hat da eigentlich keine Rolle gespielt. Da war aber auch mal eine Schusswaffe im Spiel. Einmal war es ein Sprung aus großer Höhe.“

Wichtiger sei Vorsorge und psychologische Begleitung, findet die Berliner Tierärztin. Im Studium werde man nicht darauf vorbereitet, wie man mit trauernden Tierbesitzern umgehen und gleichzeitig sich selbst schützen könne. Auch auf den Umgang mit aggressiven Tierbesitzern und Hetze in den sozialen Medien bereite die angehenden Tierärzte niemand vor. Psychologische Unterstützung könne ihnen das Handwerkszeug dafür an die Hand geben. „Es sind ja oft nicht einzelne Sachen, die einen Menschen zum Selbstmord bringen, sondern das ist eine Kombination aus ganz, ganz vielen kleinen Steinchen, die dann zu einem großen Felsbrocken werden, der irgendwann fällt. Und wir müssen halt versuchen, diese Steinchen, solange sie klein und abbaubar sind, aus der Seele rauszukriegen, damit wir da nicht einen großen Felsbrocken haben hinterher, der eben nicht mehr so einfach zu beheben ist.“

Trotz aller Probleme bleibt für Anke Meeuw Tierarzt ein Traumberuf. Abgesehen von ihrer Familie könne sie sich nichts vorstellen, was sie glücklicher machen könnte. Von der Gesellschaft würde sie sich, auch stellvertretend für ihre Kollegen, wünschen, dass Tierärzte netter und mit mehr Respekt behandelt werden würden."

Quelle: SNA News (Deutschland)

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