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Auf strittiger Rechtsgrundlage: Deutsche Auskunfteien sammelten Millionen Handyvertragsdaten

Archivmeldung vom 30.11.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.11.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Spion, Sponage, Abhören, Überwachung (Symbolbild)
Spion, Sponage, Abhören, Überwachung (Symbolbild)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa sammeln und speichern nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung seit mehreren Jahren die Handyvertragsdaten von mutmaßlich Millionen Menschen in Deutschland, ohne deren Einwilligung einzuholen. Nach Ansicht der Datenschutzbehörden ist das nicht rechtens. Auch Verbraucherschützer kritisieren die Datenspeicherung und warnen vor negativen Auswirkungen für Verbraucher.

Bei den Daten handelt es sich nicht um Verbindungsdaten, sondern um Angaben beispielsweise zum Vertragsabschluss, zur Dauer des Vertrages und einem Vertragswechsel. Solche Vertragsdaten dürfen seit Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) im Mai 2018 den Datenschützern zufolge nur noch von Auskunfteien gespeichert werden, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt. Das haben die in der Datenschutzkonferenz (DSK) organisierten Aufsichtsbehörden der Länder und des Bundes in einem Beschluss vom September 2021 noch einmal ausdrücklich klargestellt. Nur säumige Zahler und Betrüger dürfen demnach gespeichert werden, nicht aber Millionen unbescholtene Kundinnen und Kunden, die nicht eingewilligt haben.

Darüber hinaus werden diese Daten nach Angaben des Branchenverbandes "Die Wirtschaftsauskunfteien" für die Ermittlung der Bonität von Verbrauchern genutzt, für das sogenannte Scoring - eine Praxis, die vor allem Verbraucherschützer äußerst kritisch sehen. Es gebe ein hohes Risiko, dass sie zu Lasten von Verbrauchern genutzt werden, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, so der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Wie die Handyvertragsdaten ausgewertet würden, sei zudem höchst intransparent. So könne man aus einer Vielzahl von gleichartigen Verträgen etwa schließen, dass die Betroffenen schnell zu günstigeren Konditionen wechseln oder Einstiegsangebote mitnehmen. "Wir haben die große Sorge, dass Menschen hier gläsern gemacht werden und womöglich in der Zukunft keine Verträge bekommen, weil sie gerne mal den Anbieter wechseln und so vielleicht aus Sicht der Unternehmen anstrengend sind", so VZBV-Chef Klaus Müller. Die Daten müssten gelöscht werden, fordert Deutschlands oberster Verbraucherschützer.

Der Branchenverband "Die Wirtschaftsauskunfteien" hingegen betont, bestimmte finanzschwächere Menschen profitierten von der Auswertung der Handyvertragsdaten, namentlich diejenigen, die bei den Unternehmen bislang unbekannt seien. Die Logik dahinter: Wenn jemand beispielsweise bislang keinen Bankkredit hatte und die Auskunfteien deshalb nicht wissen, ob er ihn zuverlässig zurückgezahlt hat, dann wisse man wenigstens, dass jemand seine Handyrechnung regelmäßig bezahlt. "Gerade Verbraucherinnen und Verbraucher, die bisher keine positive Kredithistorie haben, wie zum Beispiel junge Konsumentinnen und Konsumenten, Migrantinnen und Migranten sowie häufig auch Seniorinnen und Senioren, sind auf die Verarbeitung solcher Informationen angewiesen", so der Branchenverband. Aus diesem Grund hätten die Auskunfteien auch ein "berechtigtes Interesse", die Daten zu speichern, und müssten die Betroffenen nicht um Erlaubnis fragen. Außerdem sei das Ganze eine "jahrzehntelange, unbeanstandete Praxis, die auch von Verbraucherinnen und Verbrauchern bestenfalls nur vereinzelt kritisiert wurde."

Diese Praxis beurteilen Datenschützer mittlerweile aber grundlegend anders. Die vor drei Jahren in Kraft getretene DS-GVO habe "die Rechtsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt", sagt der hessische Landesdatenschutzbeauftragter Prof. Alexander Roßnagel. Hessen ist in der DSK zusammen mit Nordrhein-Westfalen federführend bei diesem Thema. "Jeder hat das Recht, selbst darüber zu bestimmen, welche Daten er preisgibt", sagt Roßnagel, und deshalb dürften Wirtschaftsauskunfteien Informationen über Mobilfunkverträge nicht speichern, ohne dafür eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen zu haben. Diese Einwilligung aber hätten die Auskunfteien seit 2018 nicht mehr eingeholt, so ein Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesdatenschutzbeauftragten, "weil sie die hohen Anforderungen an die Einwilligung (...) scheuten", die die DS-GVO vorsehe.

Aus Kreisen der deutschen Landesdatenschützer heißt es zudem, dass die Auskunfteien lange gar nicht offengelegt hätten, dass sie die Handyvertragsdaten quasi zweckentfremden, um damit die Bonität von Menschen zu beurteilen. Einzelne Unternehmen hätten die Speicherung zunächst damit gerechtfertigt, dass auf diese Weise frühzeitig Betrüger erkannt werden könnten. Erst als das Speicherungsverbot gedroht habe, hätten die Auskunfteien eingeräumt, dass sie die Daten für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit unbescholtener Handykunden brauchen. Landesdatenschützer sprachen von einem "intransparenten Verhalten", das sie "enttäuscht" habe.

Ob die Auskunfteien gegen den Beschluss vorgehen werden, lässt der Branchenverband offen. Möglicherweise müssen am Ende Gerichte klären, ob die Vertragsdaten von Millionen Handykunden weiterhin von Schufa & Co. gespeichert werden dürfen oder nicht.

Anfragen von NDR und SZ an die einzelnen Unternehmen zu deren Geschäftsmodellen wurden von diesen mit Verweis auf die Stellungnahme des Verbandes nicht bzw. nicht ausführlich beantwortet. Lediglich eine Auskunftei, die Baden-Badener Auskunftei Infoscore Consumer Data, erklärte ausdrücklich, sie speichere keine Handyvertragsdaten. Das Münchner Unternehmen Crif Bürgel betonte, man nutze gespeicherte Handyvertragsdaten nicht zur Bonitätsbeurteilung.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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