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Rußfilterskandal: Nach Ankündigung einer Untätigkeitsklage gegen die Bundesregierung gibt diese höhere Betrugsfilter-Zahlen bekannt

Archivmeldung vom 23.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es bedurfte erneut der Ankündigung einer Untätigkeitsklage der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) ehe die Bundesregierung sich zur Veröffentlichung neuer unangenehmer Wahrheiten in der Betrugsfilteraffäre entschloss.

Das Bundesverkehrsministerium erklärte im laufenden Rechtsverfahren nach mehrmonatiger Verweigerung, dass nun der DUH die von ihr seit Januar 2008 auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) erbeteten "Zulassungszahlen von Diesel-Pkw mit nachgerüsteten Partikelminderungssystemen ... in vollem Umfang" zugänglich gemacht werden. Nach den zwischenzeitlich bei der DUH eingegangenen Daten liegt die Anzahl der zum 20. März 2008 verbauten Betrugssysteme mit 45.237 um 20 Prozent höher als bisher zugegeben. Über 90 Prozent dieser Betrugsfilter entfallen auf GAT (35.050 PMS) bzw. (baugleich) Tenneco (6.516 PMS). Auf Bosal entfallen 3.671 PMS.

Bisher hatten Verkehrsministerium, Kraftfahrtbundesamt (KBA) und Bundesumweltministerium - zuletzt Minister Gabriel am 8. März 2008 im Bundestag - stets 170.000 insgesamt nachgerüstete Dieselfilter und knapp 40.000 unwirksame Systeme eingestanden. Die DUH hatte diese Zahlen von Anfang an als zu niedrig bewertet. Doch erst nachdem die Umweltorganisation über eine Länderumfrage eine Gesamtzahl von mehr als 270.000 (Stand: 31. Dezember 2007) eingebauten Filtern ermittelt und eine Untätigkeitsklage gegen die Bundesregierung wegen der Verheimlichung der korrekten Zahlen über die eingebauten Betrugsfilter angekündigt hatte, gab das Verkehrsministerium von Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) nun nach und bestätigt über ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes vom 16.April die Zahl von 285.707 insgesamt nachgerüstete Partikelfilter (Stand: 20. März 2008), darunter über 45.237 Betrugsfilter.

"Bereits zum zweiten Mal musste die DUH zum Instrument der Untätigkeitklage gegen die Bundesregierung greifen, um korrekte Angaben zum Ausmaß des Betrugsfilterskandals zu erhalten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel muss dieses katastrophale Ergebnis seines Krisenmanagements beim Betrugsfilterskandal endlich zur Kenntnis nehmen und handeln", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Nur durch den amtlichen Widerruf der Zulassungen wird der Filteraustausch in Gang kommen. Das Instrument der "freiwilligen Selbstverpflichtung" ist einmal mehr gescheitert " Immerhin sei in diesem Fall nicht auch noch die Durchführung des langwierigen Klageverfahrens notwendig geworden, um die Einsicht zu befördern. "Die Ankündigung einer Untätigkeitsklage gegen die Bundesregierung hat diesmal ausgereicht." Resch verweist darauf, dass mit den neuen Zahlen das Scheitern der so genannten "Kulanzregelung" endgültig dokumentiert sei. Mit der von der Bundesregierung Ende November 2007 ausgehandelten Vereinbarung, die Bundesumweltminister Gabriel persönlich präsentiert hatte, sollte der Filteraustausch eigentlich innerhalb weniger Wochen vollzogen sein.

Resch: "Wir stehen nun vor der kuriosen Situation, dass die amtliche Zahl der vom Betrugsfilterskandal Betroffenen acht Monate nach Aufdeckung des Skandals durch die DUH weiter zunimmt statt zu schrumpfen."  Die Tatsache, dass der Filtertausch inzwischen praktisch zum Erliegen gekommen ist - nach einer Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) wurden im März bundesweit ganze 118 Betrugsfilter getauscht - zeige, dass die "Kulanzregelung" vor allem den verantwortlichen Betrugsfilterherstellern und den großen Werkstattketten A.T.U. und PitStop nützt. Sie sparen durch den Verbleib ihrer mangelhaften Produkte in den Autos einen zweistelligen Millionenbetrag.

Inzwischen scheint sich auch die Frage zu klären, warum große Werkstattketten wie A.T.U., die für einen Großteil der verbauten schadhaften Filter verantwortlich sind, den Sofortaustausch von Betrugs- gegen funktionstüchtige Filter anderer Hersteller im Gegensatz zu vielen freien Werkstätten seit Monaten konsequent verzögern (s. im Anhang dieser Pressemitteilung beispielhaft dokumentierte Einzelfälle, die bei der DUH in großer Zahl eingehen).

Nach DUH-Informationen aus dem Kreis der betroffenen Autohalter gibt es offenbar vertragliche Absprachen zwischen dem hauptverantwortlichen Betrugsfilterhersteller GAT und der Werkstattkette A.T.U., die offensichtlich von allen Ketten die meisten Betrugssysteme verbaut hat und die für den Quasi-Boykott des Filtertauschs verantwortlich sein soll: Nach dieser Vereinbarung erhält A.T.U. keine Rückerstattung für einen Sofortaustausch unwirksamer Filter durch wirksame Systeme alternativer Hersteller von GAT, wenn der Austausch vor September 2008 stattfindet.

"Wie lange stecken Umweltminister Gabriel und Verkehrsminister Tiefensee ihren Kopf noch in den Dieselruß und beharren weiter auf ihre grandios gescheiterte Politik der freiwilligen Selbstverpflichtungen? Die Leidtragenden sind in jedem Fall umweltengagierte Autohalter, die ihre Filter austauschen wollen, obwohl der Steuerbonus für den unwirksamen Filter entsprechend der ´Kulanzregelung´ weiter gewährt wird, und die Anwohner stark befahrener Verkehrsadern, die weiter unnötig viel gefährlichen Feinstaub einatmen müssen", erklärte Resch.

Angesichts der Misere, die den Filterskandal auf Jahre zu verlängern drohe, appellierte Resch an die verantwortlichen Minister Tiefensee und Gabriel, die verfehlte "Kulanzregelung" endlich zu beenden: "Wir fordern Sie eindringlich auf, jetzt den Versuch einzustellen, die Öffentlichkeit wider besseren Wissens mit falschen Zahlen zu beruhigen: Machen Sie endlich reinen Tisch und widerrufen Sie die amtlichen Betriebserlaubnisse für die insgesamt mind. 60.000 verbauten Betrugsfilter. Nur so kommt Ruhe in die Partikelfilternachrüstung."

Seit Monaten wartet die DUH zudem auf die Veröffentlichung der bereits für November 2007 angekündigten Nachprüfungen aller auf dem Markt befindlichen Partikelfiltersysteme durch das KBA. "Für den Erfolg der Feinstaubbekämpfung in unseren Innenstädten ist es wichtig, dass die Verunsicherung der Autofahrer, welcher Filter funktioniert und welcher nicht, endlich ein Ende hat", so Resch. Erfreulicherweise habe der ADAC Ende März Testergebnisse veröffentlicht, wonach die derzeit angebotenen Systeme von HJS, TwinTec, Remus und Volkswagen im Durchschnitt die Rußemissionen um rund 45 Prozent reduzieren. Es sei absolut unverständlich, warum die amtlichen Nachprüfergebnisse des Kraftfahrtbundesamtes immer noch nicht veröffentlicht werden. "Wir fordern die Bundesregierung auf, auch diese Untersuchungsergebnisse auf den Tisch zu legen und in einer gemeinsamen Anstrengung mit den vom Feinstaub betroffenen Städten, den Ländern und den Auto- und seriösen Filterherstellern für eine breit angelegte Nachrüstung mit funktionierenden Partikelfiltern zu werben", forderte Resch.

Quelle: DUH

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