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Angler ticken wie Fußballfans – ohne Fische bzw. Tore bleibt das Erlebnis unvollkommen

Archivmeldung vom 01.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Über einen kapitalen Hecht freuen sich Trophäenjäger.
Quelle: Foto: IGB/ Besatzfisch (idw)
Über einen kapitalen Hecht freuen sich Trophäenjäger. Quelle: Foto: IGB/ Besatzfisch (idw)

Bisher ging man davon aus, dass Hobbyangler vor allem am Naturerlebnis und an der Entspannung am Wasser interessiert seien, der Fang hingegen nur eine untergeordnete Rolle für das Freizeiterlebnis spiele. Nun identifizierte eine Forschergruppe um Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität mehrere stark fangorientierte Anglertypen. Für diese ist Angeln ohne Fischfang ungefähr so wie Fußballgucken ohne Tore - kann auch mal Spaß machen, aber so richtig rund wird es erst, wenn der Fisch im Kescher beziehungsweise der Ball im Netz zappelt.

Der naturorientierte Typ schätzt Einsamkeit und Naturerfahrung.
Quelle: Foto: Alexander Schwab (idw)
Der naturorientierte Typ schätzt Einsamkeit und Naturerfahrung. Quelle: Foto: Alexander Schwab (idw)

Am 08. Juni startet die Fußball Europameisterschaft. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Menschen, viele darunter männlich, vor allem deshalb dem Ballsport zugucken, weil sie sich gemeinsam mit Freunden vom Alltagsstress entspannen wollen, der Torjubel jedoch nur von untergeordneter Bedeutung ist. Über Angler, nur 7% davon sind weiblich, wurde hingegen mehrfach berichtet, dass sie nicht primär daran interessiert seien, einen Fisch zu fangen. Stattdessen seien Entspannung und Erholung am Wasser die Hauptbeweggründe für die Angelleidenschaft, so das Credo vieler Studien seit den 1960er Jahren. Eine unkritische Umsetzung dieser Erkenntnis führte allerdings in der Fischereipraxis zu manchmal unliebsamen Überraschungen. So stellten viele Fischereimanager fest, dass die Einführung von Fangrestriktionen auf starken Widerstand der Petrijünger stieß. Ist der Fischfang für Hobbyfischer doch wichtiger als gemeinhin angenommen wurde?

Eine deutsche Studie, publiziert im Fachmagazin North American Journal of Fisheries Management (Band 31, S. 861-879), löst diesen vermeintlichen Konflikt nun auf. Der Studienleiter Prof. Dr. Robert Arlinghaus konstatiert: „Meist wurde in früheren Studien erhoben, welche Faktoren ganz allgemein für die Ausübung des Angelns bedeutsam sind. Natürlich werden dann Aspekte wie Erholung und Naturerlebnis genannt - handelt es sich beim Hobbyfischen doch um eine Freizeitaktivität, deren Ausübung nicht unbedingt vom Fischfang abhängig ist. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass der Fischfang für Angler überhaupt keine Rolle spielt, außerdem sagen allgemeine Motive nichts darüber aus, was ganz konkret an einem bestimmten Gewässer erwartet wird.“

Gemeinsam mit seinem Team aus Psychologen und Biologen untersuchte Arlinghaus nun die Anglerpsychologie im Detail. Rund 1200 Petrijünger aus Mecklenburg-Vorpommern führten ein Jahr ein Angeltagebuch, aus dem hervorging, welche Gewässer und Zielfischarten gewählt worden waren. So konnten die Wissenschaftler einen auf jeden Teilnehmer der Studie ausgerichteten Fragebogen entwickeln, der neben allgemeinen Fragen zu Angelmotiven wie „Warum gehst Du gerne angeln?“ auch personalisierte Elemente enthielt wie „Warum gehst Du an der Müritz auf Barsch oder an den Boddengewässern auf Hecht angeln?“. Das wiederum ermöglichte den Fischereiforschern, generelle und spezifische Beweggründe für das Angeln zu unterscheiden. Im Ergebnis der Studie identifizierten sie fünf Anglertypen, die sich in ihrer Motivation und ihrem Verhalten stark unterscheiden: Den naturorientierten Angler, den Trophäenjäger, den Herausforderungen-Sucher, den sozialen Typen und den Versorgungsangler.

Eine wichtige Erkenntnis: So wie Fußballfan nicht gleich Fußballfan ist, ist Angler auch nicht gleich Angler. Während der naturorientierte Typ tatsächlich vor allem auf das Erholungserlebnis in der freien Wildbahn aus ist, will der Trophäenjäger vor allem kapitale Brocken an den Haken bekommen. Der Herausforderungen-Sucher benötigt anspruchsvolle Techniken oder schwer zu fangende Zielfischarten für sein anglerisches Glück. Für den sozialen Typ stehen das Zusammensein mit Freunden oder der Familie im Vordergrund, wohingegen der Versorgungsangler vor allem das Ziel verfolgt, frische Fische für den Verzehr mit Bekannten und Verwandten zu fangen. Natürlich sind das nur prototypische Beschreibungen. Die ganz konkreten Motive schwanken häufig auch von Angeltag zu Angeltag. Ein Trophäenangler kann an manchen Tagen auch mal Naturgenießer ohne eigentliches Interesse am Fischfang sein, und der soziale Typ ist auch mal ein Versorgungsangler. Meist bedient das Hobby mit Rute und Rolle gleich einen ganzen Strauß von Bedürfnissen. Die Prototypenbeschreibungen beziehen sich hingegen nur auf das Hauptmotiv über alle Angelausflüge eines Anglers zusammengenommen. Entgegen früherer Aussagen aus der Forschung zeigt die Studie aber insgesamt sehr deutlich, dass das Wohlergehen von drei der fünf Hauptanglertypen an sehr vielen Tagen überwiegend mit dem Fangerlebnis zusammenhängt. Ohne Fischfang bleibt für viele der Sonnenuntergang unvollkommen – ähnlich wie beim Fußballgucken mehrere 0:0 Spiele in Folge die Feierabendlaune gründlich trüben können.

Arlinghaus fasst zusammen: „Man sollte immer achtsam sein, wenn man Allgemeines, wie grundsätzliche Angelmotive, für die Erklärung sehr spezifischer Phänomene verwendet, beispielsweise für Prognosen, wie Angler an einem bestimmen Gewässer auf Fangbeschränkungen reagieren. Grundsätzlich ist das Fischefangen aber für fast alle Angler von sehr großer Bedeutung und Antrieb dafür, sich dem Angelhobby zu verschreiben.“ Es ist dennoch angeltypabhängig, ob der Küchenfisch oder der kapitale Brocken Hauptobjekt der Begierde ist, und es ist auch kein Widerspruch, wenn je nach Tagesform mal der Naturgenuss und dann wieder der Fang von Fischen besonders geschätzt wird. Die Prioritäten hängen zusätzlich vom Zielgewässer und den dort zu erwartenden Fischen ab. Insofern ist die Frage „Was treibt Angler an“ gar nicht so einfach zu beantworten. Behördenvertreter und andere Fischereimanager sollten sich nichtsdestotrotz für ihre Entscheidungen besser mit den ganz konkreten Bedürfnissen der Freizeitfischer an ihren Zielgewässern vor Ort auseinandersetzen, um nicht an ihnen vorbei zu handeln. Denn so wie sich ein echter Fußball-Fan irgendwann nach Toren sehnt, ist auch den meisten Anglern der Fisch am Haken nicht vollkommen egal, mit wenigen Ausnahmen.

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V. (idw)

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