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Zeitung: Bundesrechnungshof hat keinen gesicherten Zugriff auf "Global Hawk"-Unterlagen

Archivmeldung vom 25.05.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.05.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk ist eine Drohne, die von Northrop Grumman's Ryan Aeronautical Center, San Diego, Kalifornien produziert wird. Als hochfliegendes Langstrecken-Aufklärungsflugzeug ersetzt es derzeit die letzten Versionen des berühmten Aufklärungsflugzeugs U-2.
Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk ist eine Drohne, die von Northrop Grumman's Ryan Aeronautical Center, San Diego, Kalifornien produziert wird. Als hochfliegendes Langstrecken-Aufklärungsflugzeug ersetzt es derzeit die letzten Versionen des berühmten Aufklärungsflugzeugs U-2.

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Bundesrechnungshof hat einem Medienbericht zufolge keinen gesetzlich gesicherten Zugriff auf alle Unterlagen des Boden-Überwachungsprogramms der Nato, obwohl Deutschland die dafür vereinbarte Anschaffung von fünf Global-Hawk-Drohnen zu einem Drittel finanziert. Der Beschaffungsvertrag mit der Nato-Managementagentur für das Programm (Nagsma) sehe in einer Klausel lediglich vor, die Agentur werde "den Zugang erleichtern", meldet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (F.A.S.).

Damit bleibt der Vertrag deutlich zurück hinter einer Forderung des Rechnungshofs. Die Bonner Prüfbehörde hatte in einer vertraulichen Vorlage an den Haushaltsausschuss des Bundestags im Februar 2009 darauf gedrungen, bei der Vertragsgestaltung "einen vorbehaltlosen Zugriff der nationalen Rechnungskontrollbehörden auf Unterlagen der Nagsma sicherzustellen".

Eine Sprecherin des Bundesrechnungshofs sagte der F.A.S., die Behörde prüfe "begleitend die deutsche Beteiligung" an dem Rüstungsprojekt. Ob es dabei ebenso wie beim gescheiterten Projekt Euro Hawk Probleme mit dem Zugang zu Unterlagen gebe, wollte sie sich nicht sagen.

Aus der Vorlage von 2009, die der F.A.S. vorliegt, geht hervor, dass der Rechnungshof schon damals vor unabsehbaren finanziellen Risiken beim Boden-Überwachungsprogramm gewarnt hat. Die Risiken erschienen den Prüfern so "schwerwiegend", dass sie die geplante Unterzeichnung einer Absichtserklärung für das Programm auf dem Nato-Gipfel in Kehl Anfang April 2009 "verfrüht" nannten.

Konkret warnten sie davor, dass bis zur endgültigen Vertragsunterzeichnung Staaten abspringen könnten, was den deutschen Beitrag erhöhen würde. Sie empfahlen den Abgeordneten deshalb, "eine prozentuale Höchstgrenze festlegen zu lassen, die der deutsche Anteil nicht übersteigen sollte".

Außerdem wiesen die Prüfer auf "das vollständige Fehlen belastbarer Preis- und Kostendaten der beteiligten Industrie" hin. Die Absichtserklärung wurde im September 2009 unterschrieben, der Haushaltsausschuss hatte unter Auflagen zugestimmt. Trotzdem erfüllte sich die Warnung des Rechnungshofs. Während die Absichtserklärung noch einen deutschen Anteil von 28 Prozent an den Gesamtkosten, 400 Millionen Euro, vorsah, wurde im Vertrag 2012 ein Anteil von 33 Prozent, 483 Millionen Euro, vereinbart. In der Zwischenzeit hatten drei Nato-Mitgliedsstaaten dem Projekt den Rücken gekehrt.

"Spiegel": Unregelmäßigkeiten bei der Zulassung von "Euro Hawk"

Schon im Sommer 2009 schlugen Bundeswehr-Prüfer Alarm, dass es massive Probleme bei der Zulassung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" gebe. Das zeigen interne Dokumente der für die Prototypenprüfung zuständigen Abteilung beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), die dem "Spiegel" zugänglich gemacht wurden. Demnach flogen erstmals im Sommer 2009 Fachleute der Koblenzer Behörde nach Kalifornien, um den Bau der Drohne zu begutachten. Aus der Gruppe sei ein alarmierender Bericht nach Hause geschickt worden, heißt es. Bei der Ankunft sei das Fluggerät bereits vollständig fertiggestellt gewesen, weshalb herstellungsbegleitende Prüfungen unmöglich gewesen seien. Northrop Grumman stellte den Beamten auch keine anerkannten Bauunterlagen zur Verfügung. Beim Test des Kraftstoffsystems wurde ihnen der Zutritt von der U.S. Air Force verweigert.

Wie die Unterlagen aus dem Beschaffungsamt nahe legen, waren die deutschen Prüfer möglicherweise gar nicht befugt, die Flugtauglichkeit der neuen Drohne zu bescheinigen. Dazu hätte Northrop Grumman die Beamten ausführlich über die technischen Details der Drohne aufklären müssen. Das soll nicht geschehen sein. Schon aus Eigenschutz weigerten sich die Beamten zunächst, die Prototypenprüfung fortzuführen. Denn bei Unfällen mit tödlichen Folgen hätte die ganze Verantwortung bei ihnen gelegen. In diesem Fall sei mindestens der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung, wenn nicht sogar der des Totschlags erfüllt, heißt es aus dem Prüferkreis.

Auch der Betriebsrat der Behörde warnte den Chef Harald Stein, die Zulassung mit allen Mitteln durchzupeitschen. Dieser nehme es in Kauf, "dass die beauftragten Mitarbeiter über keine oder kaum Erfahrung bei der Musterzulassung von Fluggerät verfügen", heißt es in dem Brief vom Oktober 2009, der dem "Spiegel" vorliegt. Doch der Druck aus dem Ministerium nahm zu. Das ergibt sich aus einem Mail-Verkehr von Ende 2010, in dem zu einer Krisensitzung eingeladen wird. Darin ist von einer "ministeriellen Initiative" die Rede, wonach der "Euro Hawk" bis zum April 2011 nach Deutschland zu überführen sei. Damals war Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Verteidigungsminister. Für die zur vorläufigen Zulassung notwendigen Prüfungen fand sich schließlich ein Beamter, der dafür später befördert wurde. Die Unterschrift für die Prototypenprüfung soll nach "Spiegel"-Informationen ein Mitarbeiter geleistet haben, der zu diesem Zeitpunkt bereits in einer anderen Abteilung arbeitete. Das Dienstsiegel soll er sich aus der alten Arbeitsstelle besorgt haben. Das BAAINBw wollte sich dazu auf Nachfrage des "Spiegel" mit Verweis auf die laufende Untersuchung der Vorgänge durch das Ministerium nicht äußern.

Nach Informationen des "Spiegel" streitet sich das Ministerium mit dem US-Hersteller über die Frage, wer die Drohne fliegen darf. Bislang wird der im bayerischen Manching stationierte "Euro Hawk" aus den USA gesteuert. Das Ministerium will die Drohne von deutschen Piloten steuern lassen und hat Piloten ausbilden lassen, die im Moment aber keine Beschäftigung haben. Trotz der Probleme beim "Euro Hawk" warb de Maizière im Frühjahr 2012 massiv darum, dass sich Deutschland am AGS-Projekt der Nato beteiligt, bei dem ebenfalls Hawk-Drohnen angeschafft werden. Von den Problemen bei der Zulassung des "Euro Hawk" war in der Vorlage jedoch keine Rede.

De Maizière hat den internen Prüfbericht zur Drohnen-Affäre nach Informationen des "Spiegel" bereits für Ende dieser Woche bestellt, um ihn dann vor der Präsentation im Verteidigungsauschuss selbst noch einmal zu prüfen. Unionsfraktionschef Volker Kauder stellte sich demonstrativ hinter de Maizière: "Der Verteidigungsminister hat das volle Vertrauen der Fraktion. Er bereitet jetzt den Sachverhalt auf, die nötige Zeit dafür soll er sich nehmen." Der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner droht bei unzureichender Information mit einem Untersuchungsausschuss: "Wenn de Maizière seine Entscheidungen nicht lückenlos aufklären kann, muss das Parlament das übernehmen."

Abgeordnete: Komplettausstieg aus "Global Hawk"-Beschaffung prüfen

Abgeordnete von Regierung und Opposition im Bundestag haben Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aufgefordert, einen Ausstieg aus dem Nato-Rüstungsprogramm Global Hawk zu prüfen, an dem Deutschland mit 483 Millionen Euro beteiligt ist. "Der Verteidigungsminister muss jetzt klären, ob es ein generelles und unüberwindbares Problem mit der Zulassung von Drohnen im zivilen Luftraum gibt. Falls ja, ist es vor dem Steuerzahler nicht zu vertreten, weiter Hunderte Millionen Euro in den Global Hawk zu stecken. Dann muss geprüft werden, zu welchen Konditionen der Vertrag auch beendet werden kann", sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Elke Hoff der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels sagte der F.A.S.: "Wenn wir den Global Hawk für die Nato beschaffen, müssen wir ihn auch überall einsetzen können." Bartels verlangte von de Maizière, "dass er baldmöglichst ein neues Drohnen-Konzept vorlegt. Wir können nicht ad hoc über einzelne Projekte entscheiden, ohne deren Rahmen zu kennen".

Tobias Lindner, für die Grünen im Haushaltsausschuss, sagte der F.A.S.: "Wenn der Global Hawk nicht im europäischen Luftraum fliegen darf, steht die Sinnhaftigkeit des ganzen Projekts in Frage. Das Verteidigungsministerium muss jetzt unbedingt prüfen, wie und zu welchen Bedingungen wir noch aus dem Beschaffungsvertrag aussteigen können."

Gemäß Finanzplanung sind von den veranschlagten 483 Millionen Euro in den vergangenen beiden Jahren schon 112 Millionen nach Brüssel überwiesen worden, für das laufende Jahr sind weitere 90 Millionen vorgesehen. Der Beschaffungsvertrag, den Deutschland 2012 mit der zuständigen Nato-Managementagentur (Nagsma) geschlossen hat, sieht nach Angaben der F.A.S. ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Auftraggeber vor, allerdings muss er schon vereinbarte Leistungen trotzdem abgelten. Diese Leistungen werden in Unterverträgen festgelegt. Bei einem Sofortausstieg wäre deshalb wohl nicht die gesamte Vertragssumme fällig, sondern nur ein Teil.

Gysi wirft de Maizière bei Drohnen-Debakel schwere Versäumnisse vor

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi wirft Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) schwerwiegende Fehler nach dem Scheitern des Drohnen-Projektes "Euro-Hawk" vor. Entweder habe der Minister getäuscht oder er sei getäuscht worden, sagte Gysi im Deutschlandfunk.

Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Information, so Gysi. "Es sind 600 Millionen Euro in den Sand gesetzt worden. Das müssen Sie den Leuten erklären, denen im Ort gesagt wird, dass es für die Schwimmhalle und die Kindertagesstätte kein Geld gibt. So können wir einfach nicht mit den Steuergeldern umgehen."

Dennoch fordert Gysi zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Rücktritt des Bundesverteidigungsministers. "Aber personelle Konsequenzen wird es geben. Ich sage Ihnen noch einmal: Der Eindruck in der Bevölkerung, dass wir in der Bundespolitik die Millionen so verschleudern und unten das Geld fehlt, der muss endlich korrigiert werden", bekräftigte Gysi.

Nato-Drohnenprojekt: FDP distanziert sich von de Maizière

Nach dem Scheitern des Drohnenprojekts Euro Hawk distanziert sich die FDP in scharfer Form vom Nato-Drohnenprogramm AGS ("Alliance Ground Surveillance"), das Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) persönlich vorangetrieben hat. "Ich hatte starke Vorbehalte gegen AGS und habe das im vergangenen Jahr auch in Einzelgesprächen mit dem Ministerium deutlich gemacht", sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe). "Mit meinen Bedenken war ich nicht allein, die Skepsis war auch bei Fraktionskollegen vorhanden", fügte sie hinzu.

Für das Aufklärungs- und Überwachungsprogramm sollen Drohnen des Typs Global Hawk eingesetzt werden, auf dem der Euro Hawk basiert. Es wird vermutet, dass sie vor der gleichen Zulassungsproblematik stehen, an welcher der Euro Hawk gescheitert ist. Daraus ergibt sich der Verdacht einer weiteren Fehlinvestition. Das Projekt AGS stand auf dem Programm des Nato-Gipfels in Chicago im Mai vergangenen Jahres. In der Zeit um den Gipfel herum setzte sich de Maizière vor Abgeordneten dafür ein, das Projekt zu unterstützen.

Die Schwierigkeiten bei der Zulassung des Euro Hawk indes waren im Ministerium bereits seit 2011 bekannt. Die FDP-Abgeordnete Hoff erinnert sich, der für die Nato zuständige parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) habe ihr wegen der Bedenken "noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig das Projekt vor dem Hintergrund unserer Bündnisverpflichtungen gerade im Vorfeld des Chicago-Gipfels" sei. "Es wurde auch vorgetragen, dass die Bundesregierung für dieses Projekt eigentlich keine Zustimmung des Parlaments benötige, sondern dies auch alleine entscheiden könne." "Meine Skepsis ging auf den in langen Jahren entwickelten Instinkt zurück, dass bei derartigen multinationalen Großprojekten, die immer wieder Unsummen verschlingen, regelmäßig die Finanzierung und die Kontrolle aus dem Ruder laufen", sagt Hoff. "Und vor dem Hintergrund der heutigen Erkenntnisse war diese Skepsis offensichtlich berechtigt."

Umfrage: Mehrheit lehnt Rücktritt de Maizières ab

Trotz des Drohnen-Skandals lehnt die Mehrheit der Deutschen einen Rücktritt von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ab. Auf die Frage, ob der Minister wegen des gescheiterten Drohnen-Projekts von seinem Amt zurücktreten sollte, antworteten in einer Emnid-Umfrage für das Magazin "Focus" 55 Prozent der Befragten mit nein. 40 Prozent befürworteten einen Rücktritt. Den stärksten Rückhalt erfährt der Minister von FDP-Anhängern. Hier wünschen sich nur 13 Prozent einen Rücktritt. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid befragte am 22. und 23. Mai im Auftrag von "Focus" 1.007 repräsentativ ausgewählte Personen.

Rüstungskonzern bietet Nachbesserung für Euro Hawk an

Der amerikanische Rüstungskonzern Northrop Grumman hat dem Bundesverteidigungsministerium laut eines Zeitungsberichtes angeboten, die für eine Zulassung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk notwendigen Leistungsnachweise für 160 Millionen Euro zu erbringen. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) aus Industriekreisen erfahren haben will, wurde das Angebot am 17. Mai übermittelt.

Eine Woche zuvor hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière entschieden, die Beschaffung von vier Euro-Hawk-Drohnen zu stoppen. Das Ministerium begründete dies mit Mehrkosten von 500 bis 600 Millionen Euro, die zusätzlich notwendig seien, um die Zulassung in Deutschland zu erreichen. Nach F.A.S.-Angaben hatten leitende Manager dem zuständigen Rüstungsdirektor im Verteidigungsministerium schon Anfang April in Aussicht gestellt, dass sie diese Kosten deutlich unterbieten würden.

Allerdings würde auch die angebotene Nachbesserung nicht das Problem lösen, dass dem Euro Hawk ein autonomer Kollisionsschutz fehlt. Dieser Schutz (sense-and-avoid) ist notwendig, wenn Drohnen - wie von der Bundeswehr vorgesehen - in den zivilen Flugverkehr integriert werden sollen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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