Abtreibung: Schwarz-Rot streitet über Auslegung des Koalitionsvertrags
Zwischen Union und SPD ist wohl ein Konflikt über die Auslegung des Koalitionsvertrages zum Thema Abtreibungen entbrannt. Das berichtet die "Welt".
In der Endfassung des Vertrages hatten sich die Koalitionäre darin
für eine Verbesserung der Versorgungssituation von Frauen in
Konfliktsituationen geeinigt: "Wir erweitern dabei die Kostenübernahme
durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen
hinaus." Nach Ansicht der SPD-Kandidatin für das
Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, macht diese
Formulierung eine Legalisierung von Abtreibungen in der Frühphase der
Schwangerschaft nötig, da eine Leistungspflicht der Krankenkassen nur
für rechtmäßige Abbrüche bestehe.
Die CDU/CSU im Bundestag
widersprach dieser Auffassung in der "Welt": Mit der Formulierung im
Koalitionsvertrag sei lediglich die Verbesserung der finanziellen
Unterstützung für bedürftige Frauen gemeint. "Bei geringem Einkommen
werden die Kosten schon heute von den Bundesländern aus Steuermitteln
übernommen. In dem Antragsverfahren sind die Krankenkassen das
Scharnier, sie leiten die Anträge an die staatlichen Stellen weiter.
Nichts anderes ist gemeint, wenn im Koalitionsvertrag von einer
Erweiterung der Kostenübernahme durch die gesetzliche
Krankenversicherung 'über die heutige Regelung hinaus' die Rede ist",
sagte Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) der "Welt".
Eine
Übernahme des Schwangerschaftsabbruchs in den regulären
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen lehne die Union ab. "Es
gibt auch keinen Anlass zu Interpretationen, dass die Union von der
Rechtslage abrücken will", sagte Winkelmeier-Becker. "Eine Veränderung
bei Paragraf 218 ist nicht vereinbart und stünde im klaren Widerspruch
zur Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Ungeborenen und zur
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes."
"Im
Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die Kostenübernahme von
Schwangerschaftsabbrüchen über die aktuelle Regelung hinaus erweitern.
Für mich bedeutet das, dass wir diese zu einer Kassenleistung machen
wollen", sagte hingegen die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge der
"Welt". "Dafür wäre es tatsächlich erforderlich, den
Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren, weil
rechtswidrige Eingriffe nicht über die Krankenkassen finanziert werden
können. Hier hat Frau Brosius-Gersdorf recht."
Mit ihrem
fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf, Schwangerschaftsabbrüche in der
Frühphase zu legalisieren, hätten SPD, Grüne und Linke sich vor der
Bundestagswahl zwar nicht durchsetzen können - auch weil die Zeit
gefehlt habe, so Wegge. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe aber im
Zuge der Debatte gesagt, dass er dazu bereit sei, nach der Wahl über
eine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zu reden, so Wegge.
"Daran werden wir ihn auch messen. Wir haben jetzt vier Jahre Zeit,
ausführlich darüber zu diskutieren."
Hintergrund: In seiner
Sommerpressekonferenz am Freitag hatte Merz gesagt, die Verabredungen
des Koalitionsvertrags sollten ohne Abstriche kommen. "Welche
Rechtsfolgen das hat, möglicherweise auch auf den Paragrafen 218 des
Strafgesetzbuches, kann ich jetzt nicht abschließend beurteilen."
Derzeit seien Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig,
blieben aber unter bestimmten Umständen straffrei, so Merz. "Ob diese
Konstruktion geändert werden muss, wenn wir im Sozialrecht und im
Krankenkassenrecht etwas ändern, vermag ich im Augenblick nicht zu
beantworten. Meine Vermutung ist, wir werden daran, jedenfalls deswegen,
nichts ändern müssen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur