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Die Reise der Pollen

Archivmeldung vom 24.08.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.08.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Zur Bestäubung haften Pollen auf der sogenannten Narbe in der Blüte der Hypochoeris radicata, wie die nachkolorierte Aufnahme aus dem Rasterelektronenkryomikroskop zeigt.
Zur Bestäubung haften Pollen auf der sogenannten Narbe in der Blüte der Hypochoeris radicata, wie die nachkolorierte Aufnahme aus dem Rasterelektronenkryomikroskop zeigt.

Bild: © Shuto Ito (idw)

Für Allergikerinnen und Allergiker bedeutet der Pollenflug oft eine schwere Zeit. Für Pflanzen ist er hingegen eine der wichtigsten Möglichkeiten, sich zu vermehren: Neben dem Wind tragen vor allem Insekten die Pollen von einer Blüte zur anderen, um sie zu bestäuben. Hierbei müssen sich die Pollen immer wieder auf unterschiedlichen Oberflächen anhaften und sich ablösen. Die dafür nötigen Haftmechanismen waren bisher wenig erforscht.

Wie Wissenschaftler des Zoologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) jetzt herausgefunden haben, sind diese Mechanismen weitaus komplexer als bisher angenommen. Sie unterscheiden sich je nach Mikrostruktur der Pflanzenoberflächen und der Dauer ihres Kontakts mit den Pollen. In der Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Journal of the Royal Society Interface erschienen ist, hat das Forschungsteam erstmals die dabei wirkenden Haftkräfte gemessen. Die Ergebnisse könnten wichtige Erkenntnisse liefern für den Transport medizinischer Wirkstoffe oder, angesichts eines steigenden Insektensterbens, für die Entwicklung alternativer Strategien in der Landwirtschaft.

Pollen: Ein Allroundtalent der Haftung

Juckende Nase, gerötete Augen, ständiges Niesen – Materialwissenschaftler Shuto Ito litt selbst unter einer starken Pollenallergie. Er wollte mehr über den Prozess des Pollenflugs erfahren und verließ seine Heimatstadt in Japan, um gemeinsam mit Professor Stanislav Gorb die Hafteigenschaften von Pollen zu erforschen. In seiner Arbeitsgruppe „Funktionelle Morphologie und Biomechanik“ an der CAU untersucht Gorb die besonderen Fähigkeiten von Pflanzen und Tieren und wie sich diese künstlich nachbilden lassen.

„Pollen, die von Insekten transportiert werden, bewältigen drei verschiedene Haftuntergründe: Wenn sie sich von ihrer Startblume lösen, auf dem Insekt anhaften und von dort schließlich auf der Zielblume abgesetzt werden. Wir wollen herausfinden, welche Haftmechanismen das ermöglichen“, erklärt Gorb. Doktorand Ito untersucht diese Mechanismen anhand von Modellpflanzen der Art Hypochaeris radicata. Diese krautartigen Pflanzen aus der Familie der Korbblütler blühen bis in den Spätherbst auf der gesamten Nordhalbkugel. Die Pollen auf ihren gelben Blüten sind wie die vieler anderer Pflanzen mit einer öligen Substanz umgeben, dem sogenannten Pollenkitt. „Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass Pollenkitt eine zentrale Funktion für das Anhaften der Pollen hat. Doch wir haben festgestellt, dass er sich unter bestimmten Bedingungen genau gegensätzlich verhält, also nicht haftet.“, fasst Ito seine bisherigen Erkenntnisse zusammen. „Wir müssen die Haftmechanismen von Pollen viel differenzierter betrachten.“ Demnach werde die Haftung von Pollen von einem komplexen Wechselspiel aus dem Alter der Pollen, der Luftfeuchtigkeit und den jeweiligen Haftuntergründen beeinflusst.

Start- und Zielpunkt des Pollenflugs untersucht

In ihrer aktuellen Studie konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Haftmechanismen der beiden Pflanzenteile, die für den Pollentransport am wichtigsten sind: Auf dem Griffel, einem männlichen Teil des Blütenstempels, auch Stylus genannt, haften die Pollen, bevor sie von einem Insekt abgelöst werden. Darüber befindet sich bei den untersuchten Korbblütern die Narbe. Das weibliche Organ, auch als Stigma bezeichnet, nimmt die ankommenden Pollen von anderen Blüten auf.

Mit einem Rasterkraftmikroskop haben die Wissenschaftler gemessen, wie stark die Pollen auf dem Griffel und der Narbe der Hypochaeris radicata jeweils haften. Sie fanden heraus, dass beide Pflanzenteile sehr unterschiedliche Hafteigenschaften besitzen, die sich im Verlauf des Bestäubungsprozesses ändern. So erhöht sich die Haftwirkung auf der Narbe drastisch um den Faktor 11,9, während sie auf dem Griffel mit dem Faktor 2,7 nahezu unverändert bleibt.

Optimale Anpassung im Laufe der Evolution

„Wir nehmen an, dass die beiden Pflanzenteile im Laufe der Evolution unterschiedliche Funktionen herausgebildet haben, um den Prozess der Bestäubung zu optimieren“, erklärt Ito. Die Narbe erhöhe ihre Haftung, um die neuen Pollen aufzunehmen und festzuhalten. Würde sich die Haftung allerdings auch auf dem Griffel als Startpunkt des Pollentransports intensivieren, könnten sich die Pollen dort nicht mehr ablösen. „Mit diesem Haftsystem tragen die Pollen vermutlich entscheidend dazu bei, die Reproduktion von Pflanzen zu sichern“, so Ito weiter.

Verantwortlich für die verschiedenen Hafteigenschaften der beiden Pflanzenteile, so vermuten die Wissenschaftler, ist ihre unterschiedliche Oberflächenstruktur auf Mikroebene und eine spezielle Flüssigkeit, die von der Narbe abgesondert wird. Hierfür untersuchten sie mit einem speziellen Kryorasterelektronenmikroskop schockgefrorene Proben der Pflanzen. In diesem Zustand bleibt ihre ursprüngliche Struktur erhalten und es lassen sich auch flüssige oder ölige Substanzen betrachten.

Mögliche Erkenntnisse für Beschichtungsprozesse und den Transport medizinischer Wirkstoffe

„Wenn wir herausfinden, mit welchen Mechanismen wir solche Interaktionen von Mikropartikeln und Oberflächen steuern könnten, ließen sich daraus möglicherweise Schlüsse ziehen für Beschichtungs- und Druckprozesse, den Transport von medizinischen Wirkstoffen oder die Behandlung von Atemwegserkrankungen“, vermutet Bionik-Forscher Gorb. In Form spezieller Filter könnten sie vielleicht auch eines Tages Pollenallergikern und -allergikerinnen Abhilfe schaffen.

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (idw)

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