Weltwirtschaft 2050: E7 lassen G7 hinter sich
Archivmeldung vom 03.03.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.03.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Gewichtsverteilung in der Weltwirtschaft verschiebt sich in den kommenden Jahrzehnten deutlich zu Gunsten der so genannten Emerging Economies. Bis 2050 wird das Bruttoinlandsprodukt der E7-Staaten (Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland und die Türkei) nach Berechnungen der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) etwa 25 Prozent über dem der derzeitigen G7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) liegen. Heute erreichen die E7-Staaten nur rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung der führenden Industrienationen.
Auch wenn der rasante wirtschaftliche Aufholprozess der Emerging
Economies die G7-Staaten zum Teil vor erhebliche Anpassungsprobleme
stellen dürfte, überwiegen insgesamt die Vorteile - und zwar für
beide Wirtschaftsgruppen, wie aus der Studie "The World in 2050: How
big will the emerging market economies get and how can the OECD
compete?" hervorgeht. "Voraussetzung ist jedoch, dass die G7-Staaten
komparative Kostenvorteile konsequent ausnutzen und der Versuchung
widerstehen, nicht konkurrenzfähige Branchen durch Zölle,
Subventionen oder andere protektionistische Maßnahmen abzuschotten.
Denn nur dann können Unternehmen und Konsumenten von kostengünstigen
Importen aus den Emerging Economies profitieren und ihrerseits
Exportchancen auf den neuen Märkten wahrnehmen", betont Hans Wagener,
Sprecher des PwC-Vorstands.
China wird zweitgrößte Wirtschaftsmacht - Deutschland fällt stark
zurück
Vor allem die demographische Entwicklung trägt dazu bei, dass sich
die Rangfolge der größten Wirtschaftsmächte bis 2050 deutlich
verschieben wird. Zwar können die USA ihre Position als größte
Volkswirtschaft der Welt voraussichtlich bis 2050 halten, China
dürfte jedoch mit nur geringem Abstand auf dem zweiten Rang folgen.
Umgerechnet in Kaufkraftparitäten läge die chinesische
Wirtschaftsleistung sogar fast beim anderthalbfachen Wert des
US-Bruttoinlandsprodukts. Japan und Deutschland, die 2005 noch 39
Prozent beziehungsweise 23 Prozent der US-amerikanischen
Wirtschaftsleistung erreichen und damit die Plätze zwei und drei im
weltweiten Ranking belegen, fallen bis 2050 deutlich zurück:
Deutschland liegt den PwC-Berechnungen zufolge auf Rang acht hinter
Mexiko, Japan ist immerhin noch die viertgrößte Wirtschaftsnation
hinter Indien und knapp vor Brasilien.
Die Verlagerung der wirtschaftlichen Zentren geht einher mit der
deutlich unterschiedlichen Bevölkerungsentwicklung. So wächst die
Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter in fast allen Emerging
Economies außer in China und Russland. Der Bevölkerungsrückgang in
China aufgrund der Ein-Kind-Politik ist auch dafür verantwortlich,
dass sowohl in Indien als auch Indonesien die Wirtschaft bis zur
Mitte des Jahrhunderts schneller wachsen dürfte als die chinesische
Volkswirtschaft. Bei den G7-Staaten verzeichnen nur die USA,
Australien und Kanada eine positive Bevölkerungsentwicklung.
Entsprechend verringert sich beim Pro-Kopf-Einkommen zwar der Abstand
zwischen den Staaten der E7 und G7, jedoch bleibt ein erheblicher
Niveauunterschied: Nach PwC-Berechnungen vervielfacht sich das
Pro-Kopf-Einkommen zwischen 2005 und 2050 beispielsweise in Indien
von 674 auf knapp 12.773 US-Dollar und in China von rund 1.664 auf
23.534 US-Dollar. Für Deutschland prognostizieren die Experten
demgegenüber einen Anstieg von 33.457 auf 68.261 US-Dollar.
Gewinner und Verlierer in G7-Staaten
Der anhaltende Boom in den Emerging Economies lässt zwar den
Anteil der G7-Staaten an der weltweiten Wirtschaftsleistung
unweigerlich sinken. Steigende Einkommen in den E7-Ländern schaffen
jedoch für die Unternehmen der etablierten Industrieländer neue
Absatzpotenziale - sofern sie sich konsequent auf ihre spezifischen
Vorteile gegenüber Konkurrenten aus den Emerging Economies
konzentrieren. Zwar lässt sich die Entwicklung komparativer
Kostenvorteile über längere Zeiträume kaum seriös einschätzen, für
die kommenden zehn Jahre sind aber zumindest vorsichtige Prognosen
über potenzielle Gewinner und Verlierer in den G7-Staaten möglich.
Auf Unternehmensseite dürften vor allem die großen
Einzelhandelskonzerne vom Aufholprozess der E7-Länder profitieren.
Sie gewinnen sowohl durch kostengünstige Importe als auch neue
Expansionsmöglichkeiten. Die deutsche Metro-Gruppe beispielsweise ist
bereits seit zehn Jahren in China präsent und betreibt dort
mittlerweile über 20 Großmärkte. Die französische Kette Carrefour
eröffnete im Februar bereits ihre 72. Niederlassung in China.
Ebenfalls auf der Gewinnerseite sieht die Studie beispielsweise
global führende Markenhersteller, Dienstleistungsunternehmen und
Energieversorger. Auf der anderen Seite zählen Massenhersteller
voraussichtlich zu den Verlierern - und zwar sowohl im Low-Tech- als
auch im High-Tech-Bereich. Doch auch Banken, Versicherungen und
andere Finanzdienstleister müssen mit zunehmender Konkurrenz aus den
E7-Staaten rechnen und könnten sich auf der Verliererseite wieder
finden, wenn sie sich auf den Märkten der Emerging Economies nicht
als Anbieter etablieren.
Für die Einwohner der G7-Länder stellen sich Vor- und Nachteile
der Entwicklung individuell unterschiedlich dar. Als Konsumenten
profitieren sie von den billigeren Importen aus den E7-Staaten, als
Arbeitnehmer stehen sie jedoch unter wachsendem Konkurrenzdruck durch
Produktionsverlagerungen und die Migration billigerer Arbeitskräfte
aus dem Ausland. Von dieser Entwicklung könnten künftig auch hoch
qualifizierte Berufstätige wie Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Banker
oder Finanzanalysten betroffen sein. Gut ausgebildete und hoch
motivierte Fachleute aus den E7-Staaten drängen zunehmend nach London
oder New York, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich in
Asien vergleichbare Finanzzentren herausbilden - mit klaren
Wettbewerbsvorteilen für Muttersprachler.
Protektionismus ist kein Ausweg
Der Aufholprozess der Emerging Economies setzt die Regierungen der G7-Staaten unter Druck: Sie müssen die richtigen Antworten auf Arbeitsplatzverluste in den Verliererbranchen und die voraussichtlich zunehmende Einkommensungleichheit finden. "In erster Linie zählt dazu die Anhebung des Ausbildungsniveaus sowie eine konsequente Weiterbildung beziehungsweise Umschulung der Arbeitnehmer aus Verliererbranchen", hebt Wagener hervor. Zusätzlich könnten auch neue staatliche Maßnahmen zur Abfederung der Einkommensungleichheit notwendig werden. Bei einer stärkeren Steuerbelastung höherer Einkommen sind jedoch stets die Auswirkungen auf international mobile Arbeitnehmer und Unternehmer zu bedenken.
Quelle: Pressemitteilung PricewaterhouseCoopers AG WPG