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Gutachter widerspricht Erzbistum Köln: Für Missbrauchs-Studie keine Zölibatsverstöße untersucht

Archivmeldung vom 08.03.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.03.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Kindesmissbrauch in der Kirche hat eine lange Tradition - und nicht nur dort! (Symbolbild)
Kindesmissbrauch in der Kirche hat eine lange Tradition - und nicht nur dort! (Symbolbild)

Bild: qpress.de / Eigenes Werk

Der vom Kölner Kardinal Rainer Woelki mit einem Gutachten zum Missbrauchsskandal beauftragte Strafrechtler Björn Gercke ist Behauptungen des Erzbistums Köln entgegengetreten, er habe neben Fällen sexuellen Missbrauchs auch Zölibatsvergehen untersucht. Zwar ergäben sich solche Vorkommnisse in Einzelfällen aus den ihm vorliegenden Akten, sagte Gercke dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Sie seien aber weder von ihm auf Pflichtverletzungen bei der Bearbeitung durch Bistumsverantwortliche geprüft worden noch in die Täter-/Opferstatistik eingegangen. Das Erzbistum hatte eine im Vergleich zu Angaben aus dem Jahr 2018 deutlich höhere Zahl von Beschuldigten und Opfern unter anderem damit erklärt, dass in Gerckes Zahlen "nun Beschuldigte und Opfer solcher Zölibatsvergehen mit einbezogen sind".

Darunter sind "sexuelle Beziehungen von Priestern zu hetero- oder homosexuellen Partnern" zu verstehen, wie es in einem offiziellen Schreiben des Bistumsjustiziariats heißt. Aus Kirchensicht handele es sich dabei um Vergehen. Einvernehmlicher Sex eines Priesters mit nicht schutzbefohlenen Erwachsenen - wiewohl kirchenrechtlich mit Strafe bedroht - falle nicht in seinen Untersuchungsauftrag, betonte Gercke. Sein Gutachten soll am 18. März vorgelegt werden. Nach Gerckes Angaben weist es rund 200 Beschuldigte (Kleriker und Laien) sowie etwa 300 Opfer aus. Die sogenannte MHG-Studie aus dem Jahr 2018 führt für das Erzbistum 87 Beschuldigte und 135 Opfer an. Ohne nähere Erläuterungen sind die bloßen Zahlen nur bedingt aussagekräftig.

Für seine Untersuchung hat Gercke weder den früheren Präventions- und Interventionsbeauftragten Oliver Vogt noch die langjährige Opferbeaufragte Christa Pesch zu ihren Kenntnissen über das Vorgehen der Bistumsleitung in Missbrauchsfällen befragt. Dies bestätigten alle Beteiligten auf Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeiger". Vogt hatte 2015 die von Kardinal Woelki neu gegründete Interventionsstelle des Erzbistums übernommen. Dort wurden seinerzeit die vorhandenen Missbrauchsakten zusammengeführt, von Vogt sortiert und systematisch ausgewertet. Auf sein Betreiben hin wurden in der Folge mehrere Verfahren gegen Missbrauchstäter in Gang gesetzt. "Ich habe mich sehr gewundert, dass sich die Gutachter nicht dafür interessiert haben, in welchem Zustand ich die Akten 2015 übernommen habe und was in den folgenden Jahren damit passiert ist", sagte er. Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, deren Gutachten Woelki 2020 unter Verschluss nehmen ließ, habe ihn zweimal ausführlich befragt.

"Ich kann mir keinen Reim darauf machen, warum das jetzt nicht passiert ist. Aber anscheinend gibt es bei diesem neuen Gutachten andere Prioritäten." Ähnlich äußerte sich Pesch. Gercke erklärte dazu, seine Kanzlei habe im Rahmen des Gutachten-Auftrags keine Fragen an Vogt oder Pesch gehabt, "die nicht schon anderweitig geklärt werden konnten". Befragt worden seien nur "Menschen, bei denen nach Aktenlage ein möglicher Verdacht im Raum stand" oder die seiner Kanzlei bei nicht eindeutiger Aktenlage in einer "Verdachtslage bezüglich Dritter weiterhelfen konnten". Seine Kanzlei habe sich "insoweit streng am Gutachtenauftrag orientiert". Im Übrigen verwies er auf die für nächste Woche geplante Präsentation seiner Studie.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sprach von einem "kapitalen Fehler". Um das Agieren der Bistumsverantwortlichen umfassend beurteilen zu können, "hätte man die beiden Personen befragen sollen, die in der Zeit nach 2010, als die meisten Anzeigen eingingen, den engsten Kontakt zu den Opfern hatten und mit am besten wussten, wie die Bistumsleitung vorgegangen ist". Das Problem der Aufarbeitung liege nicht zuletzt in Defiziten der Aktenführung. Überdies ergebe sich ein nach kirchlichem Selbstverständnis verwerfliches Verhalten der Verantwortlichen oftmals "gerade nicht aus den Akten, ist aber durch Berichte von Augen- und Ohrenzeugen dennoch sehr wohl feststellbar". Ob das Fehlen solcher Zeugnisse die Untersuchungsergebnisse "verändert oder gar verzerrt", werde sich dann nach dem 18. März anhand eines Vergleichs der beiden Gutachten erweisen.

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger (ots)


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