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„Buddhisten meditieren“ und andere Klischees

Archivmeldung vom 06.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Oliver Freiberger
Oliver Freiberger

Der Indologe und Religionswissenschaftler Dr. habil. Oliver Freiberger, Assistant Professor an der University of Texas at Austin, war jetzt bei der Bayreuther Religionswissenschaft zu Gast. Freiberger, der bis 2004 Assistent am Bayreuther Lehrstuhl für Religionswissenschaft I gewesen war, präsentierte im Rahmen der William-James Gastprofessur für Religionsforschung neueste Forschungsergebnisse zum indischen Buddhismus.

Dass der Buddha („der Erwachte“) ein rationaler Philosoph und die frühen Buddhisten besitzlose Mönche waren, dass der Buddhismus eine tolerante Religion ist und dass Meditation seine zentrale religiöse Praxis bildet, gehört heute zur Allgemeinbildung. Umso überraschender war für die Teilnehmer der Vorlesungsreihe, dass dieses Bild des Buddhismus vor der neueren Forschung kaum mehr bestehen kann.

Prägend für das europäische Buddha-Bild war die 1844 veröffentlichte Studie Introduction à l'histoire du Bouddhisme indien des französischen Orientalisten Eugène Burnouf. Dessen Vorstellung vom Buddha als einem ethisch handelnden und rational argumentierenden Philosophen spiegelt das Ideal der europäischen Aufklärung von einer vernünftigen Religion wider. Die neuere Forschung ernüchtert dem gegenüber zunächst mit der Feststellung, dass die erhaltenen historischen Quellen kaum Aussagen über die Person des Buddha zulassen. Denn bei diesen Quellen handelt es sich um Erzählungen, die erst Jahrhunderte nach seinem Tod (vermutlich um 400 vor Christus) von Anhängern verfasst wurden und die vielfältige und widersprüchliche Aussagen enthalten. Untersucht man diese Erzählungen aber daraufhin, wie die frühen Buddhisten sich den Buddha vorstellten, so tritt er nicht nur als überzeugender Philosoph auf, sondern auch als überlegener Wundertäter mit magischen Kräften. Hierauf geht vermutlich auch zurück, dass unmittelbar nach dem Tod des Buddha ein Kult um seine Reliquien begann, der in den buddhistischen Traditionen Asiens bis heute fortbesteht.
In ähnlicher Weise widerlegte Freiberger andere Klischees über den Buddhismus: Er zeigte, dass frühe buddhistische Klöster keine abgeschiedenen Einsiedeleien waren, sondern zu bedeutsamen Institutionen regionaler Waren- und Geldwirtschaft heranwuchsen. Auch der einzelne Mönch und die einzelne Nonne konnten über umfangreichen Privatbesitz verfügen, der mitunter sogar Leibeigene und Sklaven umfasste. Ebenso wies Freiberger anhand der Quellen nach, dass der frühe Buddhismus neben Toleranz auch ganz andere Umgangsweisen mit Nicht-Buddhisten zeigte, inklusive Ansprüchen auf alleinige Gültigkeit und Polemik gegenüber Andersgläubigen.

In der weiteren Vorlesung zeigte Freiberger an vielen Beispielen die Vielfalt buddhistischer Lehren und Praktiken, Schul- und Ordensbildungen auf. So galt neben dem Heilsziel des nirva?a auch der Aufenthalt in einem Himmel für Laien wie Mönche durchaus als erstrebenswertes Ziel, dem man sich durch Gabenspenden annähern konnte – drastisch ausgemalte Höllenvorstellungen bildeten dazu das Gegenstück. Auch führte Freiberger aus, dass Meditation für den Großteil asiatischer Buddhisten, Laien wie Mönche, keine Rolle spielt.

In einer Reihe von Schlaglichtern beleuchtete Freiberger die Ausbreitung des Buddhismus über den indischen Subkontinent sowie nach Tibet und Ostasien. Zu den großen Fragen der Forschung gehört, warum der Buddhismus dort ab dem 12./13. Jahrhundert unterging; sehr gut konnte hingegen seine Wiederbelebung in Sri Lanka im 19. Jahrhundert erforscht werden, für die die Gründergestalten der Theosophischen Gesellschaft, die Russin Helena Petrovna Blavatsky und der Amerikaner Henry Steel Olcott, eine zentrale Rolle spielten.
Oliver Freiberger rief in seiner Gastvorlesung die Zuhörer dazu auf, vermeintliches Wissen über religiöse Traditionen immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen und durch minutiöse Erschließung und Analyse der zugänglichen historischen Quellen zu revidieren. Dies verlange auch, sich als Forschende Rechenschaft über die eigenen Motive und Erwartungen zu geben. In Anlehnung an den Namensgeber der Gastprofessur, den amerikanischen Religionspsy-chologen William James, mahnte Freiberger abschließend, sich vor „Übersimplifizierung“ zu hüten, da Religionen nicht „ein Wesen, sondern viele Eigenarten“ hätten.

Quelle: Universität Bayreuth

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