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Wenn der Taxifahrer zuviel berechnet: Ökonomen untersuchen Märkte für Vertrauensgüter

Archivmeldung vom 12.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Andreas Morlok  / pixelio.de
Bild: Andreas Morlok / pixelio.de

Wer in einer fremden Stadt ins Taxi steigt, kennt meist weder den kürzesten Weg zum Ziel noch den angemessenen Fahrpreis. Inwieweit die Unwissenheit des Kunden den Fahrer zum Betrug verleitet, untersucht eine aktuelle Studie, die das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) heute veröffentlicht hat. Darin belegt ein Forscherteam der Universität Innsbruck anhand eines Feldversuchs auf den Straßen Athens, dass jeder zweite Taxikunde zuviel bezahlt. Für ortsfremde Fahrgäste liegt der ungerechtfertigte Mehrpreis besonders hoch.

Ökonomen sprechen von "Vertrauensgütern", wenn der Markt für ein Gut oder eine Dienstleistung durch ein Informationsgefälle zwischen Anbieter und Käufer gekennzeichnet ist. Dies trifft beispielsweise auf das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten oder Automechanikern und Werkstattkunden zu. Bei Vertrauensgütern ist der Kunde auch im Nachhinein nicht in der Lage, die Qualität der Leistung zu beurteilen. Dadurch entsteht für den Anbieter ein Anreiz zu opportunistischem Verhalten, indem er falsch abrechnet oder eine unnötige Mehrleistung erbringt.

Die resultierenden wirtschaftlichen Schäden sind immens. Das US-Verkehrsministerium etwa geht davon aus, dass über die Hälfte der in Rechnung gestellten Autoreparaturen unnötig sind. Studien aus der Schweiz zeigen, dass der durchschnittliche Patient um ein Drittel häufiger operiert wird als Ärzte und deren Angehörige.

Da das genaue Ausmaß des Betrugs meist schwer messbar ist, widmen sich die Autoren der Studie dem Markt für Taxifahrten. Hier lassen sich sowohl unnötige Leistungen in Form von Umwegen als auch überhöhte Rechnungen, etwa durch pauschale Zuschläge oder ausgeschaltete Taxameter, detailgenau identifizieren.

Für das Experiment schickten die Forscher drei Versuchspersonen auf insgesamt 174 Testfahrten im Stadtgebiet von Athen. Die Probanden verbrachten rund 63 Stunden in Taxis und legten dabei 2236 Kilometer zurück. Um die tatsächlich gefahrene Strecke mit der optimalen Route und dem dafür angemessenen Preis vergleichen zu können, war jede Testperson mit einem GPS-Gerät ausgestattet.

Einer der Fahrgäste sprach nur Englisch, ein weiterer stellte sich als ortsfremder Grieche dar, der dritte als einheimischer Athener. In verschiedenen Versuchsdurchgängen wurden darüber hinaus die Kleidung und das Fahrtziel variiert, um Kunden mit unterschiedlicher Finanzkraft zu simulieren.

Das Ergebnis: Fast jeden zweiten Passagier brachten die Taxifahrer über einen Umweg zum Ziel, der mindestens fünf Prozent über der optimalen Fahrstrecke lag. Erwartungsgemäß fiel die Fahrt bei ortsfremden Kunden deutlich weiter und länger aus als bei einheimischen Athenern.

Allerdings wurde nur jedem zehnten Fahrgast ein überhöhter Fahrpreis in Rechnung gestellt, der nicht der gefahrenen Strecke entsprach. "Das Risiko, dass der Betrug aufgedeckt wird und für den Fahrer Konsequenzen hat, ist bei falschen Tarifen wesentlich höher als bei Umwegen, für die sich leicht ein plausibler Grund erfinden lässt", erklärt der Innsbrucker Ökonom Matthias Sutter. Bei ausländischen Passagieren schätzen die Fahrer das Entdeckungsrisiko offenbar geringer ein: Rund jeder fünfte Ausländer zahlte einen unzulässigen Tarif. Dadurch lag die Rechnung um 35 Prozent über dem angemessenen Fahrpreis.

Im Durchschnitt bezahlten einheimische Athener lediglich vier Prozent mehr als für eine optimale Fahrt. Für ortsfremde Griechen lag der Aufschlag bei neun Prozent, während Ausländer mit 19 Prozent zusätzlich zur Kasse gebeten wurden. Der gefühlte Informationsvorsprung gegenüber dem Kunden hat demnach einen entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß des Betrugs. Die Finanzkraft der Kunden fiel im Feldversuch dagegen kaum ins Gewicht, auch wenn Fahrgäste mit teurer Kleidung und exklusivem Fahrtziel tendenziell einen höheren Preis entrichten mussten.

Die wissenschaftliche Erforschung opportunistischen Verhaltens bei Vertrauensgütern kann dem Gesetzgeber helfen, zusätzlichen Regulierungsbedarf zu erkennen. Doch die Kunden sollten sich auch selbst besser vor Übervorteilung schützen. "Wer sein Informationsdefizit ohne Not kundtut, läuft erhöhte Gefahr übers Ohr gehauen zu werden", sagt Sutter. Beispielsweise sei es sinnvoll, sich vor dem Werkstattbesuch mit einigen technischen Fachbegriffen vertraut zu machen. Auch Patienten könnten teure Fehlbehandlungen mitunter vermeiden, wenn sie im Gespräch mit dem behandelnden Arzt einen (fiktiven) Mediziner in der Familie erwähnen. Im Fall der untersuchten Taxifahrten wären die Kunden gut beraten gewesen, sich vorab Informationen über die beste Route und die gängigen Fahrpreise einzuholen – oder zumindest ihre Unkenntnis nicht ungefragt zu offenbaren.

Quelle: Institut zur Zukunft der Arbeit

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