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Wenn es rückwärts vorwärts geht

Archivmeldung vom 17.05.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.05.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

Es geht nicht nur um nukleares Wasserkochen! Der Spatz schimpft

Der Houston Chronicle schrieb am 27.04.2005: "Die Atomare Globalisierung, die 2. Nukleare Revolution kommt in Gang" und den Untertitel "Globale Nuklearindustrie auf dem Vormarsch, Hunderte von Reaktoren stehen weltweit in der Schlange": Bis zum Jahr 2030 sollen vor allem in China und Indien aber auch in der Türkei, Polen, Indonesien und Vietnam einige Hundert neue Reaktoren gebaut werden. Die Zeitung erwartet sich von der Kernenergie den größten Beitrag, wenn nicht gar den einzigen Beitrag zur Lösung der Weltenergiekrise. Zwei Tage vorher erschien der britische Independent mit der Überschrift "Mehr Kernenergie statt grüner Energie könnte Milliarden sparen". Und die BBC schrieb in ihrem Onlinedienst "Kernenergie in Großbritannien wieder auf der Tagesordnung".

Nicht so in der Bedenken-Republik Deutschland! Hier gehen die Uhren (noch) anders. Hier ist nur von Stillegung und Ausstieg die Rede. Nach Stade wurde Mitte Mai Obrigheim exekutiert. Die Baden Württembergische Regierung bemerkt hierzu in einer Presseerklärung: "Die Abschaltung des Kernkraftwerks Obrigheim ist weder aus sicherheitstechnischer Sicht noch aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich". Die Anlage wurde laufend auf dem neuesten Stand gehalten und war trotz Wartung in den letzten 5 Jahren zu 88% bis 96% der Zeit verfügbar. Die anstehende Stillegung ist ausschließlich die Folge der durch die Medien indoktrinierten Atomangst und der mangelnden Bereitschaft hochbezahlter, angestellter Industriemanager, falsche Bedenken mit guten Argumenten zu zerstreuen. Sie sehen ihn aus "Kostengründen" gar nicht mal so ungern, den Ausstieg: Noch auf der Hannover-Messe 2005 verkündete Utz Claassen, der Vorstandsvorsitzender der EnBW, der das Kraftwerk Obrigheim gehört in einer Expertenrunde laut und vernehmlich "Wir halten am Ausstieg uneingeschränkt fest - ohne Wenn und Aber". Auch Mißwirtschaftsminister Clement bestätigte bei dieser Gelegenheit "Wir rütteln keineswegs am (Ausstiegs)Beschluß". (VDI Nachrichten 15.4.2005)

Warum? Den einen geht es um Pflege der Wählergunst, den anderen um "angemessene" Preise. Und welcher Strompreis wäre für Stromerzeuger angemessen? Der höchste natürlich! Martin Kneer, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Metalle (WVM) sagte am 15. April, was alle Hersteller merkten, die Strompreise ohne Netzentgelte und Steuern sind in den letzten 4 Wochen um weitere 10% gestiegen. Kneer machte dafür das "Oligopol" der vier großen Stromerzeuger verantwortlich. Man könnte es auch ihre "Verknappungspolitik" nennen. Denn nur knappe Güter, sind teure Güter und der Ausstieg aus der Kernenergie sorgt dafür, daß Strom ein knappes Gut und teuer wird. Wind-, Sonne- und Kotenergie wird daran nichts ändern - im Gegenteil. Im Vertrauen auf die im neuen Energiewirtschaftsrecht, das am 1.Juli verabschiedet werden soll, vorgesehenen Preisregulierungen setzt die Bundesregierung wie in ihren Verlautbarungen zur Wirtschaftsentwicklung auf Hoffen und Gesundbeten: "Regierung erwartet niedrigere Strompreise" las man am 14. April in der FAZ.

Das Kernkraftwerk Obrigheim speiste seit Oktober 1968 immerhin 86 Terawattstunden Strom in das Verbundnetz. Mehr war nicht erlaubt und das war das Ende. Man verzichtet nun auf die Stromerzeugung im Wert von jährlich 50 Millionen Euro. Statt dessen werden nun vorzeitig viele Millionen Euro für die Stillegung erforderlich, die sich nach Angaben der Baden Württembergischen Regierung über rund 14 Jahre hinziehen soll. Wir haben's ja (noch)! Als Ersatz wird der Region ein Holzschnitzelkraftwerk mit 10 Beschäftigten in Aussicht gestellt. Es wird kaum den Eigenbedarf des Ortes decken können. Bei der von der Regierung anvisierten nachhaltigen Wirtschaft wird das ausreichen, wenn nur erst die Bürger - Sie also - entsprechend "sensibilisiert" und weiterhin umerzogen sind.

Für Land und Region ist die Stillegung von Obrigheim kein Grund zum Feiern. Anders sieht es der Umweltminister der Rotgrünen in Berlin. Jürgen Trittin feiert die Stillegung u. a. mit einer 12-seitigen Broschüre "Magazin zum Abschalten", die er in Baden Württemberg in einer Auflage von 1,3 Millionen verteilen lassen will. Die Kosten trägt der Bundesbürger, der sich seine Regierung wiederholt selbst gewählt hat und ihrem Treiben mehr oder weniger schweigsam zuschaut. Übrigens, rückgängig machen läßt sich die Stillegungsentscheidung, wenn jemand das wollte, kaum noch, denn allein die Herstellung der Brennelemente erfordert eine Vorlaufzeit von 2 Jahren.

Obrigheim ist dieser Tage nicht das einzige Beispiel für die unter dem Vorwand der Angst vor möglichen Gefahren mehrheitlich gewählte Selbstverstümmelung der deutschen Produktionsfähigkeit. In Hanau wurden gerade die letzten Brennelemente weggeschafft, die ursprünglich für den seit 1981 längst zum Freizeitgelände umfunktionierten Schnellen Brüter in Kalkar bestimmt waren. Sie werden in Frankreich in normalen Kernbrennstoff umgewandelt. Dies hätte auch in Hanau geschehen können. Doch die alte Anlage mußte auf Drängen der Grünen Hals über Kopf stillgelegt werden, so daß man die Reste nicht mehr aufarbeiten konnte. Die neue, für 2 Mrd. DM gebaute MOX-Anlage sollte ohne Dauerbetriebsgenehmigung nicht kontaminiert werden. Selbst der geplante Verkauf an China wurde von den Grünen erfolgreich sabotiert. Jetzt mußte man nach endlosen Lagerkosten für den Wegtransport des radioaktiven Materials aus den Spaltstoffbunkern Hanaus 240 Mio. Euro. hinlegen. "Erst mit diesem (Ab)Transport ist das Kapitel ‚Schneller Brüter' in Deutschland endgültig beendet" jubelte Jürgen Trittin zu diesem Anlaß am 10. Mai in Berlin. In anderen Ländern ist das Kapitel durchaus nicht beendet, denn mit dem Schnellen Brüter läßt sich die Energieausbeute herkömmlicher Kernbrennstoffe um das 60-Fache vermehren.

Auch für die Stillegung des einzigen Endlagers für radioaktive Abfälle, das in Deutschland nur möglich wurde, weil es noch von der DDR-Regierung angelegt worden war, wurden erst kürzlich wieder 76 Mio. Euro Steuergelder aufgebracht. Das Geld wurde nötig, um Grubenbaue im einstigen Kalibergwerk statt mit den Abfällen mit 670.000 Kubikmeter Gestein zu verfüllen. Und so bleibt das nukleare Endlager in Deutschland weiterhin "ungelöst" und bietet nicht endende Verdienstmöglichkeiten für rot-grün wählende Gutachter.

Wer hofft, man würde in Deutschland - wenn man sich schon für den Ausstieg aus der Kernspaltung entschlossen hat - auf Kernfusion setzen, sieht sich - voraussehbar - ebenfalls getäuscht. Am 12. April sollte im Bundes-Kabinett ein nationales Energieforschungsprogramm verabschiedet werden, in dem im Vergleich zu den USA und Japan nur noch sehr geringe Mittel von 408 Mio. Euro für entsprechende Forschungen vorgesehen waren, neben sogenannten "alternativen" Energiequellen, die praktisch keine Alternative bieten, auch für die Kernfusion. Man konnte sich nicht einigen. Strittig war der Ansatz für die Kernfusionsforschung von 115 Mio. Euro. Führende Vertreter der Grünen, der SPD und das Umweltministerium drängten darauf, daß im Zuge des Ausstiegs auch mit dieser Technikentwicklung Schluß zu machen sei und die Mittel schrittweise für die weitere Arbeit an Sonne-, Wind- und Kotenergie anzuweisen seien.

Die Welt läßt die deutsche Bedenkenträgerei Gott sei Dank völlig unberührt. Im Jahr 2004 erreichte die weltweite Produktion von Atomstrom mit 2.738 Mrd. kWh einen neuen Höchstrekord. Das war 5 mal mehr als das, was an elektrischem Strom in Deutschland insgesamt verbraucht wurde. Zwei Dutzend Kernreaktoren sind zur Zeit im Bau und Claude Mandil der Chef der Internationalen Energieagentur spricht von einem forcierten Ausbau der Kernenergie (Financial Times vom 2.5.2005). Die friedliche Nutzung der Kernenergie geht nicht zu Ende und selbst der Vorstandsvorsitzende der Windenergiefirma RE-Power, Fritz Vahrenholt meinte öffentlich: "Das Thema Kernkraft kommt 2006 wieder auf die Agenda, egal unter welcher Regierung" (Köln. Rundschau vom 23.4.). Dann nämlich - so könnte man den Faden weiterspinnen - wenn die Wähler die Verschwendung der jetzigen Regierung und die Vergeudung technischer Möglichkeiten nachhaltig genug zu spüren bekamen.

Aber warum muß es unbedingt Kernenergie sein? Es geht dabei um mehr, als nukleares Wasserkochen. Die Beherrschung der Kernbindungskräfte stellt für die Menschheit ähnlich wie die Beherrschung der molekularen Bindungsenergie (des Feuers) einen tiefgreifenden kulturellen Entwicklungssprung dar. Damals mußte der Mensch seine animalische Angst vor dem Feuer überwinden, um überhaupt erst Mensch zu werden und eine menschliche Zivilisation aufbauen zu können. Dies gelang am Anfang gewiß nicht ohne Reibung.

Auf ähnlich tiefsitzende Ängste stößt der heutige Übergang zur friedlichen Nutzung der zweimillionenfach dichteren Kernbindungskräfte. Die Ängste betreffen den durch die modernen Herrschaftsmittel geprägten Kern des Menschseins, nämlich das, was den Einzelnen in der Gesellschaft zum besonderen Individuum macht. Worum es dabei geht verdeutlicht die Frage: Wie läßt sich Macht eines Menschen über andere auszuüben, wenn der materielle Mangel überwunden wäre und auch virtuelle Ängste keinen Mangel mehr vortäuschen können? Was unterschiede dann die Machthaber noch von den Unterlegenen, wie könnte man imponieren, womit könnten die einen die anderen zu Handlungen nötigen, zu denen sie aus eigenen Stücken und eigener Überzeugung nicht bereit sind, vor allem dann, wenn den Machthaber die Fähigkeit zu führen fehlt?

Dazu kommt, daß Not, vor allem die unnötig verlängerte und sinnlos beibehaltene Not, auch einen Nutzen hat. Sie lenkt uns von uns selbst ab, gibt an, was wir tun müssen und entzieht uns so der Herausforderung, die sich in jedem einzelnen meldet, wesentlich zu werden, d.h. dem Wesen des Menschseins zu entsprechen. Der Mensch ist das Wesen, das sich - anders als Tiere - selbst entwickeln, über sich selbst hinauswachsen kann. Wir selbst, "eigentümlich", werden wir durch unseren ureigenen Beitrag, den jeder einzelne einzigartig zur Besserung der Lebensumstände der Mitmenschen oder der Biosphäre insgesamt erbringen kann und will. Ein solcher eigener schöpferischer Beitrag für andere oder die Allgemeinheit ist das einzige wirkliche "Eigentum", das wir uns im Unterschied zu unwesentlichem Besitz erwerben können. Kreativität, Weiterentwicklung, das Überschreiten von Grenzen des Wachstums ist aber immer - religiös ausgedrückt - verbunden mit dem Tod des alten und der Neugeburt eines neuen Menschen. Wo werden größere Ängste frei als in diesem wesentlichen Zusammenhang?

Es wird behauptet, Technik habe mit Moral nichts zu tun, es käme erst darauf an, was der Mensch mit seinen technischen Möglichkeiten anfängt. Das mag stimmen, trifft aber nicht auf die Ablehnung oder gar Verhinderung technischer Möglichkeiten zu, welche die Menschen von materiellem Mangel und Not befreien könnten. Durch deren Verhinderung wird anderen eine menschenwürdigere Existenz oder einer angeblichen "Überbevölkerung" sogar die nackte Existenz verweigert. Ihre Ablehnung ist eine Frage der Moral. Ist es doch kaum verwerflicher, einen Menschen zu erschlagen, als ihn durch aufgezwungene Lebensumstände verhungern zu lassen - wie es heute als Folge der vom Internationalen Währungsfonds und der Finanzelite getragenen, und von der Masse der Etablierten gefeierten Finanzpolitik weltweit millionenfach geschieht.

Quelle: http://www.spatzseite.de/20050515.htm


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