Kassenarztchef wirft Ländern "gefährliche Regelungswut" vor und verlangt Rücknahme von Beherbergungsverbot
Archivmeldung vom 10.10.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttKassenarztchef Andreas Gassen hat den Bundesländern überzogene Anti-Corona-Maßnahmen vorgeworfen, was Akzeptanz koste und die Eindämmung gefährde. "Diese Regelungswut ist oft eher kontraproduktiv", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) mit Blick auf Beherbergungsverbote und Sperrstunden.
Gassen weiter: "Die Reisebeschränkungen sind zur Pandemiebekämpfung überflüssig und auch nicht umzusetzen. Wenn jedes zweite Bundesland für sich eine Ausnahme reklamiert, zeigt das, wie löchrig dieser Käse ist", so Gassen. Das Beherbergungsverbot müsse "definitiv" schnellstmöglich zurückgenommen werden.
Innerdeutsche Reisen bezeichnete Gassen als "Pseudo-Gefahr". "Masseninfektionen haben wir bei traditionellen Großhochzeiten, in Fleisch verarbeitenden Betrieben, durch unkontrolliertes Feiern. Das aber wird durch Quasi-Reiseverbote überhaupt nicht unterbunden", sagte er. Stattdessen würden knappe Test-Kapazitäten verschwendet. "Das ist schon fast grober Unfug."
Auch Sperrstunden und Alkoholverbote wie in Berlin seien "mehr als fragwürdig", sagte Gassen der NOZ. "Bis 23 Uhr darf man sich ins Koma saufen, aber 23.30 Uhr gibt's nichts mehr?" Das sei nicht effektiv, weil das individuelle Verhalten nicht geändert werde. "Durch den Wust an nicht nachvollziehbaren Regelungen verlieren wir aber eventuell die Akzeptanz für die Maßnahmen, die wirklich etwas bringen", sagte Gassen. Das sei "gefährlich", weil auch sinnvolle Einschränkungen ignoriert würden. "Es wäre klüger, auf neue Regeln zu verzichten, damit die verbliebene Disziplin nicht zerbröselt. Also bitte aufhören damit!"
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)